Ordensmann in Norwegen gibt Einblicke in kirchliches Leben

"Wir sind wie eine große Familie"

Seit acht Jahren lebt und arbeitet Pater Antonius Sohler im Norden Norwegens. An diesem Diaspora-Sonntag steht auch das Leben der dortigen Katholiken im Mittelpunkt. Pater Sohler erzählt, wie die Katholiken in dieser Gegend leben.

Blick auf die Stadt Tromsø im Norden Norwegens / © Diego Fiore (shutterstock)
Blick auf die Stadt Tromsø im Norden Norwegens / © Diego Fiore ( shutterstock )

DOMRADIO.DE: Sie sind katholischer Priester. Im äußersten Norden Europas sind Sie jetzt seit acht Jahren und das ist ein ursprünglich protestantisch geprägtes Gebiet und ein immer stärker säkulares Norwegen. Wie gestaltet sich denn da Ihr Alltag?

Pater Antonius Sohler (Generalvikar der Diözese Tromsø): Es stimmt, Norwegen ist sehr säkular, es ist durch die Reformation fast ausschließlich protestantisch geprägt. Wir haben aber schon über 150 Jahre auch katholische Pfarreien in Norwegen. Das hat in Oslo begonnen und hat sich von dort aus wieder über das ganze Land ausgebreitet.

Wir sind eine kleine, kleine Minderheit. Wir haben nur ungefähr anderthalb bis zwei Prozent Katholiken als Anteil der Gesamtbevölkerung.

Wir sind in einem Wechsel. Bis vor 30 oder 40 Jahren waren die Katholiken Einheimische. Da gab es ja noch keine Einwanderung. Aber seit jetzt die großen Einwanderungswellen begonnen haben, sind immer mehr katholische Gläubige zu uns gekommen, aus verschiedenen Ländern der Welt.

Kirche in Norwegen  / © Ingrid Pakats  (shutterstock)

Wir sind deshalb eine wachsende kleine Minderheit. Das ist sehr, sehr schön, hat aber natürlich auch besondere Herausforderungen.

DOMRADIO.DE: Was bedeutet es denn für die Menschen, die glauben, dass sie nur so wenige sind in einer so dünn besiedelten Gegend der Welt?

Pater Antonius Sohler

"Man weiß um die Nöte, um die Sorgen, die andere haben, und verbindet sich da, versucht zu helfen und zu unterstützen."

P. Sohler: Im Grunde genommen ist es ziemlich herausfordernd, weil die Abstände so groß sind. Unsere Priester müssen mit dem Auto immer wieder in verschiedene Ortschaften fahren und dort Gottesdienst halten, die Vorbereitungen für die Sakramente durchführen, für die Kinder und die Jugendlichen.

Aber es hat auch schöne Seiten. Wir kennen uns gegenseitig. Es ist also nicht ungewöhnlich, dass, wenn der Bischof zur Firmung in die verschiedenen Pfarreien geht, er dann auch die Menschen direkt beim Namen ansprechen kann, weil er sie persönlich schon einmal getroffen hat.

Wir sind wie eine große Familie. Man trägt auch einander. Man weiß um die Nöte, um die Sorgen, die andere haben, und verbindet sich da, versucht zu helfen und zu unterstützen.

DOMRADIO.DE: Sie haben schon kurz erwähnt, dass die Zahl der Katholiken steigt. Zuletzt sind auch die Zahlen der Kirchgänger bei Ihnen gestiegen. Wie erklären Sie sich das?

P. Sohler: Das Interesse von ehemals protestantischen Christen nimmt zu. Wir haben auch immer wieder Konversionen zur katholischen Kirche. Menschen suchen nach Orientierung, Menschen suchen nach Gemeinschaft und sehen halt doch in der katholischen Kirche eine gewisse Lebendigkeit und einen Zugang für sich selbst.

Sie kommen dann zu uns, werden vorbereitet und nach einem Jahr können sie konvertieren. Das ist die eine Gruppe.

Aber wir haben eben auch viele Einwanderer aus Ländern, die katholisch geprägt sind, in Asien zum Beispiel von den Philippinen oder aus Vietnam. Wir haben aus Afrika eritreische Flüchtlinge, wir haben Studenten, wir haben Arbeitsmigranten, gerade aus dem osteuropäischen Raum, aus dem baltischen Raum.

Es ist also doch auch viel Zuwanderung, die dann dazu führt, dass unsere kleinen Gemeinden immer größer werden.

DOMRADIO.DE: Das Sanierungsprojekt, das das Bonifatiuswerk unterstützt, könnte ja auch damit zusammenhängen. Wo genau ist das und was ist da zu tun?

Pater Antonius Sohler

"Die Gemeinde trifft sich immer noch im Pfarrhaus, sozusagen im Wohnzimmer vom Pfarrer. Das ist nicht sinnvoll."

P. Sohler: Wir haben eine historische Wirkstätte. Das war die erste Wirkstätte in Nordnorwegen nach der Reformation. Der Ort heißt Alta und ist ungefähr 400 Kilometer von Tromsø entfernt. Dort war die erste Missionarsgemeinschaft um 1850.

50 Jahre später wurde das dann niedergelegt, weil in Norwegen große Not, Hunger, Epidemien, Auswanderung herrschten. Es lohnte sich damals nicht mehr.

2005, also vor fast 20 Jahren, haben wir wieder angefangen, dort mit einem Privathaus mit einer kleinen Hauskapelle ein Angebot für die Katholiken zu ermöglichen. Das ist gewachsen. Wir haben deshalb vor vier Jahren eine Kirche gebaut, auch mit Unterstützung vom Bonifatiuswerk und von vielen anderen Wohltätern aus Deutschland.

Rote Häuser in Alta, Norwegen (shutterstock)

Was jetzt noch dazu fehlt, ist ein Pfarrsaal. Die Gemeinde trifft sich also immer noch im Pfarrhaus, sozusagen in der Stube, im Wohnzimmer vom Pfarrer. Das ist nicht sinnvoll. Viele trauen sich auch nicht, in ein Pfarrhaus zu gehen und dort mit Christen zu treffen.

Wir brauchen also unbedingt dort einen Gemeindesaal, der dann auch für die wachsende Gemeinde zur Verfügung steht und den Menschen noch mal mehr ein Stück Heimat vermittelt.

DOMRADIO.DE: Was bedeutet es für die Minderheitenkirche Norwegens, dass das Bonifatiuswerk am Diasporasonntag die Aufmerksamkeit auf Ihre ganz besondere Situation lenkt und eben auch Geld sammelt für Projekte wie das in Alta?

P. Sohler: Wir halten den Bonifatius-Sonntag hier in unseren Pfarreien, wir werden unsere Gebete den Wohltätern zugute kommen lassen und darauf hinweisen, dass wir ohne die Unterstützung vom Bonifatiuswerk und von den vielen Menschen, die das Bonifatiuswerk wiederum unterstützen, unsere Projekte wahrscheinlich gar nicht ausführen könnten.

Unsere Präsenz hier im Norden wäre ohne die Unterstützung vom Bonifatiuswerk wesentlich schwächer. Wir sind also sehr, sehr dankbar.

Wir sind auch sehr, sehr stolz, dass wir als so kleine Gruppe – wir haben zum Beispiel in unserer Prälatur nur 7.500 Katholiken – so große Aufmerksamkeit in den deutschen Pfarreien wecken, das macht uns sehr dankbar und sehr froh.

Das Interview führte Dagmar Peters.

Bonifatiuswerk der deutschen Katholiken

Das Bonifatiuswerk wurde 1849 in Regensburg bei der dritten Generalversammlung der Katholischen Vereine Deutschlands – einem Vorläufer der heutigen Katholikentage – als „Bonifacius-Verein für die kirchliche Mission in Deutschland“ gegründet. Namensgeber ist der als Apostel der Deutschen geltende heilige Bonifatius (672/675-754).

Bonifatiuswerk / © Andreas Kühlken (KNA)
Bonifatiuswerk / © Andreas Kühlken ( KNA )
Quelle:
DR