Ökumenische Aufarbeitung der Reformation

"Vom Konflikt zur Gemeinschaft"

Protestanten sprachen vom unbeugsamen Luther, Katholiken betonten das Negative: Nun liegt erstmals eine gemeinsame Aufarbeitung der Reformations-Ereignisse vor bald 500 Jahren vor.

Lutherdenkmal in Wittenberg / © Benedikt Plesker (KNA)
Lutherdenkmal in Wittenberg / © Benedikt Plesker ( KNA )

Bald 500 Jahre nach der Reformation liegt erstmals eine gemeinsame historische Aufarbeitung der damaligen Ereignisse seitens der katholischen und der lutherischen Kirchen vor. Der Päpstliche Rat zur Förderung der Einheit der Christen und der Lutherische Weltbund (LWB) gaben bereits vor Jahren ihrer Dialogkommission den Auftrag, ein gemeinsames Dokument zu dem strittigen Thema zu erarbeiten.

Der Text mit dem Titel "Vom Konflikt zur Gemeinschaft. Gemeinsames Lutherisch-Katholisches Reformationsgedenken im Jahr 2017" wurde am Montag dem Rat des LWB bei seiner Tagung in Genf zur "Entgegennahme" vorgelegt. Der Päpstliche Einheitsrat hat ihn bereits angenommen. Das Studiendokument unternimmt den Versuch, die Geschichte "auf neue Weise zu erzählen" - ein wichtiger Schritt, um auch die Verwundungen der Vergangenheit aufzuarbeiten und vielleicht in einem weiteren Schritt zu "heilen". "Alleine das ist schon ein Meilenstein im ökumenischen Miteinander", so der Catholica-Beauftragte der deutschen Lutheraner, Landesbischof Friedrich Weber.

Mittlerweile haben Historiker ein differenzierteres Bild der Ereignisse entwickelt

In früheren Zeiten wurde die Geschichte des 16. Jahrhunderts von beiden Konfessionen völlig unterschiedlich erzählt: Protestanten malten das Bild vom unbeugsamen "Mönchlein" Luther, der mit seinem legendären Thesenanschlag an der Schlosskirche zu Wittenberg die verderbte mittelalterliche Papstkirche ins Wanken brachte und die Tür zur Neuzeit öffnete. Katholiken betonten das Negative: Die daraus resultierende Kirchenspaltung und das Leid der Religionskriege.

Inzwischen haben die Historiker sowohl der Kirchen als auch der säkularen Geschichtswissenschaft ein differenzierteres Panorama der damaligen Ereignisse gezeichnet, das auch dem neuen Dokument zugrunde liegt.

Es benennt die gegenseitigen Missverständnisse und bewussten Verzeichnungen auf beiden Seiten und zeigt auf, worum es den Kontrahenten bei strittigen Themen wie Rechtfertigung, Eucharistie, Amt sowie Schrift und Tradition ging und welche Positionen die Kirchen dazu heute vertreten. Damit werden zugleich die wichtigsten Ergebnisse der lutherisch-katholischen Dialoge, deren Beginn sich 2017 zum 50. Mal jährt, vergegenwärtigt.

Ökumenisches Gedenken soll möglich sein

Wie der Untertitel des Dokuments aussagt, soll es dazu beitragen, dass Katholiken und Lutheraner in diesem Jahr der Vergangenheit gemeinsam - und damit erstmals ökumenisch - gedenken können. Deshalb verwendet der Text auch durchgehend den Begriff "Gedenken" (commemoration) und nicht "Jubiläum" und trägt damit der katholischen Sicht Rechnung, dass es sich nicht einfach um einen Anlass zum Feiern handelt. Für den katholischen Ökumene-Experten Wolfgang Thönissen aus Paderborn besteht auf dieser Grundlage heute ´"die Gelegenheit dazu, Luthers theologische Reformanliegen als geistliche und theologische Herausforderungen wahrzunehmen".

Der Text soll nun, so die Hoffnung der Autoren, von den Christen der verschiedenen Kirchen gelesen werden und zu einem besseren gegenseitigen Verständnis und vertiefter Gemeinschaft beitragen. Er verweist auf Schuldbekenntnisse der Päpste des 16. und vor allem des 20. Jahrhunderts und könnte darüber hinaus ein Schritt zu einem gemeinsamen Bußakt der Kirchen im Rahmen der Gedenkfeierlichkeiten sein. Unter dem Stichwort "Heilung der Erinnerungen" gibt es dazu Vorüberlegungen sowohl zwischen Einheitsrat und LWB als auch in Deutschland zwischen der Deutschen Bischofskonferenz und dem Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).

Reaktionen von katholischer und evangelischer Seite

Die EKD hat den neuen lutherisch-katholischen Ökumene-Text zum Reformationsgedenken grundsätzlich begrüßt. Der Titel "Vom Konflikt zur Gemeinschaft" deute den langen Weg der Klärungen an, den die lutherischen Kirchen mit der römisch-katholischen Kirche zurückgelegt hätten, erklärte der EKD-Ratsvorsitzende Nikolaus Schneider in Hannover.

Zugleich kritisierte er, dass die Errungenschaften der Reformation in dem Text nicht ausreichend gewürdigt würden: "Neben der Last der Erinnerung sollte die gemeinsame Freude über die geistlichen Gaben der Reformation an die Christenheit nicht aus dem Blick geraten."

Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch, erwartet von dem neuen Dokument zum Reformationsgedenken "Impulse, die uns auch in Deutschland in der Ökumene weiterbringen können". Er kündigte an, die katholischen Bischöfe wollten das Dokument "aufmerksam lesen und auch im Gespräch mit unseren evangelischen Partnern überlegen, welche konkreten Schritte sich daraus in unserem weiteren Zugehen auf das Reformationsgedenken 2017 ergeben".


Quelle:
KNA , DR