In ihrem Beitrag für einen Sonderdruck der Zeitschrift "Christ in der Gegenwart", der dem Kardinal zu dessen 80. Geburtstag am 22. Januar gewidmet ist, bilanziert Riedl die vergangenen Jahrzehnte.
Ein freundschaftliches, respektvolles und vom Glauben getragenes Aufeinander-Zugehen habe Schönborns ökumenische Haltung geprägt. Während seiner Amtszeit als Erzbischof hätten sich viele wegweisende ökumenische Schritte, aber auch ein "konsolidierendes Innehalten auf dem ökumenischen Weg" ergeben, so Riedl, die auch dem "Pro Oriente"-Vorstand angehört.

Als Erzbischof von Wien ist Schönborn seit 30 Jahren Vorsitzender des Kuratoriums von Pro Oriente. Mit der Arbeitsweise der Stiftung sei er aber bereits als junger Theologe und Teilnehmer am Ersten Ekklesiologischen Kolloquium Koinonia im April 1974 in Berührung gekommen. Dieses habe gleichsam den Auftakt für den sechs Jahre später begonnenen offiziellen Dialog zwischen katholischer und orthodoxer Kirche auf Rhodos und Patmos gebildet.
Bis heute seien es Kapital und Chance von Pro Oriente, "dass der ökumenische Dialog auf inoffizieller Ebene und nicht durch offizielle Sendung der Kirchen stattfindet, um auf diese Weise den Kirchen Unterstützung und Rückendeckung im Benennen des Trennenden, im Suchen des Gemeinsamen und Stärken der kirchlichen Communio anzubieten", so Riedl.
Überwindung von Konflikten
Schönborns Haltung zu den Kirchen des christlichen Ostens sei bis heute von einem Aufeinander-Zugehen geprägt, das freundschaftlich, respektvoll und vom Glauben getragen sei - "eine Haltung, die Räume des Dialogs öffnet und damit auch gesamtgesellschaftlich relevante Beiträge zur Überwindung von Konflikten und Förderung von Versöhnung in religiösem Kontext zu leisten vermag".
Schönborns Zugang zu den Ostkirchen sei vom Studium und der Wissenschaft her erfolgt, so die Kirchenhistorikerin: "Seine Dissertation 1974 zum Christusbild des Maximus Confessor sowie die Ostkirchenkunde in seinem Lehre-Repertoire, als er Professor für Dogmatik an der Theologischen Fakultät der Universität Fribourg in der Schweiz war, prädestinierten ihn für den orthodox-katholischen Dialog in verschiedensten Foren" - so auch seit Beginn der 1980er Jahre im Vorstand und später im Kreis der Konsultorinnen und Konsultoren von Pro Oriente.
Für die Ökumene habe die Ernennung Schönborns zum Erzbischof von Wien im Jahr 1995 stabile und konstruktive Kontinuität mit wissenschaftlichem Tiefgang und spirituellem Sensorium bedeutet. In zumindest einer Hinsicht habe die Ernennung aber auch die Erschließung von Neuland mit sich gebracht, erinnerte Riedl im Blick auf die katholischen Ostkirchen.

Sie verwies darauf, dass noch 1974 Kardinal König wiederholt bekräftigt hatte, es solle - bei allem ökumenischen Aufbruch - gerade deswegen keine gezielte Kontaktaufnahme mit den katholischen Ostkirchen geben, um Ressentiments zu vermeiden, die die Beziehung zu den getrennten Ostkirchen erschweren könnten. Hier gab es freilich im katholisch-orthodoxen Dialog in den 1980er und 1990er Jahren Fortschritte.
So hielt die offizielle orthodox-katholische Dialogkommission 1990 in der Erklärung von Freising und 1993 im Dokument von Balamand fest, dass Proselytismus ("Abwerbung" von Gläubigen) und Uniatismus als Einheitsmodell abzulehnen seien. Zugleich wurde das Existenzrecht der katholischen Ostkirchen und das Recht auf Sorge für ihre Gläubigen anerkannt und das Verständnis der orthodoxen und der katholischen Kirche als Schwesterkirchen in apostolischer Sukzession und mit sakramentaler Fülle betont.
Wachstum der katholischen Ostkirchen
Während es beim Amtsantritt Schönborns 1995 nur eine griechisch-katholische Pfarrei (Sankt Barbara/Wien) und zwei Seelsorgestellen für die Gesamtheit der katholischen Ostkirchen in Österreich gab, erhöhten sich Zahl und Ausstattung mittlerweile in allen Bundesländern, so Riedl. Unter Schönborns Verantwortung als Ordinarius für die katholischen Ostkirchen in Österreich wurde 2018 das bisherige Byzantinische Ordinariat zum Ordinariat für die Gläubigen der katholischen Ostkirchen in Österreich erweitert.
Riedl verwies in ihrem Beitrag zudem auf einige markante Ökumene-Ereignisse in Schönborns Amtszeit: Im Rahmen eines offiziellen Besuchs von Pro Oriente in Rumänien im Jahr 2000 wurde Kardinal Schönborn das Ehrendoktorat der Universität Bukarest für seine Verdienste um die Forschung zur Theologie der östlichen Kirchenväter verliehen. Im Juni 2004 erfolgte der erste offizielle Besuch des Ökumenischen Patriarchen Bartholomaios I. in Wien und Graz.

Die Gründung einer Orthodoxen Bischofskonferenz in Österreich im Oktober 2010, die auf einen Beschluss der vierten Panorthodoxen Vorkonziliaren Konferenz in Chambésy zurückgeht, bot neue Foren der ökumenischen Verständigung auf Bundesebene. 2013 empfing Kardinal Schönborn das Oberhaupt der Koptischen Kirche Papst Tawadros II. in Wien und ernannte ihn zum Protektor von Pro Oriente.
Zahlreiche Empfänge und Besuche, Festakte und Symposien, aber auch die Fortsetzung des "Ökumenischen Tees" (begründet von Kardinal König) in Form der "Ökumenischen Empfänge" zeugten vom Bemühen Kardinal Schönborns um gute ökumenische Beziehungen.