Organist am Kölner Dom zieht Bilanz zu 10 Jahren Gotteslob

"Musikgeschmack hat sich geändert"

Vor zehn Jahren wurde das neue katholische Gebet- und Gesangbuch "Gotteslob" eingeführt. Kirchenmusiker Matthias Wand lobt die Reichhaltigkeit bei der Liedauswahl. Bei den Messgesängen hingegen sei man allerdings etwas eingeschränkt.

Gotteslob auf einer Kirchenbank / © Harald Oppitz (KNA)
Gotteslob auf einer Kirchenbank / © Harald Oppitz ( KNA )

DOMRADIO.DE: Was gefällt Ihnen am neuen Gotteslob besser als am alten?

Matthias Wand, Assistent des Kölner Domorganisten / © Alexander Foxius (DR)
Matthias Wand, Assistent des Kölner Domorganisten / © Alexander Foxius ( DR )

Matthias Wand (Assistent des Kölner Domorganisten): Ich würde sagen, es ist eine größere Auswahl auch an verschiedenen Musikstilen, Liedern und verschiedener Gesänge. Auch diese Taizé-Gesänge sind völlig neu. Also es ist eine große Reichhaltigkeit im neuen Gotteslob.

DOMRADIO.DE: Das alte Gotteslob war von 1975. Hat sich in dieser Zeit auch der Musikstil geändert?

Matthias Wand

"Bei vielem gibt es auch wieder eine Rückbesinnung auf Lieder aus der Zeit der Romantik."

Wand: Ja, ich denke, das ist der Fall. Bei vielem gibt es auch wieder eine Rückbesinnung auf Lieder aus der Zeit der Romantik. Das ist ja dann auch berücksichtigt worden. Der Geschmack hat sich in diesen Jahrzehnten durchaus geändert.

DOMRADIO.DE: Es gibt aber auch Kritik von Musikern, dass zum Beispiel manche Kehrverse und Psalmtöne nicht mehr so richtig zusammenpassen. Die Komponisten des alten Gotteslob haben da wohl die alten Kirchentonarten etwas besser beherrscht. Ist es Ihnen auch ein bisschen zu süßlich, was jetzt an Psalmen und Kehrversen zu hören ist?

Wand: Das kann ich bestätigen, dass man bei manchen Kehrversen das Gefühl hat, dass es nicht so ganz zu den Psalmodien passt. Aber es besteht ja auch die Möglichkeit, dass man den Gesang dann frei gestaltet. Man muss sich nicht sehr streng an die Psalmtöne halten. Man kann da, glaube ich, ein bisschen frei singen.

DOMRADIO.DE: Wo haben Sie sich beim neuen Gotteslob auch noch mehr erhofft oder erfüllt es voll und ganz das, was Sie vor zehn Jahren erwartet haben, als es herauskam?

Matthias Wand

"Diese Kommission hat sich da bestimmt sehr viele Gedanken gemacht und versucht, neues reinzubringen und altes zu bewahren oder auch wieder mit aufzunehmen."

Wand: So große Erwartungen hatte ich jetzt nicht. Ich war einfach gespannt auf die Veränderungen und da ist es doch ganz gut gelungen. Diese Kommission hat sich da bestimmt sehr viele Gedanken gemacht und versucht, neues reinzubringen und altes zu bewahren oder auch wieder mit aufzunehmen. Ich denke da an das Lied "Segne du Maria", wo viele, viele Menschen dran hängen. Das ist für viele ganz wichtig und schön, dass solche Dinge wieder mit drin sind.

DOMRADIO.DE: Das Gotteslob ist einerseits ein Gebet- und Gesangbuch für die Gläubigen, andererseits aber auch für Kirchenmusiker wie Sie eine wichtige Arbeitsgrundlage. Wir kennen Sie vor allem durch die Begleitung der Werktagsmessen im Kölner Dom. Wie gehen Sie da bei der Auswahl der Lieder und Gesänge vor?

Liturgie

Liturgie bezeichnet im Christentum und Judentum das Verständnis und die Ordnung der Zeremonien des Gottesdienstes. Der Begriff stammt aus dem Griechischen und bedeutet wörtlich übersetzt öffentlicher Dienst. Neben der Heiligen Messe gehören dazu beispielsweise Taufe, Trauung oder Bestattung. Die Formen, Regeln und Vorschriften der römischen Liturgie haben sich im Lauf der Jahrhunderte verändert; grundsätzlich legt der Papst sie fest. Dazu zählen etwa die Vorgabe bestimmter Gebete oder Regeln zum Ablauf des Gottesdienstes sowie Form und Farbe von Messgewändern.

Hochgebet auf deutsch / © Harald Oppitz (KNA)
Hochgebet auf deutsch / © Harald Oppitz ( KNA )

Wand: Ich versuche das vor allen Dingen abwechslungsreich zu gestalten, wenn es möglich ist, dass man sich da in einer Woche nicht so wiederholt. Das ist vielleicht auch ein Kritikpunkt, dass manche Teile der Messe etwas spärlich besetzt sind. Man kommt dann oft auch wieder in die Wiederholung. Zum Beispiel gibt es etwas wenige Gesänge des Sanctus oder des Agnus Dei.

Aber ich versuche es zu variieren und vielleicht auch nicht immer alles singen zu lassen, sondern auch mal den einen oder anderen Teil sprechen zu lassen. Ich glaube auch, dass auch das neue und unbekanntere Liedgut oder die unbekannteren Gesänge immer wieder einfach mal aufs Tapet müssen und auch gesungen werden, wenn sie nicht so gut bekannt sind.

DOMRADIO.DE: Wie flexibel muss man denn als Assistent des Domorganisten sein? Da gibt es ja die Auswahl des Messformulars oder die besonderen Wünsche des Zelebranten oder Rückmeldungen aus der Gemeinde.

Wand: Auf diese Wünsche muss man versuchen immer wieder einzugehen. Da gibt es doch viele Wünsche, auch von den Geistlichen. Es gibt auch den Wunsch, nicht zu viel aus dem Anhang zu nehmen, sondern mehr aus dem Hauptteil des Gotteslob.

Dann gibt es verschiedene Ansichten über den Kommuniondank, ob dann noch ein Schlusslied gesungen wird oder ob man das dann besser weglässt. Solche Sachen muss man dann schon berücksichtigen.

DOMRADIO.DE: Sie sind aber auch im Seelsorgebereich Bilderstöckchen und Nippes schon sehr lange als Kirchenmusiker tätig. Was sind denn dort Ihre Erfahrungen nach zehn Jahren mit dem neuen Gotteslob?

Wand: Da kommt sehr oft die die Meinung, dass man das alles nicht kennt. Das ist immer noch neu, obwohl man da schon seit zehn Jahren bestimmte Sachen immer wieder singt und versucht, den Menschen nahe zu bringen. Aber das ist doch manchmal auch noch sehr festgefahren und nicht so die Bereitschaft vorhanden, da neues kennenzulernen.

DOMRADIO.DE: Ist das im Dom einfacher? Bislang war der so eine Art Bastion gegen das Neue Geistliche Lied. Aber wer heute dort Gottesdienste mitfeiert, merkt, dass es ab und zu doch einmal durchkommt.

Matthias Wand

"Neues Geistliches Lied wird inzwischen überall gern gesungen."

Wand: Neues Geistliches Lied wird inzwischen überall gern gesungen, würde ich sagen. Allerdings ist vieles beim Neuen Geistlichen Lied auch nicht mehr so neu.

DOMRADIO.DE: Manche Gesänge, die es im alten Gotteslob gab, gibt es im neuen nicht mehr. Vermutlich haben sie sich nicht etabliert. Dafür sind jetzt aber andere neue hinzugekommen, die es im alten Gotteslob nicht gab. Gibt es jetzt schon eine Tendenz, was sich vermutlich langfristig etablieren wird, wenn es einmal ein drittes Gotteslob geben sollte?

Wand: Ich entdecke auch selbst immer noch Lieder oder Gesänge, die ich auch selbst bisher nicht so berücksichtigt habe. Jetzt zum Beispiel am Ende des Kirchenjahres oder in der Adventszeit, das gibt es das Lied "O Herr, wenn du kommst". Das ist ein Lied, das wunderbar in die Zeit passt und das sich auch etablieren wird. Das ist sehr erfreulich, dass solche Lieder dann zum Repertoire gehören.

Das Interview führte Jan Hendrik Stens.

Quelle:
DR