NRW-Minister Liminski wirbt für weitere Ukraine-Hilfen

"Wahre Europäer stehen in der Not bei"

Für Nordrhein-Westfalen spielt die Unterstützung der Ukraine eine große Rolle, betont Europa-Minister Nathanael Liminski. Der Chef der Staatskanzlei hat den Bischof von Odessa empfangen und appelliert an den Geist der Solidarität.

Nathanael Liminski / © Bernd Thissen (dpa)
Nathanael Liminski / © Bernd Thissen ( dpa )

DOMRADIO.DE: Sie sind als NRW-Minister für Europa und Internationales zuständig. Weshalb spielt die Lage in der Ukraine für ein deutsches Bundesland wie Nordrhein-Westfalen eine Rolle?

Nathanael Liminski (Minister für Bundes- und Europaangelegenheiten, Internationales sowie Medien des Landes Nordrhein-Westfalen und Chef der Staatskanzlei): Wenn ein Krieg inmitten von Europa tobt, dann betrifft das auch uns in Nordrhein-Westfalen, im Herzen Europas. Wir haben hier 230.000 Ukrainerinnen und Ukrainer aufgenommen.

Natürlich beschäftigt es uns, wenn Menschen einem völkerrechtswidrigen, aggressiven Angriffskrieg ausgesetzt sind. Insofern überlegen wir auch als Bundesland, was wir tun können, um den Menschen zu helfen.

DOMRADIO.DE: Sie haben sich gerade in einem Gespräch mit dem Bischof von Odessa-Simferopol, Stanislaw Szyrokoradiuk, über die Lage in der Ukraine informiert. Wo kann NRW da konkret unterstützten?

Stanislaw Szyrokoradiuk, Bischof von Odessa-Simferopol / © Gilles Bader (KNA)
Stanislaw Szyrokoradiuk, Bischof von Odessa-Simferopol / © Gilles Bader ( KNA )

Liminski: Nordrhein-Westfalen hat von der ersten Stunde dieser Vollinvasion an der Ukraine geholfen. Wir haben Hilfsgüter sowie Krankenhausbetten, Stromgeneratoren und Laptops für den Fernunterricht der Kinder geliefert. Das zeigt, dass wir auch als Land eine ganze Menge tun können, um die Not vor Ort zu lindern, neben der Hilfe für die Geflüchteten hier bei uns.

Natürlich arbeiten wir auch mit, wenn es darum geht, den Weg der Ukraine in die Europäische Union zu ebnen. 

DOMRADIO.DE: Sie haben nun mit einem Bischof gesprochen, dessen Bistum zum Teil von Russland besetzt ist. Was hat sich dadurch an Ihrer Perspektive geändert?

Liminski: Mir war es wichtig, vom Bischof zu erfahren, wie die Situation vor Ort tatsächlich aussieht und was den Menschen hilft und sie umtreibt. Die Kirche ist an vorderster Front mit dabei, wenn es darum geht inmitten der größten Unmenschlichkeit trotzdem noch Menschlichkeit zu organisieren.

Für mich als Vertreter der Landespolitik ist der Kontakt zum Bischof, aber auch mit der Caritas oder mit dem Hilfswerk Renovabis deshalb sehr wertvoll, um gemeinsam auch partnerschaftlich zu überlegen, wo sich unsere Hilfe ergänzen kann.

DOMRADIO.DE: Vor fast genau einem Jahr waren Sie als erstes NRW-Kabinettsmitglied selbst vor Ort in der Ukraine, haben unter anderem den Ort Butscha besucht, der durch ein Massaker bekannt geworden ist. Was macht das alles mit Ihnen persönlich?

Nathanael Liminski

"Die Antwort war immer: Es geht um unsere Freiheit, es geht aber auch um eure Freiheit."

Liminski: Es ist das eine, die Bilder in den Nachrichten zu sehen und intellektuell abstrakt nachzuvollziehen, worum es in diesem Konflikt geht. Es ist aber etwas anderes, vor Ort mit Pfarrern, Bürgermeistern, Soldaten und Bürgern zu sprechen und sie selber befragen zu können, was sie motiviert, in diesem Kampf "David gegen Goliath" gegen Russland jeden Morgen neu aufzustehen.

Die Antwort war immer: Es geht um unsere Freiheit, es geht aber auch um eure Freiheit.

Das geht unter die Haut und hat mich auch persönlich noch einmal motiviert, die Ärmel hochzukrempeln, in die Hände zu spucken und zu überlegen, was auch wir hier in Nordrhein-Westfalen ganz konkret jeden Tag beitragen können, damit die Ukraine diesen Krieg am Ende gewinnt. 

Nathanael Liminski

"Wir müssen an dieser Stelle klar machen, das Europa nicht nur ein Wirtschafts- oder Finanzprojekt ist."

DOMRADIO.DE: Sie stehen kurz vor der Europawahl und sind als Minister auch für Europaangelegenheiten zuständig. Gerade von Seiten der Rechtspopulisten werden die Hilfen für die Ukraine sehr in Frage gestellt. Wie geht man damit um, wenn diese kritischen Stimmen nach der Wahl in der EU erstarken?

Liminski: Wir müssen klar die Gegenposition beziehen, wir müssen an dieser Stelle klar machen, das Europa nicht nur ein Wirtschafts- oder Finanzprojekt ist, sondern Europa sich als allererstes auf Werten gründet.

Wenn diese Werte unter Feuer stehen, wie das in der Ukraine der Fall ist, dann zeigt sich der wahre Europäer daran, ob er in der Stunde der Not beisteht und mit anpackt. Insofern suche ich gerne den offenen Konflikt, die offene Auseinandersetzung mit all denen, die Europa zwar zum Mund führen, aber wahrlich nicht im Herzen tragen.

Das Interview führte Renardo Schlegelmilch.

Geschichte von Nordrhein-Westfalen

Am 23. August 1946 trat die britische Militärverordnung 46 in Kraft, mit der der nördliche Teil der früheren preußischen Provinz Rheinland und die frühere preußische Provinz Westfalen zum Bundesland Nordrhein-Westfalen zusammengefasst wurden. Ein Jahr nach Ende des Zweiten Weltkriegs und der Nazidiktatur stellte die britische Militärregierung in ihrer Besatzungszone damit die Weichen für einen demokratischen Neuanfang an Rhein und Ruhr. 1947 kam das Land Lippe als dritter Teil zum Bundesland hinzu.

Flagge mit dem Landeswappen von Nordrhein-Westfalen  / © Rolf Vennenbernd (dpa)
Flagge mit dem Landeswappen von Nordrhein-Westfalen / © Rolf Vennenbernd ( dpa )
Quelle:
DR