Papst Franziskus feiert mit Armeniern Gottesdienst

Verbindungsbrücken benötigt

Mit einem Besuch des Klosters Khor Virap geht am Sonntag die Armenienreise von Papst Franziskus zu Ende. Am Samstag appellierte er bei einem ökumenischen Friedensgebet zur Versöhnung zwischen Armeniern und Türken.

Gottesdienst in der nordarmenischen Stadt Gjumri  / © L'osservatore Romano (dpa)
Gottesdienst in der nordarmenischen Stadt Gjumri / © L'osservatore Romano ( dpa )

In dem armenischen Nationalheiligtum Khor Virap will das katholische Kirchenoberhaupt ein Gebet sprechen. Neben Begegnungen mit Kirchenvertretern steht außerdem ein Gottesdienst in Etschmiadzin auf dem Programm. Dabei ist auch ein Grußwort des Papstes vorgesehen. Am Abend wird Franziskus in Rom zurückerwartet.

Am Samstag warnte er Armeniens Katholiken vor einer nostalgischen Verklärung ihrer Vergangenheit und ihrer Religion. "Gott segne eure Zukunft und gewähre, dass der Weg der Versöhnung zwischen dem armenischen und dem türkischen Volk wiederaufgenommen werde", sagte er anlässlich eines Friedensgebets auf dem Platz der Republik in Eriwan. Zugleich mahnte er eine friedliche Beilegung des Konflikts zwischen Armenien und dem Nachbarland Aserbaidschan um die Region Bergkarabach an.

Die Armenier müssten sich engagieren, "um die Fundamente für eine Zukunft zu legen, die sich nicht von der trügerischen Kraft der Rache vereinnahmen" lasse, sagte Franziskus mit Blick auf die Massaker an den Armeniern, die das Osmanische Reich im Ersten Weltkrieg beging. Sie belasten das Verhältnis zwischen der Türkei, der Rechtsnachfolgerin des Osmanischen Reichs, und Armenien. Armenien erkennt die Grenze mit der Türkei bis heute nicht an. Zusätzlich angespannt ist die Lage in der Region durch den Konflikt um Bergkarabach, in dem die Türkei Aserbaidschan unterstützt. Seit 1993 hält die Türkei die Grenze zu Armenien geschlossen.

"Friedensstifter" sein

Franziskus rief die Armenier auf, "Friedensstifter" und "aktive Förderer einer Kultur der Begegnung und Versöhnung" zu sein. Sie dürften nicht "Notare des Status quo" bleiben. Auch die Erfahrung der "ungeheuren und wahnsinnigen Vernichtung" während der Massaker vor
100 Jahren könne im Licht des christlichen Glaubens ein "Same des Friedens" werden. Wenn das Gedächtnis der Armenier von Liebe geprägt sei, könnten sie "neue und überraschende Wege" einschlagen, um die "Machenschaften des Hasses" in "Pläne der Versöhnung" zu verwandeln, so der Papst.

Am Morgen besuchte er das Völkermord-Denkmal von Zizernakaberd in Eriwan, das an den Tod von schätzungsweise bis zu 1,5 Millionen Armeniern vor 100 Jahren erinnert. Dort legte er vor der ewigen Flamme eine weiße Rose nieder und sprach ein Gebet. Anschließend traf er mit Nachkommen von Opfern zusammen, die von Papst Benedikt XV. (1914-1922) gerettet und in dessen Sommerresidenz in Castel Gandolfo beherbergt wurden. Begleitet wurde Franziskus vom Oberhaupt der armenisch-apostolischen Kirche Katholikos Karekin II. und Staatspräsident Sersch Sargsjan.

Gottesdienst in Nordarmenien

In der zweitgrößten Stadt Armeniens Gjumri feierte Papst Franziskus einen Gottesdienst mit einigen zehntausend Gottesdienstbesuchern. Papst Franziskus rief sie dazu auf, "Verbindungsbrücken zu bauen und trennende Barrieren zu überwinden". Der Glaube habe die Armenier "auch unter schrecklichen Widerwärtigkeiten" nicht verlassen, sagte das katholische Kirchenoberhaupt am Samstag bei einer Messe in der im Nordwesten des Landes gelegenen Stadt Gyumri unter Hinweis auf den Völkermord von 1915.

Armeniens Katholiken seien mitunter in Gefahr, den Glauben wie ein "schönes Buch mit Miniaturen" zu behandeln, das in einem Museum aufbewahrt werden müsse, mahnte der Papst. Wörtlich fuhr Franziskus fort: "Wenn aber der Glaube in die Archive der Geschichte eingeschlossen wird, verliert er seine verwandelnde Kraft, seine lebendige Schönheit und seine positive Offenheit allen gegenüber". Der Glaube biete vielmehr auch Hoffnung für die Zukunft des armenischen Volkes.

Aufruf zu sozialem Engagement

Franziskus rief zu einem stärkeren sozialen Engagement auf. "Es braucht Menschen guten Willens, die den Brüdern und Schwestern, die sich in Schwierigkeiten befinden, in der Tat und nicht bloß mit Worten helfen." Er forderte "gerechtere Gesellschaften, in denen jeder ein würdiges Leben führen und in erster Linie eine gerecht bezahlte Arbeit haben kann".

In seiner Predigt würdigte Franziskus den armenischen Mönch Gregor von Narek (951-1003) als Vorbild an Barmherzigkeit. Er hatte den Mystiker im vergangenen Jahr zum Kirchenlehrer erhoben. Der armenisch-katholischen Kirche gehören nach vatikanischen Angaben 280.000 Gläubige der rund drei Millionen Armenier an. Sie ist eine mit Rom verbundene Kirche, die den Papst anerkennt.

An der Messe für die katholische Minderheit des Landes nahm auch Katholikos Karekin II., teil, das Oberhaupt der armenisch- apostolischen Kirche, der die Mehrheit der Bevölkerung angehört.

Neue Spannungen mit Ankara erwartet

Franziskus hatte vergangenes Jahr den "ersten Völkermord des 20. Jahrhunderts" verurteilt. Daraufhin hatte die Türkei den Botschafter des Vatikans ins Außenministerium einbestellt. Im April 2015 hatte der Papst in einer Gedenkmesse für die Armenier erstmals den Begriff "Völkermord" verwendet und damit heftige türkische Proteste ausgelöst. Damals drohte Staatspräsident Erdogan mit den Worten "Der geehrte Papst wird diese Art von Fehler höchstwahrscheinlich nicht wieder begehen". Er wolle ihn dafür "rügen und warnen". Der Papst spreche immer in der Perspektive von Frieden und Dialog, betonte Vatikan-Sprecher Federico Lombardi in Eriwan über mögliche neue Spannungen mit Ankara.

Der Besuch von Franziskus ist erst der zweite eines Papstes überhaupt in Armenien, das als ältestes christliches Land der Welt gilt.

Bereits am Freitag hatte der Papst die Verfolgung der Armenier vor 100 Jahren als "Völkermord" bezeichnet. Abweichend vom Manuskript und ungeachtet der heftigen türkischen Proteste nach der Armenien-Resolution des Bundestages sagte er wörtlich: "Diese Tragödie, dieser Völkermord, eröffnete leider die traurige Liste der entsetzlichen Katastrophen des vergangenen Jahrhunderts, die von anormalen rassistischen, ideologischen oder religiösen Motivationen ermöglicht wurden, welche den Geist der Menschenkinder so weit verdunkelten, dass sie sich das Ziel setzten, ganze Völker auszurotten."

"Erster Völkermord des 20. Jahrhunderts"

Zwischen 1915 und 1918 wurden im damaligen Osmanischen Reich zwischen 300.000 und 1,5 Millionen christliche Armenier, Pontos-Griechen, Assyrer und Aramäer ermordet. Während Historiker vom "ersten Völkermord des 20. Jahrhunderts" sprechen und der Regierung des damaligen Osmanischen Reichs die Hauptverantwortung zuweisen, räumt die Türkei bislang lediglich ein, dass es Massenvertreibungen und gewalttätige Auseinandersetzungen gegeben habe. In deren Folge seien hunderttausende Menschen gestorben.

Schon zum Auftakt seines Besuchs am Freitag war der Papst von seinem Manuskript abgewichen und hatte die Taten als "Völkermord" bezeichnet. Mit dieser Wortwahl hatte er bereits 2015 heftige Proteste aus der Türkei hervorgerufen.

Der Besuch ist außerdem diplomatisch heikel, weil der Papst im September auch das mit Armenien verfeindete Aserbaidschan besuchen will. Am Freitag hatte er bereits mehrfach zu Frieden und Versöhnung in der konfliktreichen Kaukasus-Region aufgerufen.

Zuspruch von Auschwitz-Überlebenden

Die Überlebenden des deutschen Vernichtungslagers Auschwitz sehen im Armenienbesuch des Papstes Franziskus eine wichtige Geste zur Erinnerung an den historischen Völkermord. "Dieser Papst wirkt ganz stark gegen das Vergessen. Er richtet seine Blicke nicht nur auf das Elend der Flüchtlinge unserer Tage, sondern lenkt die Aufmerksamkeit der Welt auch hin zu jenen, die - wie wir und die Armenier - unter Völkermord und Hass leiden mussten", sagte Roman Kent, der Präsident des Internationalen Auschwitz-Komitees.


Armenisches Völkermorddenkmal / © Wolfgang Radtke (KNA)
Armenisches Völkermorddenkmal / © Wolfgang Radtke ( KNA )
Quelle:
KNA , dpa , epd