Papst Franziskus und die Kritiker

Was ist los im Vatikan?

Papst Franziskus und seine geplanten Reformen polarisieren. Konservative Vertreter reagieren mit einer "Zurechtweisung", Sympathisanten mit der Initiative "Pro Pope Francis". Was spielt sich derzeit hinter den Kulissen des Vatikan ab?

Papst Franziskus zwischen Kardinälen / © Cristian Gennari (KNA)
Papst Franziskus zwischen Kardinälen / © Cristian Gennari ( KNA )

domradio.de: Sie waren vor Kurzem in Rom. Welche Rolle spielt denn die Kritik an Papst Franziskus und die Solidaritätsbekundungen mit ihm im vatikanischen Alltagsgeschäft - was war da Ihr Eindruck?

Ludwig Ring-Eifel (KNA-Chefredakteur): Mein Eindruck war, dass man darüber nicht sehr offen spricht, hinter vorgehaltener Hand dann aber doch. Es gibt schon eine gewisse Unruhe und ein gewisses Unbehagen darüber, wie diese Konflikte jetzt eskaliert sind. Dass dem Papst Häresie vorgeworfen wurde, ist dann doch eine Ungeheuerlichkeit, über die man auch im Vatikan nicht einfach zur Tagesordnung übergehen kann. Aber eine richtige offene Debatte findet nach meinem Eindruck nicht statt.

domradio.de: Der Münstersche Kirchenhistoriker Hubert Wolf hat im domradio-Interview Franziskus' Umgang mit seinen Kritikern gelobt. Im Gegensatz zu seinen Amtsvorgängern würde er sie nicht "rausschmeißen". Wie sehen Sie das?

Ring-Eifel: Das kann man so leider nicht sagen. Er hat in der Vergangenheit teilweise schon einzelne Kritiker in kleineren Dienstgraden rausgeschmissen. Und er hat Kardinal Müller, der in manchen inhaltlichen Fragen in einer gewissen Distanz zu ihm stand, das Amt nicht verlängert. Er trennt sich da schon von den Leuten, die nicht auf seiner Linie liegen; oder er rüffelt sie manchmal auch öffentlich, so wie jetzt in dem letzten Fall mit Kardinal Sarah.

domradio.de: Da geht es um den Präfekten der Kongregation für den Gottesdienst und die Sakramentenlehre. Was hat es denn da mit dem Brief, von dem wir gestern in den Medien erfahren haben, auf sich?

Ring-Eifel: Der Papst hatte einen Erlass herausgegeben, in dem er klargestellt hat, dass die Übersetzungen für die Messbücher – was ja eine sehr wichtige Sache in der katholischen Kirche ist –, künftig von den einzelnen Bischofskonferenzen selbst gemacht werden können und dass Rom nur noch am Ende den Stempel drauf gibt, um das Ganze zu approbieren. Das war früher genau anders herum: Früher hat Rom vorgeschrieben, wie diese Übersetzungen auszusehen haben, und das hat der Papst jetzt herumgedreht. Er hat die Kompetenz in die nationalen Gremien verlagert. Kardinal Sarah ist im Vatikan zuständig für diese Fragen und er hat in einem Kommentar versucht, das wieder herumzudrehen und zu sagen: Moment mal, wir in Rom haben immer noch das letzte Wort.

domradio.de: Aber kommt dieser Kommentar von Kardinal Sarah selbst? Denn Franziskus schreibt in seinem Brief, dieser sei ihm fälschlicherweise zugeschrieben worden. Was stimmt nun?

Ring-Eifel: Dieses Attribut "fälschlicherweise zugeschrieben" ist etwas unklar und hat alle Vatikan-Experten in Verwirrung gestürzt, was der Papst denn jetzt genau damit meint. Ich glaube, es läuft darauf hinaus, dass der Papst dem Kardinal eine Möglichkeit eröffnen will, sich öffentlich von seinen eigenen Gedanken zu distanzieren und zu sagen: Das waren gar nicht meine Gedanken. Aber jeder weiß natürlich, dass in Wirklichkeit Kardinal Sarah tatsächlich diese Sicht der Dinge hat. Er hält daran fest, dass die römische Zentrale in diesen Dingen die letzte Entscheidung haben muss. Dafür wird er jetzt vom Papst öffentlich zurechtgerückt. Das ist schon ein ganz einmaliger Vorgang. Ich kann mich in langer Zeit der Vatikan-Beobachtung nicht erinnern, so etwas schon einmal erlebt zu haben.

domradio.de: Es ist ja mittlerweile auch schon das zweite Mal: Wir erinnern uns vielleicht an die liturgische Tagung, die es im Sommer vergangenen Jahres in London gegeben hatte. Da hat Kardinal Sarah von der Zelebrationsrichtung gesprochen und noch einmal den Begriff von der "Reform der Reform" benutzt. Kurz darauf wurde er zu Papst Franziskus zitiert. Jetzt haben wir also schon das zweite Mal eine Art Zurechtweisung. Was glauben Sie, welche Folgen wird das haben?

Ring-Eifel: Ich kann mir schwer vorstellen, dass sich der Kardinal noch lange wird halten können. Er ist ja in einem ganz offensichtlichen Gegensatz zu Papst Franziskus in dieser nicht ganz unwesentlichen Frage. Und das ist im Vatikan nicht anders als in anderen Betrieben auch: Wenn ich mich gegen meinen Chef stelle, dann ziehe ich am Ende den Kürzeren.

domradio.de: Wenn wir den Vergleich zu Kardinal Müller ziehen, hätten wir noch zwei Jahre Zeit. Dann sind bei Kardinal Sarah auch die fünf Jahre voll. Glauben Sie, die zwei Jahre hält er noch durch oder wird das Fallbeil schon eher hinuntersausen?

Ring-Eifel: So dramatisch würde ist es jetzt nicht ausdrücken. Aber ich könnte mir vorstellen, dass er vorher schon um seine Versetzung bittet. Möglicherweise hält er aber auch noch die zwei Jahre durch, hat aber dann effektiv nichts mehr zu sagen. Er ist jetzt öffentlich so vom Papst bloßgestellt, dass er seine gesamte Autorität damit eingebüßt hat.

domradio.de: Schauen wir zum Schluss noch auf die anderen Felder der Kurienreform. Diese soll ja inzwischen in ihre Schlussphase eingetreten sein. Der Kardinalsrat hat vor einiger Zeit davon gesprochen, dass nur noch zwei oder drei vatikanische Behörden auf der Agenda stehen. Was gibt es denn da Neues zu berichten?

Ring-Eifel: Die Kurienreform-Kommission der neun Kardinäle hat ja inzwischen 21 Mal getagt eine ganze Menge an konkreten Reformen auf den Weg gebracht. Es wurden mehrere vatikanische Behörden zusammengelegt. Es wurden vier Behörden zu einer Behörde zur ganzheitlichen Entwicklung des Menschen zusammengelegt. Dann wurden drei andere Behörden zu einer zusammengelegt. Und dann wurde ein neues Mediensekretariat geschaffen. Also eine Menge konkreter Organisations-Reformen, die der Papst da schon auf den Weg gebracht hat. Und nun kommen noch ein paar Reformen, die alle Behörden gemeinsam betreffen. Da ist in etwa zu erwarten, dass der Papst anordnet, dass künftig mehr Laien und mehr Frauen in allen Behörden Ämter bekommen müssen, dass man noch kollegialer als bisher tagt und dass man die Entscheidungskompetenzen in vielen Fragen noch stärker in Richtung der nationalen Bischofskonferenzen verlegt und dass der Vatikan nur noch eine dienende Behörde für die lokalen Kirchen sein wird.

domradio.de: Und bedeutet das auch eine weitere Rotation im Personalkarussell innerhalb der Kurie?

Ring-Eifel: Das ist schwer zu sagen, inwieweit der Papst da noch Umbesetzungen vornehmen wird. Aber ohne ein Minimum an Umbesetzungen wird es wohl nicht gehen. Franziskus hat ja auch ein großes Personalproblem bei der Finanzbehörde, wo es um die Wirtschaftsfragen geht. Kardinal Pell wird ja mit einiger Wahrscheinlichkeit nicht so bald aus Australien zurückkommen. Da muss der Papst demnächst auch wieder eine Personalentscheidung treffen.

Das Interview führte Jan Hendrik Stens.


KNA-Chefredakteur Ludwig Ring-Eifel (KNA)
KNA-Chefredakteur Ludwig Ring-Eifel / ( KNA )
Quelle:
DR