Papst Benedikt XVI. trifft Missbrauchsopfer - Fürsorge und Solidarität gefordert

"Es tut mir sehr Leid"

Papst Benedikt XVI. hat sexuellen Missbrauch durch katholische Geistliche entschieden verurteilt und den Opfern sein Mitgefühl ausgesprochen. (zur Bildergalerie) "Es tut mir sehr Leid für den Schmerz und das Leiden, die die Opfer erduldet haben", sagte der Papst abweichend vom Redeskript bei einer Messe am Samstag in Sydney: "Ich versichere ihnen, dass auch ich als ihr Hirte mit ihnen leide." Die Verantwortlichen für diese Verbrechen müssten vor Gericht gebracht und den Opfern mit allen Mitteln geholfen werden, fuhr der Papst fort. Vor seinem Abflug nach Rom traf sich Papst Benedikt noch mit vier Opfern sexuellen Missbrauchs.

 (DR)

Der Papst bekundete während der Messe «Beschämung» wegen des sexuellen Missbrauchs von Minderjährigen durch Kleriker und Ordensleute. Die Vergehen stellten einen schweren Vertrauensbruch dar und hätten das Zeugnis der Kirche beschädigt. Sie verdienten unmissverständliche Verurteilung. Benedikt XVI. rief die anwesenden Priester, Ordensleute und Seminaristen auf, ihre Bischöfe zu unterstützen und mit ihnen bei der Bekämpfung des Übels zusammenzuarbeiten. Und wörtlich: «Opfer sollten Solidarität und Fürsorge erfahren, die Verantwortlichen für diese Übel müssen vor Gericht gebracht werden.»

Vatikansprecher Federico Lombardi gab das englische Papst-Zitat «I'm deeply sorry» auf Italienisch mit einer Wendung wieder, die wörtlich «Ich bin sehr traurig» bedeutet. Ob es sich dabei um eine förmliche Entschuldigung handele, wie sie Opferverbände gefordert hatten, wollte Lombardi nicht erläutern. Der Papst habe den Satz eingefügt, um seine Gefühle «persönlich zu unterstreichen».

Verbände fordern unkomplizierte Entschädigung
Die Organisation Broken Rites, die Missbrauchsopfer in Australien vertritt, erklärte, das «Sorry» des Papstes sei unzureichend, wenn den Worten keine Taten folgten. «Der Papst muss sich für die Weise entschuldigen, wie seine australischen Bischöfe sexuellen Missbrauch vertuscht haben», schrieb die Organisation in einer Stellungnahme im Internet. Benedikt XVI. müsse dafür sorgen, dass Gerichtsprozesse um Entschädigungszahlungen an Opfer nicht von Bischöfen behindert werden.

Treffen mit Opfern
Stellvertretend für die vielen Betroffenen traf sich Papst Benedikt XVI. vor seinem Abflug noch mit vier Opfern sexuellen Missbrauchs in Sydney. Vorher hatte es Gerüchte gegeben, der Papst habe eine direkte Begegnung mit Betroffenen verweigert. Viele Zeitungen hatten diesem Gerücht am Montag viel Raum gegeben und mussten schmerzhaft erfahren, dass "nichts so alt wie die Nachricht von gestern ist".

Der Papst habe bis zum Ende seines Australienbesuchs mit dem Treffen gewartet, weil er das Thema vom Weltjugendtag trennen wollte, erläutert Vatikansprecher Federico Lombardi den späten Zeitpunkt des Treffens.

Zwei Männer und zwei Frauen, hätten an der Frühmesse des Papstes im Cathedral House in Sydney teilgenommen, so Federico Lombardi. Bei dem Treffen mit Missbrauchsopfern hörte sich der Papst nach Angaben des Vatikans die Leidensgeschichten der zwei Frauen und zwei Männer an und sprach ihnen Trost zu.

Das einstündige Treffen habe in einer Atmosphäre von „Respekt, Spiritualität und intensiver Gefühle" stattgefunden. Mit seiner „väterlichen Geste" habe der Papst erneut seine tiefe Anteilnahme für alle Opfer sexuellen Missbrauchs zeigen wollen.

Die Erzdiözese von Sydney erklärte, die Teilnehmer an dem Treffen am Morgen seien von der für die Aufarbeitung von Missbrauchsfällen zuständigen Kirchenkommission ausgewählt worden. Das Treffen des Heiligen Vaters mit Missbrauchsopfern zeige das Bemühen der Kirche „denjenigen Heilung und Gerechtigkeit zu bringen, die durch sexuellen Missbrauch so schrecklich verletzt wurden."  Die Worte des Papstes fanden in Australien viel Zustimmng. Es gab aber auch Enttäuschungen auf Seiten der Opfer.

Handverlesen
Opferverbände warfen der Kirche vor, dem Papst nur «handverlesene» Betroffene präsentiert zu haben und nicht solche Opfer, die dem Umgang der Kirche mit sexuellem Missbrauch kritisch gegenüberstehen.

«Es würde nicht die ganze Aufregung und Kritik geben, wenn das ganze [kirchliche Verfahren bei Missbrauchsfällen] ordentlich funktionieren würde», sagte der Vorsitzende der Betroffenenorganisation «Broken Rites», Chris McIsaac, dem australischen Radiosender «ABC».

Enttäuschung
Einen «Schlag ins Gesicht» nannte Anthony Foster im ABC-Gespräch das Treffen mit den Opfern. Er war in der Hoffnung auf eine Begegnung mit dem Papst eigens aus London nach Sydney gekommen. Beide Töchter Fosters waren als kleine Mädchen von einem katholischen Priester in Melbourne vergewaltigt worden. Eine nahm sich später das Leben; die andere wurde alkoholabhängig und ist heute nach einem Umfall schwerbehindert. Foster wörtlich: «Sie haben nicht mal die Freundlichkeit besessen, mit uns zu sprechen. Wir wollten die Diskussion, um so die Kirche weiterzubringen. Stattdessen haben sie uns mit äußerster Unfreundlichkeit behandelt.»

Andere Betroffene sehen die Worte und Gesten des Papstes in einem milderen Licht. Eric Fleissig, der zwischen 1982 und 1985 regelmäßig von einem katholischen Priester sexuell missbraucht worden war, sagte ABC: «Grundsätzlich hat sich die Kirche entschuldigt und die Fehler der Vergangenheit thematisiert - aber es muss sehr viel mehr getan werden.»