Papst verurteilt Islamisten und fordert politische Lösung für den Irak

"Schwerwiegende Beleidigung Gottes"

Papst Franziskus fordert eine politische Lösung für den Irak, um der Verfolgung von Christen, Jesiden und Schiiten Einhalt zu gebieten. Die katholische Kirche in Deutschland warnt vor einem neuen Flüchtlingsdrama im Mittleren Osten.

Papst Franziskus (dpa)
Papst Franziskus / ( dpa )

Er vertraue darauf, dass eine "wirksame politische Lösung auf internationaler und lokaler Ebene diese Verbrechen beenden und das Recht wieder herstellen kann", sagte Papst Franziskus am Sonntag zum Abschluss des traditionellen Mittagsgebets auf dem Petersplatz. Zugleich dankte er alljenen, die "diesen Schwestern und Brüdern mutig Hilfe leisten". Auf das militärische Eingreifen der USA im Irak ging Franziskus nicht ausdrücklich ein.

Die Vertreibung der Christen und anderer Minderheiten verurteilte der Papst als "schwerwiegende Beleidigung Gottes und der Menschheit". Er fuhr fort: "Im Namen Gottes verbreitet man keinen Hass. Man führt keinen Krieg im Namen Gottes!"

Franziskus hatte die internationale Gemeinschaft am Samstag in einer durch den Kurznachrichtendienst Twitter verbreiteten Botschaft aufgerufen, "alle Opfer von Gewalt im Irak zu beschützen". In einer weiteren Twitter-Botschaft schrieb er vier Stunden (deutscher Kanal) später: "Gewalt besiegt man nicht mit neuer Gewalt."

Dass Tausende brutal aus ihren Häusern verjagt würden, Kinder auf der Flucht verhungerten oder verdursteten, Männer massakriert und Frauen geraubt würden, sei erschütternd, sagte Franziskus am Sonntag weiter. Er zeigte sich zudem bestürzt über die Zerstörung des religiösen und kulturellen Erbes durch die Terrorgruppe "Islamischer Staat". Franziskus kündigte an, dass sein Sondergesandter für den Irak, Kardinal Fernando Filoni, am Montag nach Bagdad aufbrechen werde.

Katholische Kirche: 300.000 irakische Christen auf der Flucht

Die katholische Kirche in Deutschland warnt vor einem neuen Flüchtlingsdrama im Mittleren Osten. Derzeit seien rund 300.000 irakische Christen auf der Flucht vor der Terrorgruppe "Islamischer Staat" (IS), sagte der Sprecher der Deutschen Bischofskonferenz, Matthias Kopp, am Sonntag dem Sender WDR2. Sie stammten vor allem aus dem Nordirak, wo die Christen eine Zeit lang von den Kurden geschützt wurden, die aber inzwischen selbst nicht mehr Herr der Lage seien.

"Es ist ein Drama", sagte Kopp. Die Zahl der Christen, die im Irak eine jahrtausendalte Tradition haben, habe sich zwischen 2000 und 2010 von 6,6 auf 3,3 Prozent der Bevölkerung halbiert.

Die Menschen suchten Schutz in Flüchtlingslagern an der irakisch-jordanischen Grenze, so Kopp. Weiter gebe es Fluchtbewegungen in Richtung Türkei, "solange die Türkei die Grenzen offen lässt". Der einstmals wichtige Flüchtlingskorridor nach Syrien existiere nicht mehr, weil dort auch die IS patrouilliere. Demzufolge habe Jordanien "eine unglaubliche Masse von Menschen aufzunehmen".

Neben rund 1,2 Millionen Flüchtlingen aus Syrien kämen jetzt etwa eine halbe Million Flüchtlinge - meistens Christen - aus dem Irak nach Jordanien. In den Lagern herrsche ein "unglaubliches Elend" durch eine große Bereitschaft zu Gewalt, durch Prostitution und eine Drogenmafia. "Ein Lager heißt nie Sicherheit, es ist eine temporäre Heimstatt, wo keiner genau weiß, wie es weitergeht", so der Sprecher der Bischofskonferenz.

Zu den US-Luftangriffen im Irak sagte Kopp, "gerade in einer solchen dramatischen Situation wie mit der IS, wo solche Gewaltexzesse existieren", sei "Gewalt wahrscheinlich nur als das letzte Mittel zu rechtfertigen". Die katholische und die evangelische Kirche in Deutschland versuchten, durch ihre Hilfswerke wie die Diakonie-Katastrophenhilfe und Caritas International den Menschen im Irak zu helfen. Aber auch deren Partner vor Ort seien in den letzten Tagen massiv von der IS bedroht und teilweise überfallen worden.

"Aber wir versuchen als Kirchen in Deutschland, unsere Hilfe über die Katastrophenhilfe zu steuern. Das sind die letzten Partner, die vor Ort geblieben sind", sagte der Sprecher der Deutschen Bischofskonferenz.

Bischöfe gegrüßen Eingreifen der USA

Der bayerische evangelische Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm und der katholische Bischof von Rottenburg-Stuttgart, Gebhard Fürst, begrüßten das militärische Eingreifen der USA im Nordirak, wie auch die Hilfsflüge. Es gebe jetzt die Chance, die brutalen Exekutionen und sexuellen Gewalttaten der Extremistengruppe "Islamischer Staat" (IS) endlich zu stoppen, schrieb Bedford-Strohm am Samstag auf seiner facebook-Seite. Ethisch wäre es nicht zu rechtfertigen, die unmittelbar bedrohten Jesiden-Flüchtlinge ohne effektiven Schutz zu lassen.

Fürst erklärte, ohne Engagement von außen könne sich die Regierung der autonomen Provinz Kurdistan des drohenden Ansturms der IS-Milizen nicht erwehren. Umgehend müsse zudem den Zehntausenden Jesiden geholfen werden, die aus ihren Wohnorten vertrieben worden seien und die ohne Lebensmittel und Schutz ins Gebirge hätten fliehen müssen.

Mit ihrer gewaltsamen Vertreibung drohe in der Region das Ende einer Jahrtausende alten religiösen und kulturellen Vielfalt. Bischof Fürst rief zu mehr Hilfsanstrengungen für die Opfer des islamistischen Terrors im Norden des Irak auf. Seine Diözese werde weitere 100.000 Euro aus einem Nothilfefonds bereitstellen, kündigte er an: "Es bahnt sich eine humanitäre Katastrophe biblischen Ausmaßes an, wir dürfen dabei nicht zusehen", sagte der Bischof. Er rechnet damit, dass die in Europa und damit auch in Deutschland ankommenden Flüchtlinge auf lange Sicht nicht mehr in ihre Heimat zurückkehren können. "Wir sind als Christen aufgerufen, ihnen Schutz und neue Heimat zu bieten", sagte er.

Dröge zufolge macht der Islam gerade das durch, was das Christentum im Dreißigjährigen Krieg erlebt habe, als sich unterschiedliche Gruppierungen blutig bekämpften. Beide Bischöfe, Fürst und Dröge, appellierte an die gemäßigten Kräfte im Islam, sich ganz deutlich vom islamistischen Terror zu distanzieren und sich für den Weltfrieden einzusetzen.

Hilfswerk missio fordert UN-Friedenstruppe im Nordirak

Zum Schutz der bedrohten religiösen Minderheiten im Irak fordert das katholische Hilfswerk missio einen Einsatz einer internationalen Friedenstruppe. In einem Brief an Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) appellierte das Hilfswerk, "schnellstmöglich die Bedingungen zur Einrichtung einer multidimensionalen UN-Friedenstruppe zum Schutz der Zivilbevölkerung im Nordirak zu prüfen", wie missio-Präsident Prälat Klaus Krämer am Sonntag in Aachen mitteilte. Einen solchen Schutz benötigten besonders die gefährdeten Minderheiten der Christen, Jesiden, Schiiten und Turkmenen.

Das Hilfswerk mahnte außerdem die Einrichtung eines Koordinationsstabs für die Schutzmaßnahmen für die Zivilbevölkerung an. Dieser Koordinationsstab solle aus Vertretern der Irakischen Zentralregierung, der Kurdischen Regionalregierung und einer möglichen UN-Friedenstruppe bestehen. Missio forderte zudem die Bundesregierung auf, unverzüglich Maßnahmen für humanitäre Hilfe für Menschen auf der Flucht in die Wege zu leiten. Auch sollte die Bundesregierung aus humanitären Gründen zeitweilig irakische Flüchtlinge in Deutschland aufnehmen.

Parteiübergreifender Aufruf fordert Hilfe für Verfolgte im Irak

Auch ein Ein Bündnis aus Politik, Menschenrechtlern, Religionsgemeinschaften und Künstlern hat die Bundesregierung aufgefordert, humanitäre Soforthilfe für die im Irak verfolgten Christen, Jesiden und andere religiöse Minderheiten auf den Weg zu bringen. "Der Vormarsch der radikal-islamischen Terrororganisation 'Islamischer Staat' (IS) bedroht das Leben Zehntausender Menschen im Irak", heißt es in dem offenen Brief, der unter anderem von Bundes- und Landespolitikern aus CDU, SPD, Grünen, FDP und Linkspartei unterzeichnet worden ist und der "Welt" (Montag) vorliegt.

Zehntausende Flüchtlinge benötigten dringend Wasser, Essen und Medizin. Die Unterzeichner warnten vor einer humanitären Katastrophe. "Wir - die Unterzeichnerinnen und Unterzeichner dieses offenen Briefes - fordern die Bundesregierung auf, sofortige humanitäre Hilfsmaßnahmen für die Flüchtlinge im Sindschar-Gebirge und in den kurdischen Gebieten Syriens in die Wege zu leiten", heißt es in dem Schreiben. "Die bisherigen Anstrengungen des Auswärtigen Amtes müssen deutlich ausgeweitet werden." Jedes weitere Warten habe fatale Folgen für die unschuldige Zivilbevölkerung.

Zu den Unterzeichnern gehören der SPD-Bundestagsabgeordnete Axel Schäfer, der CDU-Parlamentarier Heribert Hirte, die Linkspartei-Abgeordnete Ulla Jelpke und zahlreiche Abgeordnete aus mehreren Landtagen sowie Vertreter armenischer, jesidischer, jüdischer und alevitischer Organisationen sowie von Menschenrechtsorganisationen.

Der Vorsitzende des Zentralrats der Jesiden in Deutschland, Telim Tolan, appellierte ebenfalls an die Bundesregierung, ihre Hilfe für die verfolgten Jesiden im Nordirak auszubauen. "Wir bitten die Bundesregierung, dass sie ihr technisches Know-How, ihre Logistik, Lebensmittel und ihre finanziellen Mittel zur Verfügung stellt", sagte Tolan der "Welt". Vor allem die Flüchtlingslager in den autonomen kurdischen Gebieten und in der Türkei seien auf Soforthilfe angewiesen. Tolan gab sich zuversichtlich, dass die US-amerikanischen Luftschläge dazu beitragen werden, die Situation der in der Schingal-Region eingekesselten Jesiden zu verbessern. "Die Luftangriffe zeigen Wirkung", sagte er. Es seien Korridore entstanden, durch die schon 10.000 bis 20.000 Menschen aus den Bergen fliegen konnten.


Quelle:
epd , KNA , dpa