Papst erinnert an Ordens-Reduktionen in Paraguay

Jesuiten als Vorbild

Der Jesuit Papst Franziskus redet den Reichen Paraguays ins Gewissen. Als Sozialmodell empfiehlt er die harmonische Lebensform der "Jesuiten-Reduktionen": eines der dramatischsten Kapitel der Ordensgeschichte.

Autor/in:
Franz Morawitz
Papst Franziskus am 11.7.15 in einer Menschenmenge in Asuncion (Paraguay) (dpa)
Papst Franziskus am 11.7.15 in einer Menschenmenge in Asuncion (Paraguay) / ( dpa )

Papst Franziskus hat sich in Paraguay erneut für ein neues Weltwirtschaftsmodell stark gemacht. Es brauche einen Dialog zwischen der reichen Oberschicht und der benachteiligten indigenen Bevölkerung, sagte er am Samstag (Ortszeit) in Asuncion. Als historisches Beispiel verwies er auf das Experiment der "Jesuiten-Reduktionen" des 17. und 18. Jahrhunderts, in denen eine Mischung aus privatem und gemeinschaftlichem Wirtschaften praktiziert wurde.

Missionare des Ordens, dem auch Franziskus angehört, lebten dort bis zu ihrer Vertreibung durch die Spanier 1767 gemeinsam mit der Urbevölkerung des Landes. Der Papst betonte, in den Reduktionen habe es weder Hunger noch Arbeitslosigkeit oder Unterdrückung gegeben. Es handele sich um "eine der interessantesten Erfahrungen von Evangelisierung und Gesellschaftsstruktur in der Geschichte".

Blüte der Reduktionen

Die ersten Vertreter der Jesuiten kamen bereits 1549 nach Südamerika - nur neun Jahre nach Gründung des Ordens. Die Anlagen ihrer ersten «Reduktionen» folgten einem festen Muster. Eine Kirche mit Pfarrhaus, Verwaltungsgebäude und Hauptplatz bildeten das Zentrum. An den drei freien Seiten des Hauptplatzes erstreckten sich die langen Wohnhäuser der Indios.

Die Reduktionen genossen anfangs den besonderen Schutz der spanischen Krone. Ihre Schutzfunktion lag hauptsächlich in der strikten Trennung von Eingeborenen und Europäern. So sollte vermieden werden, dass sich die Indios ein wirkliches Bild von den wenig vorbildlichen christlichen Kolonialisten machen konnten. Dank großer Missionarspersönlichkeiten erlebten die Reduktionen am Rio Paraguay und am Rio Parana eine geistliche und kulturelle Blüte.

Nach der Abtretung großer jesuitischer Gebiete an Portugal im Vertrag von Madrid (1750) begann der Kampf gegen den Orden. Ministerpräsident Sebastiao Jose de Carvalho e Mello, der Marquis de Pombal, ließ eine Kampfschrift verfassen, in der den Jesuiten unterstellt wurde, in ihren Missionsstationen Kanonen gegen Portugal installiert zu haben. Viele Jesuiten wurden nach Portugal ausgewiesen.

Rebellion gegen die Räumung

Weil die Verantwortlichen in den Reduktionen keine Anstalten machten, ihre Posten zu räumen, gab es 1752 eine Krisensitzung in Buenos Aires. Anwesend waren die Kommissare des spanischen Königs, Portugals und der Jesuiten. Der von Zeitzeugen als eiskalt beschriebene Lope Luis Altamirano zählt zu den umstrittensten Persönlichkeiten in der Geschichte des Jesuitenordens. Er drohte allen Missionaren, die dem Räumungsbefehl nicht Folge leisten, mit Haft oder gar mit Exkommunikation.

Die Übermittlung des Befehls in die einzelnen Missionen zog sich freilich über Monate hin. Als Altamirano schließlich im September 1752 in der zur Räumung anstehenden Reduktion Santo Tome eintraf, brach dort eine offene Rebellion aus. Nur mit Mühe konnte er vor den aufgebrachten Indios in Sicherheit gebracht werden. Die Aufstände der Guarani breiteten sich aus; sie richteten sich vor allem gegen die portugiesischen "demarcadores", die die neuen Gebiete vermessen sollten, doch griffen Revolten auch auf spanisches Gebiet über. Eine gemeinsame spanisch-portugiesische Strafexpedition ins Guarani-Gebiet wurde gestartet. Die Missionare selbst lehnten die Räumung weiter ab.

Bestrafung für den Ungehorsam

Die Guarani erklärten förmlich, sie seien zum Krieg entschlossen. Der Angriff der spanisch-portugiesischen Streitmacht erfolgte am 15. Juli 1754 - doch er endete mit einem schnellen Sieg der Guarani, die dem Feind noch vor der Schlacht durch List 70 Pferde entreißen konnten.

Die Kolonialtruppen zogen sich zurück. Noch ein weiteres Jahr verblieben die Guarani in den Reduktionen. Doch die Spanier und Portugiesen stellten eine neue, riesige Armee zusammen. Im Februar 1756 begann der Feldzug; mehr als 6.000 Indios wurden niedergemetzelt. Im September war die Hälfte der Reduktionen-Bevölkerung tot oder geflohen.

Als Bestrafung für den Ungehorsam ließ de Pombal 1759 die Güter der Jesuiten beschlagnahmen und die Ordensmitglieder aus allen portugiesischen Besitzungen vertreiben. 1767 folgte auch Spanien; 30 Reduktionen mit mehr als 100.000 Indianern waren somit schutzlos der Habgier der Abenteurer preisgegeben. Papst Clemens XIV., erschöpft von den jahrelangen Querelen, besiegelte 1773 die Aufhebung der Jesuiten. Darauf hatten die Gegner des Ordens seit langem hingearbeitet.


Quelle:
KNA