#OutInChurch fordert Beteiligung bei Reform der Grundordnung

"Viel ist bisher nicht passiert"

Über einhundert queere Kirchenmitarbeiter haben sich zur Initiative #OutInChurch zusammengeschlossen und im Januar mit einem Manifest eine "Kirche ohne Angst!" gefordert. Doch was hat sich seit dem Outing getan?

Mitglieder der Initiative #outinchurch übergeben eine Petition an die deutschen Bischöfe / © Julia Steinbrecht (KNA)
Mitglieder der Initiative #outinchurch übergeben eine Petition an die deutschen Bischöfe / © Julia Steinbrecht ( KNA )

DOMRADIO.DE: Wie war die Preisverleihung des "Hamburg Pride Award" am Samstagabend?

Rainer Teuber (Sprecher der Initiative #OutInChurch): Ich merke, dass ich mit meinen 53 Jahren kein Jugendlicher mehr bin, aber es war eine ganz wunderbare Erfahrung, ein ganz wunderbarer Abend, eine sensationelle Party mit dem großen Höhepunkt der Auszeichnung unserer Initiative mit dem Hamburg Pride Award.

Rainer Teuber am 30. Oktober 2021 in Essen. / © Harald Oppitz (KNA)
Rainer Teuber am 30. Oktober 2021 in Essen. / © Harald Oppitz ( KNA )

Diese Auszeichnung macht uns einfach so unglaublich stolz. Vor allen Dingen, weil man dem Hamburger Pride Verein nicht nachsagen kann, dass er der katholischen Kirche besonders nahesteht. Trotzdem wird eben eine katholische Initiative mit diesem Ehrenpreis ausgezeichnet.

Das zeigt, dass die Debatte die #OutInChurch innerhalb der katholischen Kirche aufgemacht hat, über den katholischen Tellerrand in die Gesellschaft hinausstrahlt. Letztendlich sind die Themen der Akzeptanz von queeren Lebensformen und von geschlechtlichen Identitäten eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe.

DOMRADIO.DE: Waren Sie denn überrascht über diese Auszeichnung?

Teuber: Auf jeden Fall. Damit hätten wir nicht gerechnet, dass gerade aus der queeren Community, die in Teilen der katholischen Kirche zu Recht sehr kritisch gegenübersteht, eine solche Wertschätzung kommt.

Wir als Initiative #OutInChurch hören oft die Vorwürfe, dass wir ja nicht für die katholische Kirche arbeiten müssten; dass wir als queere Menschen wissen sollten, wie das System Kirche ist; dass wir alle den Arbeitsvertrag unterschrieben haben; dass wir wussten, worauf wir uns eingelassen haben, wenn wir unsere queere Lebensweise öffentlich machen.

#OutInChurch

Es ist eine große konzertierte Aktion: Auf einer Internetseite und im Rahmen einer Fernsehdokumentation haben sich 125 Menschen in der katholischen Kirche geoutet. Sie alle sind haupt- oder ehrenamtlich in der Kirche tätig und zugleich Teil der queeren Community, wie die Initiative "#OutInChurch - für eine Kirche ohne Angst" mitteilte. Die Initiative fordert unter anderem, das kirchliche Arbeitsrecht so zu ändern, "dass ein Leben entsprechend der eigenen sexuellen Orientierung und der geschlechtlichen Identität" nicht zur Kündigung führe. (KNA, 24.1.2022)

 © Julia Steinbrecht (KNA)
© Julia Steinbrecht ( KNA )

Aber das ist eine Verdrehung der Tatsachen. Nicht der Diskriminierte oder die Diskriminierte muss sich anpassen, sondern das System muss sich diskriminierungsfrei gestalten. Das wurde auch in der queeren Community gesehen, wertgeschätzt und unterstützt. Die Preisverleihung entfaltet ein neues mediales Echo und hält so die Debatte lebendig. Es zeigt uns: Da ist noch viel zu tun.

DOMRADIO.DE: Die Laudatio hat jemand ganz besonders für die Initiative #OutInChurch gehalten. Wer war das und wie kam diese Laudatio an?

Teuber: Wir waren selbst total überrascht: Katharina Kühn, die Mitproduzentin der ARD-Doku "Wie Gott uns schuf" und so die Initiative mit auf den Weg gebracht hat, hat die Laudatio gehalten. Wir wussten davon überhaupt nichts und haben uns über das Wiedersehen mit Katharina Kühn gefreut.

In ihrer Laudatio hat sie auf eine ganz wunderbare Weise noch mal ins Wort gebracht, wie sie die Arbeit mit #OutInChurch erlebt hat; und wie wichtig die angestoßene Debatte ist. Sie hat auf eine wirklich reizende und zu Herzen gehende Weise die Initiative gewürdigt. Das war ein Moment, der wirklich sehr anrührend gewesen ist.

DOMRADIO.DE: Wo steht #OutInChurch heute, ein halbes Jahr nach der Aktion mit den Forderungen?

Teuber: Wir stehen noch ganz am Anfang. Viel ist innerhalb der katholischen Kirche bisher nicht passiert. Angeschoben wurde die Reform der Grundordnung. Das war eine unserer Kernforderungen, damit queere Personen angstfrei in der Kirche sichtbar werden können, arbeiten können und Zugang zu allen Ämtern in der Kirche bekommen.

Diese diskriminierenden Äußerungen der bisherigen Grundordnung stehen auf dem Prüfstand. Aber es gibt noch keine Rechtssicherheit, auch wenn die Diözesen schriftlich zugesichert haben, dass sie die Grundordnung derzeit nicht mehr anwenden.

Rainer Teuber, Sprecher der Initiative #OutInChurch

"#OutInChurch ist mit sieben Kernforderungen an die Öffentlichkeit gegangen und sechs weitere liegen bisher völlig unbearbeitet auf dem Tisch."

Wir vermissen bei dem Entwurf der Kommission zur Überarbeitung der Grundordnung ausdrücklich die Berücksichtigung der Geschlechtsidentität. Denn hier entstehen neue Unsicherheiten, die unbedingt eine Nachbesserung erfordern, damit eben auch der kirchliche Arbeitsplatz für trans- und intergeschlechtliche Menschen, für non-binäre Mitarbeiter zu einem Arbeitsplatz ohne Angst wird.

Die neue kirchliche Grundordnung in der Diskussion

Für fast 700.000 Mitarbeitende und mehrere tausend katholische Träger in Deutschland wurde in den letzten Monaten an einer neuen "Grundordnung für den kirchlichen Dienst" gearbeitet. Die für diese Weiterentwicklung eingesetzte "Bischöfliche Arbeitsgruppe Arbeitsrecht" unter Vorsitz von Kardinal Rainer Maria Woelki hat jetzt einen Entwurf zur Neufassung der "Grundordnung des kirchlichen Dienstes" sowie der "Bischöflichen Erläuterungen zum kirchlichen Dienst" vorgelegt.

DOMRADIO.DE: Also ausreichend Gehör haben Sie mit Ihren Forderungen noch nicht gefunden?

Teuber: Gesamtgesellschaftlich glaube ich schon, aber innerhalb der Bischofskonferenz gibt es noch Nachholbedarf. Auch auf den Entwurf der Grundordnung muss noch einmal kritisch geguckt werden. Da tauchen schwammige Begriffe auf, die neue Rechtsunsicherheiten schaffen. Da ist die Rede davon, dass sich Mitarbeitende nach den christlichen Werten zu richten haben; dass ein christliches Menschenbild in der Lebensführung auftauchen soll; und dass kirchenfeindliches Verhalten eben nicht geduldet wird.

Wir als Initiative #OutInChurch vermissen schmerzlich ein Gespräch mit uns. Die Expertise bei diesem Themenkomplex queeres Leben ist innerhalb unserer Initiative einfach so immens groß. Wir waren mit einigen Vertreter*innen bei der Deutschen Bischofskonferenz in Vierzehnheiligen. Dort hatten wir mit Bischof Bätzing, Bischof Kohlgraf und dem Essener Weihbischof Ludger Schepers einen Termin und haben von uns aus angeboten, mit uns über die Grundordnung zu sprechen. Doch es gab bis heute leider kein Gesprächsangebot. Das ist schade.

DOMRADIO.DE: Wie geht es denn jetzt weiter mit der Initiative?

Teuber: Im Moment fokussiert sich noch alles auf die Debatte um das kirchliche Arbeitsrecht. #OutInChurch ist aber mit sieben Kernforderungen an die Öffentlichkeit gegangen und sechs weitere liegen bisher völlig unbearbeitet auf dem Tisch.

Mit dem neuen Entwurf für die kirchliche Grundordnung wird das Eingehen einer gleichgeschlechtlichen Zivilehe wohl kein Kündigungsgrund mehr sein. Aber das wird erst rechtssicher, wenn die Grundordnung verabschiedet ist. Doch die Nagelprobe steht noch aus, wie weit die Deutsche Bischofskonferenz da gehen möchte. Denn wenn die katholische Kirche in Deutschland ein Arbeitsrecht verabschiedet, dass transidente Non-binäre Personen anerkennt, verstoßen sie im Grunde genommen gegen die römische Lehrmeinung.

Wir als Initiative #OutInChurch sind sehr gespannt, wie sich das neue Statement des Heiligen Stuhls, was sämtliche Reformbewegungen torpediert, auf unsere Initiative auswirkt. Mittlerweile weiß man, dass es vom vatikanischen Staatssekretariat kommt.

DOMRADIO.DE: Können Sie uns einen Einblick geben auf die Reaktionen auf ihr Outing?

Teuber: Bis heute ist niemandem aus der Initiative gekündigt worden. Das war die Idee hinter #OutInChurch, dass eine große Gruppe den bzw. die Einzelne schützt. Dieses Konzept ist sicherlich aufgegangen.

Die Generalvikare und Bischöfe haben auch sehr schnell auf #OutInChurch reagiert, indem sie einen Tag nach Kampagnenstart von #OutInChurch ihre Liebe zu ihren queeren Mitarbeitern entdeckt haben; sich bei der Initiative bedankt haben, dass wir auf das System aufmerksam gemacht haben, dass sie letztendlich selbst installiert haben. Da findet eine Verdrehung der Tatsachen statt. Warum entdecken die Kirchenverantwortlichen ihre Wertschätzung für queere Mitarbeiter am 25. Januar nach Kampagnenstart und nicht schon vorher?

Rainer Teuber, Sprecher der Initiative #OutInChurch

"So etwas erleben viele aus der Initiative: eine Mauer des Schweigens. Ich glaube, es gibt immer noch einige, die davon ausgehen, dass #OutInChurch wieder weggeht, aber das tut es nicht."

Es ist wie so oft in der katholischen Kirche: Das System reagiert nur auf Druck. Dieser öffentliche Druck, der sich durch #OutInChurch und durch die begleitende ARD-Doku entfaltet hat, hat den Verantwortlichen gar keine andere Wahl gelassen, als so darauf zu reagieren.

Ich persönlich habe sehr viele positive Rückmeldungen bekommen. Allerdings habe ich in meinem Kolleg*innenkreis Mitarbeitende, die mich bis heute nicht mit einer Silbe auf die Initiative oder die Doku angesprochen haben. So etwas erleben viele aus der Initiative: eine Mauer des Schweigens. Ich glaube, es gibt immer noch einige, die davon ausgehen, dass #OutInChurch wieder weggeht, aber das tut es nicht.

Das Interview führte Moritz Dege.

Quelle:
DR