Open Doors beklagt weitere Zunahme der Christenverfolgung

5.621 Christen ermordet

Christen sind die meistverfolgte religiöse Gruppe weltweit. Das geht auch aus dem aktuellen Weltverfolgungsindex von Open Doors hervor. Zum 30. Mal hat die christliche Hilfsorganisation ihren Bericht veröffentlicht.

Christenverfolgung / © Uygar Onder Simsek (KNA)
Christenverfolgung / © Uygar Onder Simsek ( KNA )

DOMRADIO.DE: Hat sich die Situation für Christen weltweit verbessert oder verschlechtert?

Open Doors Geschäftsführer Markus Rode / © N.N. (Open Doors)
Open Doors Geschäftsführer Markus Rode / © N.N. ( Open Doors )

Markus Rode (Leiter des christlichen Hilfswerks Open Doors): Sie hat sich leider wieder verschlechtert. Das heißt, die Intensität der Verfolgung hat in allen Lebensbereichen von Christen zugenommen. Das sieht man daran, dass im aktuellen Weltverfolgungsindex allein 5.621 Christen ermordet wurden. Das haben wir dokumentiert und das sind 80% mehr als vor fünf Jahren.

Wenn man zum Beispiel auf den Hotspot Subsahara-Afrika schaut, dann sind in Nigeria rund 5.014 Christen ermordet und 4.726 Christen von Islamisten entführt worden. Und Nigeria liegt "nur“ an sechster Stelle im Weltverfolgungsindex. Das sind hauptsächlich Mädchen und Frauen. Dann haben wir natürlich noch den religiösen Nationalismus, wie zum Beispiel in Indien, der dazu führt, dass Christen immer mehr unter Druck geraten. Außerdem versuchen die Autokraten weltweit wie Xi Jinping christliche Gemeinschaften immer mehr zu ersticken.

DOMRADIO.DE: Woran liegt das? Warum unterdrückt man sie?

Rode: Das hat zum einen damit zu tun, dass es zum Beispiel in Teilen dieser Welt, wie zum Beispiel in Afrika viele sogenannte "failed states" oder gescheiterte Staaten gibt. Da sind Regierungen, die sehr korrupt sind und in diesen, ich nenne sie mal Vakuumregionen, breiten sich islamistische Extremistengruppen aus.

Markus Rode (Leiter des christlichen Hilfswerks Open Doors in Deutschland)

"Kinder und Frauen werden mit Macheten in Stücke gehauen. Es ist unfassbar, was dort geschieht."

Das ist unter anderem natürlich ein Teil der damals in Syrien und Irak vertriebenen IS-Kämpfer. Die haben sich solidarisiert in diesen Bereichen, weil sie da nichts zu befürchten haben mit anderen islamistischen Gruppen wie Boko Haram oder Al-Shabaab. Sie versuchen dort wieder Kalifate zu errichten. Das heißt, sie ziehen von Dorf zu Dorf, ermorden Christen, gehen über Ländergrenzen hinweg. Da sind zum Beispiel Staaten zu nennen, wie Somalia, Jemen oder Libyen, in denen Christen eben massiven Druck nicht nur erfahren, sondern auch ein extrem hohes Maß an Gewalt. Sehr viele Christen werden ermordet, Kinder und Frauen werden mit Macheten in Stücke gehauen. Es ist unfassbar, was dort geschieht.

DOMRADIO.DE: Sie haben einige Staaten genannt. Wo ist die Situation am schlimmsten?

Markus Rode (Leiter des christlichen Hilfswerks Open Doors in Deutschland)

"Wenn man mal das Maß der Gewalt definiert über diesen Index, ein Punktesystem, dann hat Nordkorea 98 von 100 Punkten für die extreme Ausprägung der Gewalt erhalten."

Rode: Wir haben auf dem Weltverfolgungsindex leider wieder Nordkorea an erster Position. Wenn man mal das Maß der Gewalt definiert über diesen Index, ein Punktesystem, dann hat Nordkorea 98 von 100 Punkten für die extreme Ausprägung der Gewalt erhalten. Viele Christen sind dort in Arbeitslagern. Das Netz von Kontrolle ist noch engmaschiger geworden durch das Regime von Kim Jong Un. Viele Christen wurden leider gefangen genommen und in Arbeitslager gebracht oder direkt hingerichtet.

DOMRADIO.DE: Im vergangenen Jahr war Afghanistan auf Platz eins. Jetzt nimmt das Land Platz Nummer neun ein. Ist das eine positive Entwicklung?

Rode: Leider nein, das ist keine positive Entwicklung, denn der Index bildet letztendlich eine Rangfolge ab. Die Situation der Christen ist dort nach wie vor genauso dramatisch. Nur es hat damals beim letzten Weltverfolgungsindex, als die Taliban im August 2021 die Macht übernommen haben, eine Säuberung gegeben. Das heißt es wurden viele Christen ermordet.

Es sind viele von ihnen, auch von denen die schon teilweise im Untergrund waren, in Nachbarländer geflohen, wo sie leider auch Verfolgung erleben. Es haben sich viele im Land versteckt. Das heißt, wir haben in diesem Jahr in dem Zeitraum der Dokumentation weniger Morde und Gewalttaten dokumentiert, weil Christen sich im Untergrund still verhalten haben und nicht gefunden wurden. Das ist der einzige Grund, aber leider ist die Situation nicht besser geworden.

DOMRADIO.DE: Warum erstellen Sie diesen Weltverfolgungsindex überhaupt? Wie können Sie damit helfen?

Rode: Der Weltverfolgungsindex ist natürlich eine Stimme der vielen unterdrückten, verfolgten Christen, die sehr oft nur im Untergrund leben können, die sich nicht artikulieren können. Da wir in diesen Ländern schon seit vielen Jahren mit Untergrundnetzwerken präsent sind als Open Doors haben wir natürlich direkten Zugang und das ist die Stimme der verfolgten Christen.

Es ist eben auch entscheidend, diesen Index jedes Jahr neu rauszubringen und die Situation der Christen zu zeigen, damit Politiker aktiv werden können, damit das Thema überhaupt an die Öffentlichkeit kommt und dass wir für diese brutal unterdrückten Menschen eintreten können. Das ist eben das, was wir tun. Wir wollen nicht eine Statistik rausgeben. Wir sind als Hilfswerk weltweit auch mit den Christen verbunden, um zu helfen. Das ist der Grund, warum wir das machen. Wir wollen in allen Ländern der Welt zeigen, die westlich demokratisch sind, hier sind Christen, die man unterstützen, für die man sich einsetzen sollte. Menschen für die wir beten wollen.

Das Interview führte Tobias Fricke.

 

Quelle:
DR