Neun Euro für Arbeit in der Kleiderkammer

Sorgt Caritas für Altersarmut?

Die Caritas möchte für einfachste Hilfstätigkeiten künftig nur noch neun Euro pro Stunde zahlen. Nun regt sich Widerstand unter den Mitarbeitern. Thomas Schwendele, Sprecher der Mitarbeiter, erklärt den Protest.

Mitarbeiter in einer Kleiderkammer (KNA)
Mitarbeiter in einer Kleiderkammer / ( KNA )

domradio.de: Manche werden sich über ihren Protest wundern, immerhin sind neun Euro ja mehr als der Mindestlohn, der jetzt kommen wird. Sind neun Euro nicht genug?

Schwendele: Erstens haben die Dienstgeber da eine Formulierung drin 'zum Beispiel‘. Da kann man alles Mögliche dann auch drunter packen, wenn man so einen Tarif gestalten würde. Zum Zweiten haben wir letztes Jahr eine Kollegin von der Katholischen Arbeitnehmerbewegung bei uns gehabt und die hat uns einen Mindestlohn vorgerechnet von dem auch ein ganz klein bisschen in die Altersvorsorge gehen könnte. Der müsste bei mindestens 9,70 Euro liegen, und wir haben damals schon als Mitarbeiterseite der Arbeitsrechtlichen Kommission des Caritasverbandes einen Mindestlohn von 9,70 Euro gefordert sowie auch die KAB (Anmerk.d.Red.: Katholische Arbeitnehmer-Bewegung). Also schon von daher sind diese neun Euro unter der Forderung, die wir selber aufgestellt haben. Das Zweite ist, dass wir unseren Tarif im Dritten Weg gestalten. Wir stehen auch zum Dritten Weg, aber Dritter Weg heißt bei uns Grundorientierung am Tarifvertrag des Öffentlichen Dienstes. Dort gibt es eine solche Gruppe nicht und unsere Sorge ist, dass unsere Dienstgeber hier einen Angriff auf das Gesamtsystem der Orientierung am Öffentlichen Dienst starten und damit unsere gesamte Struktur in Frage stellen.

domradio.de: Die Argumente der Arbeitgeberseite sind ja, dass man mit dem hier gesparten Geld mehr Fachkräfte anwerben könnte. Wie könnte man stattdessen dem Mangel an Fachkräften begegnen?

Schwendele: Ich denke es ist eine ganz wichtige Offensive, die jetzt auch die Politik erkannt hat, dass man jetzt auch den gesamten Pflegebereich in der Gesellschaft deutlich höher wertschätzt. Es kann nicht sein, nur weil es ein Frauenberuf ist, dass der hinten runterfällt im Verhältnis zum produzierenden Gewerbe, und hier erwarten wir von der Caritas als einem ganz großen Player insgesamt einen Politikwechsel. Der gesamte Sozial- und Gesundheitsbereich heißt inzwischen Gesundheitsmarkt und man spricht von Sozialbranche. Diese ganze Wettbewerbsrhetorik tut unserer Arbeit überhaupt nicht gut, und wir erwarten, dass sich die Caritas mal deutlich kritischer aufstellt und die Politik fragt, ob diese Richtung überhaupt noch stimmt. Unsere Kolleginnen und Kollegen sagen 'Ihr könnt doch die unteren Vergütungsgruppen nicht einfach abhängen'. Wenn Tariferhöhung, dann Tariferhöhung für alle.

domradio.de: Die Caritas nennt sich ja größter sozialer Arbeitgeber in Deutschland. Inwiefern macht sie sich denn eigentlich unglaubwürdig, wenn  sie einerseits Politik und Wirtschaft vor Altersarmut warnt und sich für Gerechtigkeit einsetzt – aber gleichzeitig selbst einen neuen Niedriglohn schafft?

Schwendele: Die Frage ist berechtig und wir kontern:'Finger weg von dem Bereich!‘. Wir sagen 'Dienstgeber deutscher Caritasverband, lass uns gemeinsam auf die Politik zugehen!‘. Wir haben das im Mindestlohn schon gemacht, wir fordern gemeinsam einen Mindestlohn in der Pflege, dass der erneuert wird, auch deutlich höher ausfallen muss. Wir brauchen weniger Wettbewerbsorientierung und schon gar nicht über die Gehälter der unteren Vergütungsgruppen. Wir brauchen eine neue Pflegepolitik, da hat die Politik wohl jetzt auch in der neuen Koalition auch ein bisschen dazugelernt. Wir hoffen, dass dieser Kelch an uns vorübergeht, dass wir die unteren Vergütungsgruppen absinken müssen, sondern dass wir die Dienstgemeinschaft als solche insgesamt höher bewerten können.

domradio.de: Meinen Sie denn die Arbeitgeberseite der Caritas wird da Gesprächsbereitschaft zeigen?

Schwendele: Wir haben in Baden-Württemberg, in Bayern, in Niedersachsen ganz vernünftige Bewegungen - zusammen mit der Diakonie und Verdi  - und überlegen wie man dem Dumping in der Sozialbranche begegnet. Indem man Mindestlöhne festsetzt, indem man den Wettbewerb begrenzt, indem man wieder vernünftige Marktregeln einsetzt und nicht sagt 'Der Billige, der macht‘s dann schon‘. Sondern die soziale Arbeit ist ihren Wert wert und das muss die Gesellschaft auch mittragen. Da haben wir ganz vernünftige Gesprächspartner auch auf der Dienstgeberseite.

Das Interview führte Christian Schlegel.


Quelle:
DR