Papst und Diözese wollen Kirchenehren für ermordeten Priester

Eine Eiligsprechung gegen den Terrorismus?

"Die Mörder haben Père Hamel getötet", sagt Rouens Erzbischof Lebrun - "aber sie haben nicht die Liebe getötet." Er und Papst Franziskus treiben die Kirchenehrung für den Ermordeten sehr stark voran. Eine Eiligsprechung?

 (DR)

"Santo subito!", so scholl es 2005 nach dem Tod von Papst Johannes Paul II. über den Petersplatz: "Heilig sofort!" Nun, gerade drei Monate nach der brutalen Ermordung des französischen Priesters Jacques Hamel durch Islamisten, lautet die Marschrichtung: Beato subito! - selig sofort. Hamels Ortsbischof, Erzbischof Dominique Lebrun von Rouen, und Papst Franziskus ziehen in der Sache an einem Strang. Franziskus setzte die im kirchenrechtlichen Verfahren vorgeschriebene Fünf-Jahres-Frist für einen Prozessbeginn aus, und Lebrun wie auch der Papst selbst bekundeten am Sonntag ihren Wunsch, es möge möglichst schnell gehen.

Einen starken Zeitgenossen, ein populäres Vorbild im Angesicht der islamistischen Bedrohung bieten zu können; den Terroristen christliche Nächstenliebe entgegenzuhalten: Das sind die mutmaßlichen Beweggründe der beiden Kirchenführer. Und doch muss auch ein Innehalten erlaubt sein. Konnten und können sich Johannes Paul II. (1978-2005), Benedikt XVI. (2005-2013) und Franziskus sicher sein, in der Beförderung von katholischem Personenkult stets sauber zwischen den theologischen Motiven und den Gesetzmäßigkeiten der Massen- und Mediengesellschaft zu unterscheiden?

Die Ausnahme bestätigt die Regel

Tatsache ist: Immer schneller dreht sich das Rad der Ausnahmen für ein Verfahren, das der Vatikan einst zum Zweck der Entschleunigung und Objektivierung entwickelt hat und in diesen Grundzügen nunmehr seit rund 300 Jahren anwendet. Johannes Paul II., der Papst aus dem kommunistischen Polen, sprach in dem Wunsch, den Menschen des ausgehenden 20. Jahrhunderts Vorbilder zu geben, mehr Personen selig und heilig als all seine Vorgänger zusammen. Die Maschinerie der angelaufenen Prozesse taktete auch unter Benedikt XVI. weiter.

Johannes Paul II. rückte im Fall von Mutter Teresa von Kalkutta (1910-1997) erstmals von der Fünf-Jahres-Frist ab und erlaubte eine Aufnahme des Verfahrens bereits zwei Jahre nach ihrem Tod. Der Seligsprechungsprozess für ihn selbst begann mit Erlaubnis Benedikts XVI., der die "Santo subito"-Rufe erhörte, sogar schon drei Monate nach seinem Tod im April 2005. Johannes Paul II. wurde dann noch zweieinhalb Jahre früher heilig als Mutter Teresa, die acht Jahre Vorsprung hatte und selbst bereits auf die Überholspur gesetzt war.

Eiligsprechung soll vermieden werden

Bei Père Hamel liegt die Sache nun kirchenrechtlich etwas anders. Bei Märtyrern, also wegen ihres Glaubens Getöteten, entfällt der zuweilen langwierige Verfahrensnachweis eines Heilungswunders, das auf Vermittlung des Kandidaten gewirkt wurde. Auch darauf aber hat Franziskus übrigens im Fall des Konzilspapstes Johannes XXIII. (1958-1963) bereits zuletzt verzichtet. Einmal mehr hat der Papst nun die Fünf-Jahres-Frist außer Kraft gesetzt. Er will, so sagte er am Sonntagabend, keine "frischen Zeugen verlieren", die den 85 Jahre alten Pfarrer noch erlebt hätten.

Der Eindruck neuer Eiligsprechungsmechanismen sollte im Eigeninteresse der Kirche vermieden werden. Im Fall Jacques Hamel freilich ist die theologische - und zugleich friedenspolitische - Botschaft bereits klar erkennbar. Erzbischof Lebrun hat sie bei der emotionalen und symbolreichen Reinigungszeremonie in Hamels Kirche in Saint-Etienne-du-Rouvray am Sonntag in so prägnante wie für Christen nachvollziehbare Worte gefasst: "Die Mörder haben Père Hamel getötet - aber sie haben nicht den katholischen Glauben getötet. Sie haben nicht Christus getötet, und sie haben nicht die Liebe getötet. Die Liebe geht ihren Weg weiter."

"Den Weg der Liebe gehen"

Und in diesem Sinn forderte er die Anwesenden auf, der Gewalt zu trotzen und auf diesem Weg der Liebe zu bleiben, wenn sie nun die Tür der Kirche wieder durchschreiten. Nach und nach wurde symbolisch repariert, was die Islamisten in Saint-Etienne-du-Rouvray mutwillig zu zerstören suchten. Der Altar wurde neu geweiht, das Kreuz Christi wieder hereingetragen - und dann mit der Kerze das Licht christlicher Nächstenliebe. Hamels Mörder, so Lebrun, hätten "einen Priester töten wollen - und einen Märtyrer geschaffen".

Alexander Brüggemann


Quelle:
KNA