Offenbar keine Anklage des Vatikan gegen Papstangreiferin

"Unbewaffnet und leidend"

Der Vatikan wird nach Einschätzung italienischer Tageszeitungen voraussichtlich keine Anklage gegen die junge Frau erheben, die Papst Benedikt XVI. an Heiligabend im Petersdom tätlich angegriffen hat. Die Haltung des Kirchenoberhaupts, des vatikanischen Gerichtspräsidenten sowie der Vatikanzeitung deuten laut der Mailänder Tageszeitung "Corriere della Sera" vom Dienstag darauf hin, dass das Verfahren eingestellt werde.

 (DR)

Der Papst vergab der Italo-Schweizerin, die am Beginn der Christmette die Absperrungen im Petersdom überwunden und ihn zu Boden gerissen hatte, umgehend, nachdem er den Bericht des vatikanischen Sicherheitschefs Domenico Giani über den Vorfall gelesen hatte. Der Präsident des zuständigen Vatikangerichts, Giuseppe Dalla Torre, wies darauf hin, dass die Angreiferin «unbewaffnet und leidend» gewesen sei. Die Vatikanzeitung «Osservatore Romano» äußerte die Überzeugung, dass die junge Frau keine offensichtlichen «feindlichen und gegnerischen» Absichten demonstriert habe.

Der Richter des Vatikantribunals Piero Antonio Bonnet wird demnach vermutlich bereits in den nächsten Tagen auf der Grundlage eines Berichts von Staatsanwalt Nicola Picardi über ein mögliches Verfahren entscheiden. Die in einer psychiatrischen Klinik untergebrachte Frau will die Tat aus dem Wunsch nach physischer Nähe mit dem Papst begangen haben.

Falls sie als zurechnungsfähig erklärt werden sollte, wird dies nach den Worten von Gerichtspräsident Dalla Torre Folgen auf den Schadensfall des bei dem Angriff verletzten Kurienkardinals Roger Etchegaray haben. Der französische Kirchenvertreter war drei Tage nach dem Vorfall an einem Schenkelhalsbruch operiert worden.