Papst ist unterwegs nach Deutschland und domradio.de überträgt alle Stationen des Staatsbesuchs live in Bild und Ton

Lasset das Glaubensfest beginnen!

Vier Besuchsorte an vier Tagen, jede Nacht ein anderes Bett, jeden Tag ein großer Gottesdienst mit Zehntausenden Gläubigen, eineinhalb Dutzend Ansprachen: Benedikts Programm in Berlin, Erfurt, im Eichsfeld und in Freiburg hat es in sich - nicht nur wegen der großen körperlichen Anstrengung für einen 84-Jährigen, sondern auch inhaltlich.

Papst Benedikt XVI. (DBK)
Papst Benedikt XVI. / ( DBK )

Der mit Spannung erwartete Deutschlandbesuch wird dem katholischen Kirchenoberhaupt eine Menge abverlangen. Zwar wird es auch Deutschland Bilder von den Menschenmengen geben, die ausgestattet mit weiß-gelben Fähnchen dem alten Mann im Papamobil zujubeln. Viele Programmpunkte der Reise aber sind durchaus heikel.



Gespräche mit Juden und Muslimen

Der Papst ist in den Bundestag eingeladen, doch ein stattlicher Teil der Abgeordneten will ihm gar nicht zuhören. Er trifft auf Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), die 2009 nach der Begnadigung des Traditionalistenbischofs und Holocaust-Leugners Richard Williamson mit ihrer Kritik am Papst im Vatikan große Verstimmung ausgelöst hatte. Er wird mit den deutschen Bischöfen zu Mittag essen, von denen einige ungewöhnlich deutlich den Umgang des Vatikans mit der Piusbruderschaft kritisiert hatten.



Gedämpfte ökumenische Hoffnungen

Der evangelische Ökumene-Experte Hans-Peter Großhans von der Universität Münster erwartet vom Deutschlandbesuch des Papstes am kommenden Wochenende keine weitere Annäherung der beiden großen christlichen Kirchen. In Lehre, Organisation und Gottesdiensten unterschieden sich die katholische und evangelische Kirche so stark voneinander, dass in der Ökumene keine Fortschritte zu erwarten seien, heißt es in einem am Mittwoch veröffentlichten Beitrag des Theologen für das Exzellenzcluster "Religion und Politik" der Hochschule.



"Die Differenzen zwischen den beiden Kirchen sind nicht nur Ausdruck eines Unwillens", schreibt der Leiter des Ökumenischen Instituts der Evangelisch-theologischen Fakultät der Universität Münster. Vielmehr handele es sich um berechtigte sachliche Unterschiede, über die in theologischen Arbeitskreisen und in kirchlichen Gremien ökumenisch gearbeitet und diskutiert werde. "Auch ein päpstliches Wort kann diese Sachfragen nicht abschließend beantworten und die Differenzen auflösen." In den Fragen etwa zum gemeinsamen Abendmahl, zu Unterschieden in der Amtsauffassung oder zum Kirchenverständnis seien dementsprechend keine Änderungen zu erwarten.



Der Papst trifft auch auf Muslime, die ihm die Verwendung eines Mohammed-kritischen Zitats vor fünf Jahren nachtragen. Auf Juden, die irritiert sind über die Karfreitagsfürbitte für ihre Bekehrung, über den Fall Williamson und den Seligsprechungsprozess für Papst Pius XII.



Und er trifft auf katholische Laienvertreter, die Reformen anmahnen, die für Benedikt nicht mit der Glaubenslehre vereinbar sind. Der Papst reist in ein Land, in dem nicht nur die Zahl der Gläubigen stetig sinkt, sondern sich selbst Katholiken zunehmend von ihrer Kirche entfernen.



Missbrauchsopfer fordern vom Papst Verantwortungsübernahme

Mit gespannter Erwartung blickt der "Eckige Tisch", die Vereinigung Betroffener des Missbrauchs an deutschen Jesuitenschulen, dem Deutschlandbesuch von Papst Benedikt XIV. entgegen. "Wir wünschen uns vom Papst bei seinem Auftritt keine bloßen Entschuldigungserklärungen, sondern ein klares Bekenntnis zur Verantwortung", sagte Gruppensprecher Matthias Katsch am Mittwoch in Bonn. Ein solches Bekenntnis hätten die Opfer von jahrzehntelangem Missbrauch am Bonner Aloisiuskolleg, am Berliner Canisiuskolleg und am Kolleg in St. Blasien bisher bitter vermisst und in den vergangenen Monaten noch von keinem verantwortlichen Kirchenmann in Deutschland gehört.



Es gehe um die Verantwortung der Institution Kirche für das "Nicht-Verhindern von Wiederholungstaten", für das "Nicht-Kümmern um die Opfer" und für das weltweite Schützen der Täter. Dafür reiche Bedauern nicht aus, betonte Katsch. "Buße genügt nicht." Das hätten die Opfer auch schon versucht, den deutschen Bischöfen zu sagen, ohne angehört zu werden. "Jetzt hoffen wir auf ein Dialogangebot durch das Kirchenoberhaupt." Er habe aber leider noch keine Informationen zu "irgendwie geplanten Treffen" des Papstes mit Opfergruppen.



Verantwortung zu übernehmen, heiße aus Sicht der Opfergruppe, den Betroffenen zu helfen, ihre Last zu tragen. Es bedeute aber auch, Strukturen zu verändern, die den Missbrauch in dieser Weise ermöglicht und begünstigt haben und so die Voraussetzungen zu schaffen, dass sich solche Taten nicht wiederholen können. "Darüber würden wir gerne mit Benedikt XIV. sprechen."



Glattes Parkett

Und doch lässt sich daraus nicht ableiten, dass sein dritter Heimatbesuch zwangsläufig scheitern muss: Jedenfalls zeigt das die Erfahrung von anderen Auslandsreisen des Papstes - zum Beispiel in die Türkei, in der Benedikt 2006 mit großen Vorbehalten empfangen worden war, am Ende die Reaktionen von Politik und Medien insgesamt aber so positiv ausfielen, dass selbst die Verantwortlichen im Vatikan überrascht waren. Aber auch die Reisen in den Nahen Osten (2009) oder nach Großbritannien (2010) zeigten, dass der Professor auf dem Stuhl Petri durchaus in der Lage ist, die Stimmung zu drehen.



Auf einen ähnlichen Effekt hoffen die deutschen Bischöfe auch für diesen Besuch. "Natürlich ist das Parkett glatt, denn jeder wird versuchen, seine eigene Interpretation in die Worte des Papstes zu legen", sagte der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Robert Zollitsch. Er appelliert daher an die Bundesbürger, dem Papst offen zuzuhören und sich erst anschließend ein Urteil zu bilden.



Bei allen Schwierigkeiten, bei aller öffentlichen Kritik an den Kosten des Besuchs und den Positionen des Papstes insbesondere zur Sexualität gibt es aus Sicht der katholischen Kirche auch positive Vorzeichen. Die Nachfrage nach Karten für die Papst-Gottesdienste überraschte selbst die deutschen Bischöfe. Die Messfeier in Berlin musste wegen des großen Interesses vom Schloss Charlottenburg ins Olympiastadion verlegt, in der Diözese Erfurt und im Erzbistum Freiburg gehen nach wie vor zahlreiche Kartenanfragen ein. Insgesamt rechnen die Veranstalter mit rund 270.000 Papstbesuchern. Wie die Erzdiözese Freiburg am Mittwoch mitteilte, haben sich mehr als 110.000 Menschen allein für die Begegnungen mit Benedikt XVI. in Freiburg angemeldet. In Berlin ist das Olympiastadion mit mehr als 70.000 Plätzen voll ausgebucht. Zu der Eucharistiefeier auf dem Domplatz in Erfurt werden knapp 30.000 Gläubige erwartet. In Etzelsbach rechnen die Veranstalter mit etwa 60.000 Teilnehmern.



Während des Papstbesuchs herrscht höchste Sicherheitsstufe in der Hauptstadt. Tausende von Polizisten sind rund um die Uhr im Einsatz. In Berlin sind bei der Polizei sechs Gegendemonstrationen angemeldet. Die größte ist der vatikankritische Zug des Bündnisses "Der Papst kommt" mit 20.000 erwarteten Teilnehmern.


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