Ökumenischer Gottesdienst für Schüler und Angehörige in Emsdetten

Nötig ist "Kultur der Achtsamkeit"

In einem ökumenischen Gottesdienst haben die beiden großen Kirchen nach dem Amoklauf von Emsdetten am Mittwoch Schülern, Lehrern und Helfern ihre Mitgefühl ausgesprochen. Die Tat habe gezeigt, wie nah der Tod sei, sagte der Präses der Evangelischen Kirche von Westfalen, Alfred Buß. «Ihr seid alle getroffen mitten in eure Seele», sagte der Theologe vor mehr als 1.000 Gottesdienstbesuchern in der St. Pankratiuskirche, unter ihnen viele Schüler, Lehrer, Angehörige und Helfer. Wichtig sei jetzt die Solidarität und das Zusammengehörigkeitsgefühl von Eltern, Schülern, Lehrern, Helfern und Polizei. Derweil laufen die Ermittlungen weiter.

 (DR)

Der katholische Dechant Wolfgang Benden äußerte Fassungslosigkeit nach dem Amoklauf des 18-jährigen ehemaligen Schülers. "Diese Tat hat unser Vertrauen erschüttert", sagte der Theologe. Er appellierte auch an die Gesellschaft, auf Signale von Frustration und Ablehnung frühzeitig zu reagieren. "Wir müssen uns auch fragen, was wir selbst zur Gefühllosigkeit und Ablehnung beigetragen haben." Der Superintendent des Kirchenkreises Steinfurt-Coesfeld-Borken, Joachim Anicker, forderte "eine Kultur der Achtsamkeit", bei der jeder einzelne auf den anderen achte. Auf die schreckliche Tat und der Frage nach dem Warum gebe es keine Antwort. Es sei aber ein Trost, dass nicht noch schlimmeres passiert sei.

Schulleiterin macht Mut
Schulleiterin Kordula Keller von der Realschule in Emsdetten kündigte an, die traumatischen Ereignisse sollten gemeinsam verarbeitet werden. Es gebe "so viele positive Kräfte in unserer Schulgemeinschaft, mit denen wird uns das gelingen", sagte sie unter Applaus.

Nach dem Gottesdienst sollten die älteren Schüler bereits wieder Unterricht erhalten, sagte eine Sprecherin der Stadt. Die Schüler der achten bis zehnten Klasse würden dafür auf umliegende Schulen verteilt. Die jüngeren Schüler der fünften bis siebten Klasse erhielten in einem Fabrikgebäude weiterhin Betreuung von Psychologen und Seelsorgern. Wann die Realschule wieder für den Unterricht freigegeben werde, sei derzeit noch nicht absehbar, sagte die Sprecherin weiter. Zunächst müssten die baulichen Schäden ermittelt werden. Derzeit sei das Gebäude noch von der Polizei gesperrt.

Tat alleine geplant
Der Amokläufer von Emsdetten hat seine Tat offenbar allein geplant. "Nach dem derzeitigen Stand der Ermittlungen gibt es keine Anhaltspunkte für Mitwisser, geschweige denn Mittäter", sagte Oberstaatsanwalt Wolfgang Schweer. Auch die Vernehmung von Freunden, die in den Gewaltvideos des Täters mitspielten, ergab keine Hinweise auf eine Mitwisserschaft.

Der 18-jährige ehemaliger Schüler war am Montag maskiert in die Geschwister-Scholl-Realschule eingedrungen, hatte dort wild um sich geschossen und eine Rohrbombe gezündet. Anschließend verschanzte er sich in einem Klassenzimmer und tötete sich durch einen Schuss in den Kopf. Nach Polizeiangaben wurden 37 Personen verletzt, darunter Schüler, eine Lehrerin, der Hausmeister und Polizeibeamte. Die Leiche des Täters ist inzwischen zur Beisetzung freigegeben.
Die Polizei hat bislang mehr als 100 Verletzte und Tatzeugen vernommen.

Angekündigte Tat
Gleichzeitig gehen die Ermittler einer Vielzahl von Internet-Spuren nach. „Der Täter hat seine Stellungnahmen und persönliche Aufzeichnungen offenbar bewusst weit gestreut, damit sie auch nach der Tat noch zugänglich sein sollen", sagte Schweer.
Die Ermittlungsbehörden gehen davon aus, dass das so genannte Tagebuch des Täters, das unter anderem in der „Bild"-Zeitung (Mittwochausgabe) auszugsweise gedruckt ist, authentisch ist. In seinen persönlichen Notizen bekundet der Täter seinen Hass auf die Menschheit und erstellt eine Liste mit potenziellen Opfern. Gleichzeitig erklärt er Eric Harris, einen der Attentäter der Columbine High School, zu seinem Idol. Harris hatte am 20. April 1999 gemeinsam mit einem Komplizen zwölf Schüler und einen Lehrer getötet und sich anschließend das Leben genommen.