DOMRADIO.DE: Wer ist Josef Grünwidl und welche Aufgaben hatte er bislang?
Klaus Prömpers (Journalist und Österreich-Kenner): Im engeren Sinne ist er sicherlich keiner, der Karriere machen wollte, auch wenn er von 1995 bis 1998 Sekretär des ausgeschiedenen Erzbischofs Christoph Kardinal Schönborn gewesen ist. Er ist ein Mensch, der eigentlich bisher sehr stark in der Pfarrseelsorge beheimatet war.
2023 war er als Bischofsvikar zuständig für den südlichen Teil der mit über einer Million Mitgliedern immer noch sehr großen Erzdiözese Wien. Er ist ein Mann des Wortes und der Praxis und auch der Spiritualität, also wirklich keiner, der diese Karriere angestrebt hat.
DOMRADIO.DE: Es wurde lange spekuliert und es gab auch vorab schon Informationen und Meldungen, dass Grünwidl es werden könnte. Wie haben die Wiener tatsächlich davon erfahren?
Prömpers : Das war, wenn man so will, eine Zwei-Stufen-Rakete. Am Mittwoch, in den Abendstunden, wurde publik, dass der Nuntius bei der Regierung vorgefahren war, genauer beim Außenministerium, um bekannt zu geben: Die Wahl ist getroffen in Wien – stimmt ihr zu? Am Mittwochabend hat im Umlaufverfahren, also im schriftlichen Verfahren, die gesamte Regierung zugestimmt und das dann wieder an den Vatikan gemeldet.
Und schließlich haben die Wiener offiziell davon erfahren, als dann die "Pummerin" (Anm. d. Red.: Glocke am Stephansdom) erklang, die nur ganz selten geschlagen wird, im Vergleich wie beim "Decken Pitter" am Kölner Dom. Die Glocke verkündete: Wir haben einen Erzbischof. Und dann ging die ganze Salve noch einmal über Radio, Fernsehen und die Zeitungen los mit Beschreibungen des Lebensweges etc.
DOMRADIO.DE: Noch im Sommer hatte Josef Grünwidl gesagt, eigentlich sei das kein Job für ihn. Wo kommt der Sinneswandel jetzt her?
Prömpers : Er hatte sich bei einem Fernseh-Interview ein kleines Hintertürchen offen gelassen. Aus seiner Position und wohl aus einer gewissen Demut heraus hatte er gesagt: Das ist eine sehr große Aufgabe auf meinen kleinen Schultern. Er ist in der Tat ein kleiner und schmächtiger Herr. Der Aufgabe wolle er sich nicht unbedingt stellen, aber wenn es denn sein müsste, würde er noch einmal neu überlegen. Das hat er nun offensichtlich getan.
Nachdem es offensichtlich auch etliche Absagen gegeben hat im Auswahlverfahren zwischen Rom und der Erzdiözese Wien, ist er nun derjenige, der ja auch die Erfahrung hat. Seit dem 22. Januar war er der Apostolische Administrator der Erzdiözese, also sozusagen der Interims-Chef der Erzdiözese, nachdem Kardinal Schönborn mit Erreichen des 80. Lebensjahres zurückgetreten ist und der Papst das Rücktrittsgesuch angenommen hatte.
Die Erzdiözese hat nun mitgeteilt, dass Grünwidl im Januar zum Bischof geweiht wird, damit er sein neues Amt auch übernehmen kann. Der Weiheliturgie wird sein Vorgänger vorstehen, Kardinal Schönborn.
DOMRADIO.DE: Was können wir beim Stichwort "Reformen in der Kirche" erwarten, beispielsweise beim Thema Frauen?
Prömpers : Er hat sich positiv dazu geäußert, dass er sich vorstellen kann, dass Frauen das Diakonat übernehmen können. Er hat darauf hingewiesen, dass es seines Erachtens nach für Priester in der katholischen Kirche nicht zwingend ist, zölibatär zu leben. In der Ostkirche gebe es ja auch andere Modelle. Er hat darauf hingewiesen, dass in Partnerkirchen wie den protestantischen, Frauen ja auch Pfarrerinnen seien.
Er ist da also sehr offen, er verfolgt ganz klar den Weg der Synodalität, den er in der Zeit, als er zuständig für den Südteil der Erzdiözese war, auch gefördert hat. Und ich denke, er ist zwar kein Intellektueller, kein Professor wie sein Vorgänger Christoph Kardinal Schönborn, aber aus der Praxis heraus erkennt er, dass vielleicht doch einige Neujustierungen innerhalb der katholischen Kirche notwendig und auch möglich sind.
DOMRADIO.DE: Kardinal Christoph Schönborn war 30 Jahre lang Wiener Erzbischof. Das ist eine lange Zeit und er hat große Fußstapfen hinterlassen. Wird Grünwidl da hereinpassen?
Prömpers : Er ist natürlich ein ganz anderer Typ, beispielsweise auch wenn man auf seine Ausbildung schaut. Er ist kein Kirchenlehrer in dem Sinne, sondern er hat neben der Theologie und der Philosophie auch Orgel studiert und ist ein begeisterter Orgelspieler. Dazu wird er in Zukunft wohl etwas weniger Zeit haben.
Er ist auch ein Mann, der in vielen Pfarreien und Dekanaten tätig gewesen ist. Schon jetzt kann man in den sozialen Netzwerken von allen Stationen seines bisherigen Priesterlebens lesen, wie begeistert die Menschen dort von ihm gewesen sind. Die loben ihn und sind stolz darauf, dass er bei ihnen mal Kaplan oder Pfarrer oder Dechant war. Insofern verknüpfen sich bei vielen Katholiken in der Erzdiözese viele Hoffnungen mit dem neuen Erzbischof.
Das Interview führte Carsten Döpp.