DOMRADIO.DE: Wie reagieren die Menschen in Nordirland auf den Tod der britischen Monarchin?
Donal McKeown (Katholischer Bischof der Diözese Derry): Man muss ehrlich sagen, dass es auf der einen Seite viele Leute in allen Kirchen und außerhalb von den Kirchen gibt, die die Königin geschätzt haben und sagen, dass sie eine gute Frau, eine christliche Frau war. In dem Sinn hat sie sehr viel für ihr Land geleistet. Aber in Nordirland haben wir das Problem der Zugehörigkeit zum Vereinigten Königreich oder eben nicht.
Nordirland ist eine gespaltene Insel, eine gespaltene Provinz, ein gespaltenes Land. Viele Leute schwärmen für die Königin. Andere sagen, dass ihnen die Königin egal ist. Das hat man auch bei der Beerdigung gemerkt.
Aber das Grundproblem in Nordirland war nie theologisch, sondern hat eher mit der Zugehörigkeit zu tun, also von denjenigen, die sich irisch fühlen und denjenigen, die sich eher mit England und Großbritannien verbunden fühlen.
Das sieht man auch bei meiner Diözese Derry. Dreiviertel davon gehört zu Nordirland und ein Viertel zur Republik Irland. Das heißt, wir haben zwei Währungen, zwei Regierungssysteme und zwei Schulwesen.
Wir sind eine gespaltene Insel. Das hat man auch bei der Beisetzung von der Königin gemerkt. Diejenigen, die für die Queen geschwärmt haben, haben jetzt geweint. Andere haben sich einfach nur über den freien Tag gefreut.
DOMRADIO.DE: Die Queen ist auch Oberhaupt der anglikanischen Kirche gewesen. Wie stand denn die katholische Kirche in Nordirland zur Queen? Gab es da eine feste Meinung?
McKeown: Eigentlich nicht. In England und Wales gibt es die Staatskirche, die anglikanisch ist. In Schottland gibt es keine Staatskirche. Auch in Nordirland gibt es keine Staatskirche. Aber Nordirland hat immer noch eine große katholische Minderheit. Man könnte vielleicht von 45 Prozent der Bevölkerung sprechen. Aber was heißt katholisch? Das hat eher mit dem Zugehörigkeitsgefühl zu tun als mit der Theologie oder den Inhalten des katholischen Glaubens.
In dem Sinn spielt der neue König als Oberhaupt der englischen Staatskirche keine große Rolle für die katholische Kirche und auch nicht für die protestantischen Kirchen in Nordirland. Obwohl die anglikanische Kirche in Nordirland ihren Hauptsitz sogar in Dublin hat. Aber eine offizielle Rolle für Kirchen gibt es in Nordirland nicht. Und die Verbindung von Charles mit der anglikanischen Kirche, mit dem reformierten Glauben macht uns als Katholiken eigentlich nichts aus.
DOMRADIO.DE: Charles III. ist jetzt der neue König und hat vergangene Woche auch Nordirland besucht. Wie finden ihn die Menschen in Nordirland?
McKeown: Ja, er ist ein netter Mann, aber... (lacht). Als Prince of Wales hatte er Verbindungen mit verschiedenen Teilen der britischen Armee, die für Nordirland zuständig waren. Man hat ihn eher durch politische Augen gesehen und die waren nicht besonders positiv. Er hat eine Rolle zu spielen. Aber ich könnte nicht sagen, dass viele der Nationalisten in Nordirland für Charles III. schwärmen.
Er hat wie gesagt eher eine politische Rolle als eine theologische Rolle zu spielen. Aber ich glaube, das wirkliche Problem für das Vereinigte Königreich ist ein anderes: Solange das Königreich in der EU war, blieb es als Königreich zusammen.
Es kann gut sein, dass der Brexit zum Auseinanderfallen des Vereinigten Königreichs führen kann. Denn Schottland wollte die EU nicht verlassen, die Nordiren wollten auch nicht austreten. Mit diesem Problem muss sich Charles und muss sich die britische Regierung jetzt auseinandersetzen.
Das Interview führte Julia Reck.