Papst Franziskus liest Brasiliens Führung die Leviten

"Elitebewusstsein vermeiden"

"Dialog, Dialog, Dialog": Der Appell des Papstes an die politische Führung Brasiliens war deutlich genug, auch wenn Franziskus nicht ausdrücklich auf die jüngsten Massenproteste in dem südamerikanischen Land einging.

Autor/in:
Thomas Jansen
Proteste in Rio (dpa)
Proteste in Rio / ( dpa )

In seiner Ansprache im Theater von Rio forderte Franziskus am Samstag mehr soziale Gerechtigkeit und einen konstruktiven Dialog aller gesellschaftlichen Gruppen in Brasilien. Es brauche "eine Politik, die immer mehr und immer besser die Beteiligung der Bevölkerung verwirklicht, Formen des Elitebewusstseins vermeidet und die Armut ausmerzt", so Franziskus.

Denn: Auch eine Demokratie sei nie dagegen gefeit, "einem System verhaftet zu bleiben, wo nur die bestehenden Interessen vertreten werden". Die Zuhörer des Papstes entstammten vor allem jener Klasse, deren Korruptheit und Selbstherrlichkeit nach Ansicht vieler Beobachter die eigentliche Ursache für die Proteste darstellt: Er redete vor führenden Vertretern aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft Brasiliens.

Am vorletzten Tag seines Brasilien-Besuchs setzte Franziskus vor allem politische und kirchenpolitische Akzente. Auch in seiner anschließenden Ansprache vor den Bischöfen Brasiliens sprach er offen Missstände im Gastgeberland des Weltjugendtags an. "Bildung, Gesundheit und sozialer Frieden sind Dringlichkeiten in Brasilien", sagte Franziskus während eines gemeinsamen Mittagessens. Bei diesen Themen habe die katholische Kirche ein Wort mitzureden. Schließlich gehe es nicht nur um technische Lösungen, sondern um das Menschenbild. Staatspräsidentin Dilma Rousseff hatte die katholische Kirche am Montag in ihrer Begrüßungsrede an den Papst am Montag ausdrücklich aufgefordert, an der Verwirklichung eines gerechteren und sozialeren Landes mitzuwirken.

Kollegialer und solidarischer Stil

Mit seinem Appell an die politische Führung holte Franziskus am Samstag das nach, was viele in seiner Ansprache an Rousseff vermisst hatten. "Ich bitte eintreten und diese Woche mit ihnen verbringen zu dürfen", lautete seine höfliche Bitte damals. Doch in den folgenden Tagen klopfte er an manche Türen durchaus kräftiger. Aufhorchen ließ vor allem seine Kritik an Bestrebungen, leichte Drogen zu legalisieren. Während seines Besuchs in Rios Armensiedlung Varginha machte er deutlich, dass er die Befriedung solcher Viertel durch massive Polizeipräsenz für unzureichend hält. Dauerhaft erfolgreich könnten solche Maßnahmen nur dann sein, wenn die Gesellschaft die Armen nicht weiterhin an den Rand schiebe. Unverkennbar auf die brasilianischen Verhältnisse gemünzt waren auch seine wiederholten Aufforderungen an die Jugendlichen, sich durch Korruption und Selbstbereicherung in ihrem Umfeld nicht von einem Engagement für das Gemeinwohl abhalten zu lassen.

Nicht nur den Politikern, auch den Bischöfen redete der Papst an diesem Tag ins Gewissen. So ermahnte er die mit 275 Bistümern und bistumsähnlichen Verwaltungsstrukturen größte Bischofskonferenz der Welt zu einem kollegialeren und solidarischeren Stil. Es dürfe nicht nur einen "nationalen Leader" geben, sagte er laut Redeskript beim Mittagessen mit den Bischöfen. Notwendig sei stattdessen ein "Netzwerk regionaler Zeugnisse, die die gleiche Sprache sprechen".

Dies bedeute nicht Einstimmigkeit, sondern solle "die wahre Einheit in der Vielfalt gewährleisten". Eindringlich rief Franziskus die Bischöfe auch zu einem verstärkten Eintreten für den Umweltschutz im Amazonasgebiet auf. Zudem forderte er eine "grundlegende Reform" der Priesterausbildung: Bischöfe dürften diese Aufgabe nicht delegieren, sondern müssten sich persönlich darum kümmern.

Zuvor schon hatte der Papst in einer Messe mit den Bischöfen, die ihre nationalen Teilnehmergruppen zum Weltjugendtag begleiteten, in der Kathedrale von Rio nochmals sein Herzensanliegen formuliert: eine Kirche für die Armen. Er sagte abweichend vom Manuskript: "Die Armen und die Außenstehenden sind die wahren VIPs, die wir in die Pfarreien einladen müssen."

 


Quelle:
KNA