Neues Dokumentationszentrum in Berlin eröffnet

"Ort eines lebendigen Gedächtnisses"

Um das neue Dokumentationszentrum "Flucht Vertreibung Versöhnung" in Berlin hat es jahrelang Debatten gegeben. Dabei ging es immer auch um die inhaltliche Ausrichtung der Dauerausstellung.

Autor/in:
Lukas Philippi
Neues Dokumentationszentrum in Berlin eröffnet / © Bernd von Jutrczenka (dpa)
Neues Dokumentationszentrum in Berlin eröffnet / © Bernd von Jutrczenka ( dpa )

Schließlich steht die Vertreibung von Millionen Deutschen aus Osteuropa im Zuge des Zweiten Weltkrieges im Mittelpunkt. Symbolisch aufgeladen ist auch der Standort am Berliner Anhalter Bahnhof zwischen der Topographie des Terrors, die an den Verfolgungsapparat der Nazis erinnert, und dem geplanten Exil-Museum, das künftig über das Schicksal der aus Nazi-Deutschland Vertriebenen informieren soll.

epd: Frau Grütters, was erhoffen Sie sich von dem neuen Zentrum?

Monika Grütters (Kulturstaatsministerin): Ziel des Dokumentationszentrums ist es, im Geist der Versöhnung an Flucht und Vertreibung im 20. Jahrhundert und danach zu erinnern. Das Schicksal der Deutschen als Folge des Zweiten Weltkriegs spielt dabei eine zentrale, aber keineswegs die einzige Rolle. Flucht und Vertreibung der Deutschen werden immer im Kontext des von Deutschland entfesselten Zweiten Weltkrieges und der Expansions- und Vernichtungspolitik der Nazis dargestellt. Als «Ort eines lebendigen Gedächtnisses» wendet sich das Dokumentationszentrum natürlich an die mittlerweile hoch betagte Erlebnisgeneration, vor allem aber an junge Menschen, insbesondere an Schulklassen. Ich erhoffe mir vom Dokumentationszentrum deshalb einen wichtigen Beitrag zu Verständigung, Versöhnung und Partnerschaft in Europa.

epd: Wie zeitgemäß ist es heute noch, an die schätzungsweise 14 Millionen Deutschen aus Ost-, Ostmittel- und Südosteuropa zu erinnern, die im Zuge des Zweiten Weltkrieges vertrieben wurden?

Grütters: Migration ist ein die gesamte Menschheit begleitendes Phänomen. Flucht und Vertreibung waren so leider nicht nur ein zentrales Thema des 20. Jahrhunderts, sondern sind auch Teil unserer Gegenwart. Wir sind es den Opfern schuldig, an ihr Schicksal und auch an die Ursachen dieser Katastrophen immer wieder zu erinnern. Gewalt, Heimatverlust, Neuorientierung, Fremdsein und Integration - das sind Erfahrungen, die Flüchtlinge und Vertriebene früher wie heute betreffen und sie zum Teil über Generationen prägen. Das Dokumentationszentrum veranschaulicht auf eindrucksvolle Weise eine wichtige politische Botschaft: Vertreibungen müssen als Menschenrechtsverletzung zu jeder Zeit und an jedem Ort geächtet werden. Erinnert wird in dem Zentrum übrigens auch an die große Leistung, die Deutschland und seine Bevölkerung nach dem Zweiten Weltkrieg mit der Integration Millionen Vertriebener vollbracht haben.

epd: Der Bund fördert neben dem Dokumentationszentrum knapp 20 weitere Einrichtungen in Deutschland, die sich dem Erhalt und der Vermittlung der Geschichte und Kultur von Vertriebenengruppen, aber auch anderer deutscher Minderheiten im östlichen Europa, verschrieben haben. Warum ist dies in Ihren Augen ein so wichtiges Anliegen?

Grütters: Die reiche Kultur und lange Geschichte der Deutschen im östlichen Europa sind Teil unserer nationalen Identität. Diese Geschichte ist auch ein wichtiges Bindeglied zwischen Deutschland und seinen östlichen Nachbarn. Deshalb fördern wir kontinuierlich Einrichtungen, Initiativen und Projekte zur Erforschung, Präsentation und Vermittlung von Kultur und Geschichte der Regionen des östlichen Europas, in denen Deutsche gelebt haben oder heute noch leben. Dies dient auch der verstärkten europäischen Integration und trägt dazu bei, das Bewusstsein für die gemeinsamen Wurzeln in Europa zu schärfen und so nicht zuletzt die Versöhnung mit unseren östlichen Nachbarn zu festigen.

Das Interview führte Lukas Philippi.


Ein Mann bedient eine interaktive Landkarte in der Ausstellung im Berliner Dokumentationszentrums / © Bernd von Jutrczenka (dpa)
Ein Mann bedient eine interaktive Landkarte in der Ausstellung im Berliner Dokumentationszentrums / © Bernd von Jutrczenka ( dpa )

Ein Bücherstapel steht in einer Vitrine der Ausstellung im Berliner Dokumentationszentrums / © Bernd von Jutrczenka (dpa)
Ein Bücherstapel steht in einer Vitrine der Ausstellung im Berliner Dokumentationszentrums / © Bernd von Jutrczenka ( dpa )
Quelle:
epd