DOMRADIO.DE: Wie haben Sie die Exkursion der etwa 50 Studenten der Kölner Hochschule für Katholische Theologie (KHKT) zum deutschen Soldatenfriedhof Ysselsteyn erlebt?
Dr. Everard de Jong (Weihbischof im Bistum Roermond und Apostolischer Administrator der Niederländischen Militärordinariats): Es war ein hoffnungsvolles Treffen mit vielen interessierten jungen Leuten. Einige der Teilnehmer waren das erste Mal auf einem solchen Friedhof. Das hat Gefühle und Erinnerungen hervorgebracht – auch bei den jungen Menschen, die den Zweiten Weltkrieg nicht selbst erlebt haben. Es ist sehr gut, dass nun diese Theologie-Studenten, die durch ihre Arbeit später einmal viele Menschen erreichen werden, diesen Ort besucht haben.

Sie haben sich den Fragen von Leben und Tod, von Sinn und Unsinn des Krieges gestellt. In der Andacht, die wir gemeinsam gefeiert haben, stellte ich die Frage: Warum sind diese vielen jungen Männer gestorben? Bei amerikanischen Soldaten kann man ihnen danken, dass sie Europa befreit haben, aber die deutschen Soldaten waren auch Täter.
Aus meiner Sicht sind sie in eine unheilvolle Ideologie hineingezogen worden. Da stellt sich sehr stark die Frage nach Schuld und Unschuld. Mir wird da sehr bewusst, wie schwach der Mensch ist. Das Treffen in Ysselsteyn war eine Mahnung zum Frieden und ein Plädoyer dafür, Konflikte gewaltlos zu lösen.
DOMRADIO.DE: Der Anlass für die Exkursion der KHKT nach Ysselsteyn war der 8. Mai, der 80. Jahrestag des Endes des Zweiten Weltkriegs. Begehen Sie diesen Tag auch in den Niederlanden?
De Jong: Wir feiern den 5. Mai als Tag der Befreiung der Niederlande und am Vortag wird der Toten gedacht. Der 8. Mai ist der Tag der deutschen Kapitulation, aber das wird in unserem Land nicht gefeiert. Mir war daher erst gar nicht bewusst, dass es ein ganz bedeutender Tag ist, an dem die Exkursion stattgefunden hat. Es war sehr treffend, an diesem Tag hier auf dem Soldatenfriedhof zu sein.
DOMRADIO.DE: Wie gehen Sie in den Niederlanden mit einem solchen Ort um? Denn es ist ja ein Friedhof der früheren Feinde.
De Jong: Ich bin sehr froh, dass es hier ein Besucherzentrum gibt, aber es kommen leider nicht so viele Menschen hierher. Zwar besuchen Schulklassen aus der Umgebung Ysselsteyn und es gibt auch ein großes Gedenken am Tag der Befreiung mit den Amerikanern. Man müsste den Soldatenfriedhof aber noch viel bekannter machen.

Ich bin seit mehr als 25 Jahren Weihbischof hier im Bistum Roermond, aber erst nach einigen Jahren im Amt habe ich von diesem Ort erfahren. Denn auch für Niederländer wäre es wichtig zu sehen, wie sinnlos Krieg und Gewalt sind. Der Ort kann eine Mahnung für heute sein, nicht einfach mit den Massen mitzulaufen und zu tun, was alle machen.
DOMRADIO.DE: Sie sind aber nicht nur Weihbischof in Roermond, sondern auch verantwortlich für die Militärseelsorge.
De Jong: Genau, das ist eine schöne Kombination. Die Militärseelsorge ist auch heute noch wichtig, denn jeder Soldat ist ein Mensch und benötigt Zuwendung. Es gibt manchmal auch Kritik daran, nach dem Motto, unser Dienst sei ein Segnen der Waffen oder so etwas. Das weise ich aber entschieden zurück. Menschen brauchen Seelsorge und eine Stärkung in der Schwachheit, auch im Krieg. Außerdem halten sich niederländische Soldaten an hohe ethische Standards wie die Genfer Konvention. Sie dürfen also keine Kriegsverbrechen verüben.
DOMRADIO.DE: Vor 80 Jahren wurde der Zweite Weltkrieg beendet. Welche Botschaft geht vom größten deutschen Soldatenfriedhof in Ysselsteyn aus?

De Jong: Wir müssen uns für den Frieden einsetzen und unsere Jugend zum Frieden erziehen. Dazu kann auch eine solche Exkursion beitragen. Wichtig ist aber auch zu betonen: Die Kirche lehrt, dass man sich verteidigen darf, wenn man angegriffen wird. Die zahllosen toten jungen Soldaten zeigen aber eindrücklich, dass sich Gewalt eigentlich nicht lohnt.
Die Kirche kann als universale Organisation viel zum Frieden in der Welt beitragen. Dabei darf man aber nicht blauäugig sein: In den Weltkriegen haben Christen gegen Christen gekämpft. Es schockiert mich immer wieder, dass der Glaube bei vielen Menschen nur oberflächlich in ihr Herz eingedrungen ist.
Das Interview führte Roland Müller.