DOMRADIO.DE: Die Inauguration des Präsidenten haben Sie mitverfolgt, Herr Kopania. Ihre Familie lebt in Florida. Donald Trump hat den Amerikanern ein goldenes Zeitalter versprochen. War er noch im Wahlkampfmodus? Welchen Eindruck hatten Sie?
Frank Kopania (Oberkirchenrat, Leiter der Auslandsabteilung der Evangelischen Kirche in Deutschland, Deutschamerikaner): Er war gestern noch im Wahlkampfmodus, etwas abgemildert, aber das waren Versatzstücke seiner Versprechungen im Wahlkampf. Er hat alle rückwärtsgewandten Vorstellungen bedient: Energieressourcen nutzbar zu machen, die reine binäre Familienpolitik wieder aufzugreifen, Austritt aus den internationalen Organisationen, Fahrzeuge zugänglich zu machen, die sich die Amerikaner angeblich wünschen. Es war das klassische, rückwärtsgewandte Programm, das er gestern präsentiert hat.
DOMRADIO.DE: Donald Trump ist Schöpfer des Slogans "Make America great again". Dazu gehört dieses traditionelle Familienbild. Werden es Transgender-Personen in den nächsten Jahren sehr ungemütlich haben?
Kopania: Das wird so sein. Menschen werden gesellschaftlich sehr stark unter Druck geraten. Es wird die Notwendigkeit bestehen, sich wieder stärker aus der Öffentlichkeit zurückzuziehen, sich nicht in der Form zu zeigen, in der man sich selber als Person und mit seiner eigenen sexuellen Identität empfindet. Das wird für das öffentliche Leben und für die Menschen, die sich als binär empfinden, deutlich schwieriger werden.
DOMRADIO.DE: Donald Trump will Militär an die Südgrenze der USA schicken. Die Soldaten sollen die "katastrophale Invasion ins Land abwehren". Wie erleben Sie die Situation in Florida, wo sehr viele Einwanderer leben?
Kopania: Die Situation ist herausfordernd, aber das schon seit vielen Jahren. Miami, wo meine Familie lebt, ist zu über 90 Prozent spanischsprachig. Es gibt Bereiche des öffentlichen Lebens, die sie ohne Spanischkenntnisse nicht bewältigen können. Das mindert die Chancen auf Arbeit für Menschen, die nicht Englisch-Spanisch sprechen, sondern zum Beispiel Englisch-Deutsch, wie in unserem Fall.
Das alles erzeugt Verunsicherung bei Menschen. Von daher ist es verständlich, dass hier Notwendigkeiten gesehen werden, das gesellschaftliche Leben zu ändern. Aber es gibt keine unkontrollierte Invasion von Menschen. Die zweiten und dritten Generationen, die in den USA aufwachsen, sind sehr gut integriert.
DOMRADIO.DE: Das missglückte Attentat auf ihn im Sommer hat Donald Trump religiös gedeutet. Er sei von Gott gerettet worden. So was kommt vor allem bei seinen Anhängern gut an. Bei den anderen auch?
Kopania: In den USA ist grundsätzlich die Emotion sehr wichtig. Auch in den Gottesdiensten Menschen emotional anzusprechen, wirkt in der amerikanischen Kultur sehr. Ich denke nicht, dass das auch bei Trumps Gegnern verfängt.
Aber die Politik religiös zu überhöhen, ist aus meiner Sicht grundsätzlich eine große Gefahr. Die persönliche Religiosität und den Einfluss, den Religion im Zusammenleben haben kann, für politische Zwecke zu missbrauchen, halte ich für ausgesprochen schwierig und gefährlich.
DOMRADIO.DE: Sie haben Donald Trump nicht gewählt. Warum?
Kopania: Ich habe ihn zum zweiten Mal nicht gewählt und beim zweiten Mal viel bewusster als beim ersten Mal, weil die Trump-Administration bei der ersten Wahl über den Wahlgewinn ausgesprochen überrascht war. Jetzt ist sie ausgesprochen vorbereitet.
Ich halte die Trump Administration für eine Gefahr des demokratischen Staates. Man sieht das schon an den ersten Dekreten, die erlassen worden sind. Ich war vor acht Jahren schon skeptisch, ob Trump nach seiner Amtszeit das Weiße Haus auf regulärem Wege verlassen wird. Ich bin diesmal umso skeptischer, zumal wir ja den Kapitolsturm erlebt haben. Ich mache mir Sorgen um den demokratischen Bestand der Vereinigten Staaten.
Das Interview führte Tobias Fricke.