Neustart auf dem Jakobsweg

Nun laufen sie wieder

Nach dem Totaleinbruch durch die Corona-Pandemie feiert der Jakobsweg langsam Wiederauferstehung. Ab Anfang Juli, wenn viele Herbergen wieder öffnen, kehrt der Betrieb richtig zurück. Man sitzt bereits in den Startlöchern.

Autor/in:
Andreas Drouve
Pilgerschuhe am Jakobsweg / © Philippe Glorieux (KNA)
Pilgerschuhe am Jakobsweg / © Philippe Glorieux ( KNA )

Lorenzo hieß der erste Wanderer, der nach dem Restart der Pilgerbewegung auf dem Jakobsweg in Santiago de Compostela eintraf. Wie die Digitalzeitung "Nius" und lokale Medien berichteten, ließ er sich in der zweiten Juni-Woche gleich nach der Öffnung der Provinzgrenzen innerhalb der Region Galicien von seiner Frau in die Stadt Lugo bringen. Dort begab er sich auf den sogenannten Ur-Weg, um die letzten 100 Kilometer bis Santiago zu absolvieren.

Was Lorenzo Medin und andere spanische Ankömmlinge am Sehnsuchtsziel aller Pilger nicht erhielten, war das begehrte Diplom. Das Pilgerbüro, das die Urkunden ausstellt, öffnet erst wieder am 1. Juli. Für diesen Tag ist auch die offizielle Wiedereröffnung der Kathedrale von Santiago geplant.

Am 21. Juni öffnet Spanien die Grenzen - Quarantänepflicht für Einreisende entfällt

Lorenzo hat gezeigt, dass der Anfang der Wiederauferstehung des Pilgerwesens gemacht ist. Durch die Corona-Pandemie und den Lockdown mit der über Wochen verhängten Ausgangssperre hatte es seit Mitte März komplett brach gelegen. Da Spanien am Sonntag (21. Juni) wieder die Grenzen öffnet und die Quarantänepflicht für Einreisende entfällt, ist auch der Weg für internationale Pilger frei.

Jakobsweg

Der Jakobsweg ist ein europaweites Netz von Straßen und Wegen. Seit dem neunten Jahrhundert führt er Pilger vom Baltikum über Polen, Deutschland, die Schweiz und schließlich Frankreich zum angeblichen Grab des Apostels Jakobus ins spanische Santiago de Compostela. Im Mittelalter erstreckten sich die Tagesetappen meist von einem "heiligen Ort", an dem Reliquien verehrt wurden, zum nächsten.

 © Sonja Geus (DR)
© Sonja Geus ( DR )

Die Airlines sind gerüstet; ab Deutschland fliegen sie - mehrheitlich allerdings erst ab Anfang Juli - wieder ins nordspanische Bilbao. Dort können sich Pilger auf den Küstenweg begeben oder per Bus ins Inland an den Hauptweg fahren. Bereits jetzt könnte man daheim aus Deutschland losmarschieren und losradeln; die Grenzen im Durchgangsland Frankreich sind offen.

Die Kernfragen für Pilger lauten: Wann öffnen die Herbergen die Pforten? Wie sehen die Gegebenheiten vor Ort aus? "Etwa zwei Drittel der Herbergen werden Anfang Juli wieder öffnen", sagt Enrique Valentin, Vorsitzender der "Asociacion Red de Albergues privados del Camino de Santiago", der Vereinigung privater Pilgerherbergen am Jakobsweg.

Die neuen Hygiene- und Abstandsregeln führen in den Unterkünften allerdings zu einer Reduzierung der Kapazitäten. Im Schnitt könne man von "70 Prozent" der sonst angebotenen Plätze ausgehen, so Valentin; das sei im Einzelfall "abhängig von den Räumlichkeiten".

Betten mit Wegwerflaken und Kopfkissen mit Hüllen zur Einmal-Benutzung

In welchem Umfang Herbergsküchen benutzbar sind, lässt sich schwer einschätzen. Valentin selbst betreibt am Hauptweg in der Region La Rioja im Dorf Ventosa die Herberge "San Saturnino". Es laufen bereits Reservierungen bei ihm ein, obwohl er die Öffnung "erst für Mitte Juli" anpeilt. Valentin kennt aber auch Herbergen, die schon in der vierten Juni-Woche öffnen - und andere, die es "in diesem Jahr gar nicht mehr" tun.

Was ist neu in den Herbergen? Es dürfen keine Bücher mehr ausliegen, keine Broschüren. In öffentlichen Bereichen darf man sich prinzipiell nur mit Mund-Nase-Schutz aufhalten. "Wir müssen Gelspender zur Desinfektion aufstellen und Schutzmasken vorrätig haben. Die dürfen wir aber nicht verkaufen", so Valentin zu den Behördenvorgaben. Auch müssen die Betten mit Wegwerflaken und auch die Kopfkissen mit Hüllen zur Einmal-Benutzung überzogen sein; das kann von Region zu Region variieren.

Mehrkosten und Mehrarbeit entstehen den Wirten zudem durch die Pflicht, die Gemeinschaftsduschen nach jeder Benutzung zu desinfizieren. Manche Herbergsbetreiber legen die Zusatzausgaben moderat auf die Pilger um. Massive Preiserhöhungen hält Valentin für "ein falsches Zeichen"; in seiner Herberge hebt er den Übernachtungspreis von elf auf zwölf Euro an.

Valentin geht davon aus, dass sich der Pilgerbetrieb im Lauf des Sommers "wieder normalisiert". Ein neuer Rekord wie 2019, als das Pilgerbüro von Santiago de Compostela 347.578 Urkunden ausgab, wird in diesem Jahr gewiss nicht fallen.

Pilger werden sich regelrecht auf den Jakobsweg stürzen

Doch es herrscht Nachholbedarf; die Intensität dürfte unter vielen Jakobspilgern steigen: bestimmt von Glaube, Hoffnung, spirituellem Trost und einem neuen Freiheitsgefühl. Jesus Fernandez Gonzalez, Weihbischof in Santiago, hat das im Interview der Zeitung "La Voz de Galicia" unlängst so ausgedrückt: "Ich habe den Eindruck, dass sich der Pilger regelrecht auf den Jakobsweg stürzen wird."

Quelle:
KNA