NRW-Antisemitismusbeauftragte besucht NS-Gedenkstelle

Zeugnis der Menschenfeindlichkeit

Die NRW-Antisemitismusbeauftragte Sabine Leutheusser-Schnarrenberger hat die NS-Gedenkstätte Ordensburg Vogelsang besucht. Sie setzt sich für ihren Erhalt ein und ruft Schulklassen dazu auf, ebenfalls Gedenkstätten zu besuchen.

Blick auf die ehemalige NS-Ordensburg Vogelsang / © Rolf Vennenbernd (dpa)
Blick auf die ehemalige NS-Ordensburg Vogelsang / © Rolf Vennenbernd ( dpa )

DOMRADIO.DE: Sie haben heute einen Rundgang gemacht durch die NS-Ordensburg Vogelsang. Was ist Ihnen da durch den Kopf gegangen?

Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (dpa)
Sabine Leutheusser-Schnarrenberger / ( dpa )

Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (NRW-Antisemitismusbeauftragte): Ich war an einem Täter-Standort, der der Kader-Schulung des Führerkults diente. Es erschüttert, wenn man auf dieses große Gelände kommt, diese riesigen Gebäude sieht und einem, in der sehr imponierenden und beeindruckenden Ausstellung, vor Augen geführt wird, wie hier diejenigen ausgebildet wurden, die im Auftrag von Hitler Menschen exekutiert haben.

DOMRADIO.DE: Eine dieser Dauerausstellung heißt 'Bestimmung Herrenmensch'. Da wird einem schon allein beim Namen ganz anders, oder?

Leutheusser-Schnarrenberger: Da spricht der ganze Rassismus aus diesem Begriff. Und genau das wurde vermittelt, in riesigen Gebäuden mit unglaublich großen Räumlichkeiten, wo die Kameradschaft kräftig mit Alkohol begossen wurde und dadurch auch ganz bewusst eine Dynamik des Zusammengehörigkeitsgefühls erzeugt wurde. Es wird einem eiskalt, wenn man sieht, dass hier auch viele junge Menschen mit dieser Ideologie indoktriniert wurden, gewissenlos eingesetzt wurden und dieses Mörderhandwerk dann später, ohne Zweifel gehabt zu haben, vollbracht haben.

DOMRADIO.DE: Die Burg Vogelsang ist ein Ausstellungs- und Bildungszentrum, wo daran erinnert werden soll. Das soll auch der Antisemitismus-Prävention dienen. Was für einen Eindruck haben Sie von dieser Erinnerungsarbeit gewonnen? Wie wird sie umgesetzt?

Leutheusser-Schnarrenberger: Es wird sehr gut vermittelt, wie Personen aus der Mitte der Gesellschaft zu Mördern geworden sind und wie das an solchen Stellen, es gibt ja nur wenige NS-Ordensburgen, umgesetzt wurde. Es sollen viele junge Menschen erreicht werden. Aus der Umgebung kommen viele Schülerinnen und Schüler hierher. Die Dauerausstellung ist gut besucht. Ich denke, man macht hier gute und wichtige Erinnerungsarbeit. Hier wird einem beigebracht was für eine Ideologie hinter dem Dritten Reich stand; was für eine menschenverachtende, menschenfeindliche Gesinnung, den jungen Menschen vermittelt wurde, die den Zweck hatte viele Menschen aus der Gesellschaft auszugrenzen und umzubringen. Das muss man heute auch sehen. Heute ist der Antisemitismus, der Rassismus in Deutschland immer sichtbarer und deshalb ist das so wichtig, für unsere Verantwortung in der Zukunft.

DOMRADIO.DE: Sie sind seit vier Jahren NRW-Antisemitismusbeauftragte und koordinieren solche präventiven Maßnahmen zur Antisemitismus-Bekämpfung. Gehört der Erhalt von Burg Vogelsang dazu?

Leutheusser-Schnarrenberger: Auf alle Fälle gehört der Erhalt von Vogelsang und der Ordensburg dazu. Es ist auch interessant, dass es hier eine sehr internationale Prägung gibt und viele Interessenten aus den Niederlanden, aus Belgien, herkommen. Die vielen verschiedenen Angebote und Formate sind vielsprachig. Ich sehe meine Aufgabe auch darin, das noch weiter bekannt zu machen, zu vernetzen, um möglichst viel Resilienz gegen Antisemitismus zu erzeugen.

DOMRADIO.DE: Sie haben mit Verantwortlichen der Maßnahmen für das Förderprojekte NRWeltoffen gesprochen. Was berichten die Ihnen von Ihrer Arbeit? Hat die sich verändert in den letzten Jahren?

Leutheusser-Schnarrenberger: NRWeltoffen ist ein Kooperationspartner, wie viele andere Einrichtungen auf diesem weitläufigen Gelände. Deren Arbeit ist ganz entscheidend. Heute haben wir viele, auch verbale Angriffe gegen die Weltoffenheit, gegen die Pluralität. Umso wichtiger ist es, dass dieses Engagement gezeigt wird. Das ist für mich beeindruckend, was dort in vielfältiger, unterschiedlicher Form passiert.

Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, NRW-Antisemitismusbeauftragte

"Antisemitismus negiert das Menschenbild, das dem Grundgesetz zugrunde liegt, nämlich die Würde eines jeden Menschen zu achten. Genau die tritt der Antisemitismus mit Füßen."

DOMRADIO.DE: Es wird immer mal wieder diskutiert, ob man Besuche in KZ-Gedenkstätten für Schulklassen verpflichtend machen sollte. Würden Sie so einen verpflichtenden Besuch in der NS-Ordensburg Vogelsang sinnvoll finden?

Leutheusser-Schnarrenberger: Ich halte es für sinnvoll, dass jeder Schüler, jede Schülerin während der Schulzeit, egal auf welche Schule sie geht, eine Gedenkstätte besucht. Es können nicht alle Schülerinnen und Schüler Vogelsang besuchen, aber Vogelsang ist eine von vielen guten Gedenkstätten in NRW. Diese Besuche sollten konsequent umgesetzt werden. Das ist auch genau das, was das Bildungsministerium propagiert. Das wurde durch die Pandemie unterbrochen, aber ich denke, jetzt muss man alles tun, im Rahmen der Einhaltung von Vorkehrungen möglicher Infektionen, um diese Besuche wieder intensiv zu betreiben.

DOMRADIO.DE: Der Ministerpräsident von Nordrhein Westfalen, Hendrik Wüst, hat gesagt Antisemitismus bedrohe nicht nur die Menschen, sondern auch unsere Demokratie. Inwieweit bedroht Antisemitismus unsere Demokratie?

Leutheusser-Schnarrenberger: Antisemitismus negiert das Menschenbild, das dem Grundgesetz zugrunde liegt, nämlich die Würde eines jeden Menschen zu achten. Genau die tritt der Antisemitismus mit Füßen. Und damit arbeitet er gegen das, was Gegenstand unserer Verfassung für unser demokratisches Zusammenleben ist. Und von daher hat der Ministerpräsident vollkommen recht mit dieser Aussage.

Das Interview führte Uta Vorbrodt.

Quelle:
DR