Papst Benedikt XVI. spricht vor Welternährungsgipfel und betont Recht auf Nahrung - MISEREOR kritisiert Erklärung scharf

Das grausamste Zeichen von Armut

Papst Benedikt XVI. hat auf dem Welternährungsgipfel in Rom das Recht auf Nahrung bekräftigt. Der Kampf gegen Hunger und Unterernährung müsse "so schnell wie möglich" gewonnen werden, sagte das katholische Kirchenoberhaupt vor den rund 60 versammelten Staats- und Regierungschefs am Hauptsitz der Welternährungsorganisation FAO. Nach Ansicht des katholischen Hilfswerks MISEREOR ist die ebenfalls am Montag veröffentlichte Erklärung zum Gipfel in Rom eine herbe Enttäuschung.

Autor/in:
Thomas Jansen
 (DR)

"Was da auf acht Seiten erklärt wird, ist im Wesentlichen eine widersprüchliche Zusammenstellung bereits getroffener Vereinbarungen und Versprechen", so MISEREOR-Ernährungsexpertin Alicia Kolmans.

"Auf die Halbierung der Zahl der Hungernden bis 2015 hatten sich die Regierungen dieser Welt  bereits 1996 geeinigt. Seitdem hat sich aber diese Zahl um ca. 160 Millionen auf rund eine  Milliarde erhöht. Dass die Regierungen heute dieses Ziel lediglich bekräftigen, zeigt, wie wenig Vertrauen sie in ihre eigenen Versprechen haben und dass ihnen überprüfbare Zielmarken unbequem sind ", erklärt Kolmans.

Papst: Tragödie des Hungers
Ausreichende und gesunde Ernährung sowie Zugang zu Trinkwasser seien eine Voraussetzung für das vorrangige Recht auf Leben. Angesichts der immer größeren "Tragödie des Hungers" seien Überfluss und Verschwendung von Nahrung nicht mehr hinnehmbar, so Papst Benedikt XVI. zuvor.

"Hunger ist das grausamste und konkreteste Zeichen von Armut", sagte der Papst. Gesetze, Entwicklungspläne und Investitionen reichten nicht aus. "Was wir brauchen, ist ein Wandel im Lebensstil der Einzelnen und der Gemeinschaften, in Konsumgewohnheiten und in der Auffassung dessen, was wirklich nötig ist."

Bevölkerungswachstum nicht Ursache
Benedikt XVI. widersprach Behauptungen, das Bevölkerungswachstum sei die Ursache für den Hunger. Dies werde durch die "beklagenswerte Zerstörung von Nahrungsmitteln um wirtschaftlichen Gewinnes willen" widerlegt. Nötig sei ein internationales Netzwerk von Wirtschaftsinstitutionen, die einen geregelten Zugang zu ausreichender Ernährung und Wasser sicherstellten.

Zugleich verurteilte der Papst eine Spekulation, die Nahrungsmittel "wie jeden anderen Rohstoff" handle. Arme Länder seien durch die Veränderungen an den Märkten infolge der Wirtschafts- und Finanzkrise noch verwundbarer geworden.

Wachsende Kluft zwischen Armut und Reichtum
Benedikt XVI. beklagte eine wachsende Kluft zwischen Armut und Reichtum in vielen Teilen der Welt. Dabei warnte er vor einer Tendenz, Hunger als "integralen Bestandteil" der Situation in den schwächsten Ländern zu betrachten. Es könne nicht angehen, diesem Problem nur mit "resigniertem Bedauern, wenn nicht regelrechter Gleichgültigkeit" zu begegnen.

Der Papst mahnte die Regierenden zugleich zum Handeln gegen Umweltzerstörung und Klimawandel. Eine exzessive und ungeordnete Ausbeutung natürlicher Ressourcen sei die erste Ursache dafür. Staaten und internationale Organisationen hätten die Pflicht, die Umwelt als gemeinsames Gut zu schützen und für künftige Generationen zu bewahren.

Benedikt XVI. schloss seine auf Französisch gehaltene Ansprache mit einem Segensspruch für die Gipfelteilnehmer: "Gott segne Ihre Bemühungen darum, dass jeder Mensch sein tägliches Brot erhält." Er wiederholte den Satz auf Englisch, Spanisch, Arabisch, Chinesisch und Russisch.

Appell für verstärkte Bemühungen
Mit einem Appell für verstärkte Bemühungen im Kampf gegen den Hunger war der Welternährungsgipfel zurvor eröffnet worden. UN-Generalsekretär Ban Ki Moon bezeichnete den Anstieg der Hungernden weltweit auf über eine Milliarde Menschen als inakzeptabel. Er sei der Aufforderung des Generaldirektors der Welternährungsorganisation, Jacques Diouf, zu einem eintägigen Hungerstreik vor dem Gipfel gefolgt und habe am Samstag gefastet. Was für ihn persönlich schwierig gewesen sei, erlebten viele Menschen weltweit jedoch täglich, beklagte Ban. Eine ausreichende Versorgung mit Nahrung sei die Grundlage für ein würdigen Lebens, vor Bildung und Gesundheit.

Mangelnde Ernährungssicherheit habe während der jüngsten Lebensmittelkrise im vergangenen Jahr Ausschreitungen in rund 20 Ländern ausgelöst, sagte der UN-Generalsekretär. Das Welternährungsprogramm (WFP) habe derweil die Versorgung von 100 Millionen Hungernden gesichert. "Wenn wir nicht sofort handeln, werden wir solche Krisen immer wieder erleben", warnte Ban. "Die Lebensmittelkrise von heute ist ein Weckruf für Morgen."

Erhöhung der Prodkution um 70% nötig
Die internationale Gemeinschaft müsse bis 2020 die Lebensmittelproduktion um siebzig Prozent erhöhen, um die steigende Weltbevölkerung unter gewandelten Klimabedingungen zu versorgen. Ban forderte die internationale Gemeinschaft vor diesem Hintergrund eindringlich zu einer Einigung über ein Abkommen bei der Klimakonferenz im Dezember in Kopenhagen auf.

Angesichts der gestiegenen Zahl der Hungernden müssen nach den Worten des UN-Generalsekretärs verstärkt Sicherheitsnetze für diejenigen entwickelt werden, die sich nicht selbst ernähren können. In diesem Zusammenhang wies er auf die herausragende Bedeutung von Landwirtschaftsentwicklung und der Rolle von Kleinbauern hin, die rund siebzig Prozent der Unterernährten stellen. "Kleinbauern sind das Herz und die Seele der Armutsbekämpfung." Um das Recht auf Nahrung umzusetzen, müssten sie Zugang zu Wasser, Land und Märkten erhalten, deren Regeln nicht von Importzöllen und Subventionen verzerrt seien.