Papst entschuldigt sich 2014 erstmals bei Missbrauchsopfern

"Es gibt nicht nur die eine Wendemarke"

Im Jahr 2014 bittet Papst Franziskus öffentlich um Vergebung für den Missbrauch von Kindern durch Geistliche. Die Kirche werde künftig entschiedener in solchen Fällen vorgehen. Nur ein Lippenbekenntnis oder folgten den Worten Taten?

Papst Franziskus im Jahr 2014 / © Vatican Media/Romano Siciliani (KNA)
Papst Franziskus im Jahr 2014 / © Vatican Media/Romano Siciliani ( KNA )

DOMRADIO.DE: Es war der 11. April 2014: Papst Franziskus bittet erstmals öffentlich um Vergebung für den sexuellen Missbrauch von Kindern durch katholische Geistliche. Damals kündigt er an, die Kirche werde künftig entschiedener in solchen Fällen vorgehen. Dieser Tag im April hatte aber auch eine Vorgeschichte. In den 1990ern ging Papst Johannes Paul II. noch davon aus, dass Kindesmissbrauch durch Kleriker ein maximal amerikanisches Problem sei, aber es wird dann zunehmend klar, dass es weltweit verbreitet ist. 2013 wird Franziskus dann Papst und positioniert sich sehr bald, oder?

Roland Juchem (Korrespondent der Katholischen Nachrichten-Agentur / KNA): Ja, er hat sich bereits in seinem ersten Jahr 2013 schon mit Opfern von Missbrauch getroffen. Wobei eigentlich Benedikt XVI. bereits die ersten deutlichen Zeichen gesetzt hat. Er war der erste Papst, der sich persönlich mit Betroffenen von Missbrauch getroffen hat und auch sowohl als Präfekt wie auch als Papst schon entscheidende kirchenrechtliche Schritte eingeleitet hat.

Die Daten, an die wir uns erinnern, sind immer einzelne, kleine Schritte auf dem Weg. Es gibt nicht nur die eine Wendemarke, sondern diese Entwicklung besteht aus vielen verschiedenen Schritten. Im Jahr 2014 war das ein Punkt von Franziskus. Aber in seinem Pontifikat gibt es natürlich mehrere.

DOMRADIO.DE: Der Papst setzte dann 2014 auch die Päpstliche Kommission für den Schutz von Minderjährigen ein. Die wird noch im selben Jahr gegen Bischof Robert Finn tätig. Was war da?

Päpstliche Kinderschutzkommission

Die Päpstliche Kommission für den Schutz von Minderjährigen, umgangssprachlich auch Päpstliche oder Vatikanische Kinderschutzkommission genannt, wurde im Jahr 2014 von Papst Franziskus zum Schutz von Kindern und Jugendlichen vor sexuellem Missbrauch und körperlicher Misshandlung eingerichtet und ist seit dem Jahr 2015 tätig.

Symbolbild Missbrauch / © 271 EAK MOTO (shutterstock)

Juchem: Die Idee zur Gründung der Kinderschutzkommission war Ende 2013 entstanden. Angeregt wurde dies aus dem Kardinalsrat, der Franziskus bei der Kurienreform beraten soll. Wesentliche Impulse kamen von Kardinal Seán Patrick O'Malley aus Boston, der dort eine eigene lange Vorgeschichte hatte, aber auch von Kardinal Marx aus München-Freising, wo kurz zuvor das Kinderschutzzentrum gegründet worden war. Das hatte damals erst seine Räume in München und ging später nach Rom.

Die Statuten für die Kinderschutzkommission gab es dann Anfang 2014. Die Kommission selber kann keinen Bischof entlassen. Sie hat also sicher darauf gedrängt, dass Franziskus entscheidende Schritte vornimmt. Aber die Entlassung eines Bischofs ist Sache des Papstes beziehungsweise dann der Disziplinarkommission bei der Glaubenskongregation. Die befasste sich ja schon deutlich länger mit Fällen, in denen Kleriker des Missbrauchs beschuldigt worden waren.

DOMRADIO.DE: Die vatikanische Kinderschutzkommission wurde aber auch gegen ihren Gründer aktiv. Sie kritisiert auch Papst Franziskus selbst. Was war da passiert?

Juchem: Sie hat ihm sicher unter der Hand hier und da auch mehr oder weniger dezente Hinweise gegeben. Das ist Sinn und Zweck dieser Kommission.

In einer Katechese bei der Generalaudienz ging es, glaube ich, um das Verhältnis Eltern Kinder. Und Papst Franziskus hatte irgendwie auf die durchaus weltweit verbreitete Praxis von Klapsen oder Schlägen als vermeintlicher Erziehungsmethode Bezug genommen. Dann sagte er "Nie ins Gesicht, nie ins Gesicht". Das sei auch zusätzlich entwürdigend, allenfalls ein Klaps auf den Hintern. Das hat in etlichen Ländern für Wirbel und Protest gesorgt. In manchen anderen überhaupt nicht, weil es da nach wie vor gang und gäbe ist.

Dann wurde bekannt, dass es Hinweise aus der Kinderschutzkommission gegeben hat. Mit solchen Äußerungen solle man bitte vorsichtig sein. Es sei nicht die Aufgabe des Papstes, körperlicher Züchtigung oder Schläge den halb offiziellen Segen zu geben. Das ist nicht richtig.

Viel entscheidender war, dass er selber einmal zugegeben hat, einen des Missbrauchs beschuldigten Priester vorschnell begnadigt zu haben oder dessen kirchenrechtliche Strafe abgemildert zu haben. Der Mann wurde später rückfällig, war bereits staatlich verurteilt. Es handelt sich um einen Fall in Norditalien. Da hat er dann bei einem Treffen mit der Kinderschutzkommission gesagt: "Damals habe ich einen Fehler gemacht. Das wird nie wieder passieren, dass ich jemanden vorschnell begnadige. Das war ganz klar ein Fehler von mir".

Und Leute, die ihn begleiten, sagen, dass Franziskus wie die allermeisten Bischöfe weltweit eine ziemlich steile Lernkurve hat, was das angeht. Er musste in kurzer Zeit sehr viel dazulernen, weil Franziskus natürlich wie die allermeisten Bischöfe weltweit in den 1980ern, 1990ern und Anfang 2000er Jahre das ganze Phänomen noch anders angegangen ist.

Das Interview führte Michelle Olion.

Quelle:
DR