Neujahrsbotschaften der deutschen Bischöfe

Das Kreuz als rettender Fallschirm

Veränderungen in der Kirche, der Umgang mit Flüchtlingen, wiederverheiratet Geschiedene - in ihren Neujahrsbotschaften sprechen die deutschen Bischöfe eine Vielzahl von Themen an. Hier finden Sie eine Übersicht.

Kölner Dom (dpa)
Kölner Dom / ( dpa )

"Wir brauchen heute wirklich einen skandalfesten Glauben!", betonte Joachim Kardinal Meisner in seiner Predigt beim Jahresabschlussgottesdienst im Kölner Dom. Der Kölner Erzbischof erwähnte zum Beispiel die Turbulenzen um den Bau des Bischofshauses in Limburg und warnte vor einer Vorverurteilung des dortigen Bischofs.

Kardinal Meisner beklagte eine immer gottloser werdende Gesellschaft. In dem Maße, wie sich die Menschen von Gott entfernten, werde auch die gesamte Welt immer gottloser, sagte er. Die Erde, die den Menschen als Paradies überantwortet wurde, sei zu einem "ausgebeuteten Steinbruch geworden, in dem wir nicht mehr Luft holen können und die Wälder vor lauter Gift sterben müssen".  Doch auch bei diesem Sturz der Welt in die Tiefe gebe es Hoffnung. Gott lasse seine Welt und den Menschen nicht los, sagte der Kardinal.

Das Kreuz sei unser "rettender Fallschirm", der die fallende Welt auffange, so Meisner. Es sei "das Anhängsel, das uns mit Gott verbinde und vom Absturz rette". Das Kreuz werde auch im kommenden Jahr in unserem Leben als Halt nicht fehlen, versprach der Kardinal.

Kardinal Marx: Kirche darf sich nicht einmauern

Der Münchner Kardinal Reinhard Marx hat eine neue Debattenkultur in der Kirche angemahnt. Gleichzeitig erteilte der Erzbischof in seiner Silvesterpredigt Forderungen nach Uniformität eine Absage. "Wir brauchen einen geistlichen Austausch und den Mut, verschiedene Meinungen miteinander in Verbindung zu bringen", sagte Marx. Die Zeichen der Zeit seien im Lichte des Evangeliums zu lesen.

"Wir dürfen uns nicht einmauern und in einen Häuserkampf begeben, um die vermeintlich feindliche Welt abzuwehren, sondern wir sollen das Evangelium neu zum Strahlen bringen."

Er habe den Eindruck, "dass wir uns auf Dinge konzentrieren, die am Rande liegen", erklärte der Erzbischof von München und Freising im Münchner Liebfrauendom weiter. Papst Franziskus indes wolle, dass die Kirche den Kern des Glaubens, die Menschwerdung und die Auferstehung Christi in den Mittelpunkt stelle. In seinem Apostolischen Schreiben "Evangelii gaudium" (Freude des Evangeliums) werde deutlich, dass das Evangelium eine Quelle der Freude sei, "die wir uns nicht nehmen lassen dürfen, nicht durch Streit, Diskussionen, Skandale".

Gleichzeitig würdigte Marx den Rücktritt von Benedikt XVI. als "revolutionären Akt in der Geschichte der Kirche". Er habe dem emeritierten Papst versichert, dass "wir in seiner Heimat diesen Schritt als Akt verantwortlicher Freiheit sehen und dass wir ihm verbunden bleiben". Das Pontifikat des Bayern werde nachhaltig wirken. Mit Franziskus sei der Kirche ein neuer Papst "voller Schwung, Begeisterungsfähigkeit, neuen Ideen und Herzenswärme" geschenkt.

Der Kardinal erinnerte zudem an den Ausbruch des Ersten Weltkriegs vor 100 Jahren. Das Geschehen lehre, das persönliche Leben und das in der Gemeinschaft, Politik und Kirche in Verantwortung und Freiheit zu gestalten. "Wir wollen nicht wie Schlafwandler sein", sagte Marx mit Verweis auf den britischen Historiker Christopher Clark. Dieser schrieb, die Akteure seien wie Schlafwandler, ohne Sinn für Verantwortung, in jeweils ihrem kleinen Kreis gefangen gewesen. Die Gläubigen müssten "hellwach, sensibel und aufmerksam" dafür sein, was in den Herzen der anderen passiere. Es dürfe keine Selbstgerechtigkeit geben, forderte der Kardinal.

Zollitsch warnt vor Rückfall Europas in überholte Nationalismen

Der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Robert Zollitsch, warnt vor einem Rückfall Europas in überholte Nationalismen. "Bauen wir weiter an diesem Kontinent des Friedens, an einer Welt der Verständigung, der Solidarität und der Nächstenliebe!", sagte der Erzbischof am Dienstag im Jahresschlussgottesdienst im Freiburger Münster nach einem vorab verbreiteten Redetext. Auch die Aufnahme Deutschlands in die europäische Familie nach dem Zweiten Weltkrieg sei möglich geworden, "weil die Gegner von einst uns in Freundschaft wieder in die Völkerfamilie integriert haben und in Wort und Tat zur Versöhnung bereit waren."

Zollitsch erinnerte zugleich an die aktuellen Opfer von Gewalt, Verfolgung und Krieg, etwa in Syrien, im Südsudan und im Nahen Osten. "Auch Anschläge wie die im Irak und im Libanon lassen uns fragen: Wo ist der Frieden?", fügte der Erzbischof hinzu. Er habe die große Hoffnung, dass der geplante Besuch von Papst Franziskus im Heiligen Land im kommenden Jahr "jene Hoffnung auf Frieden schenkt, die die Menschen in jener Region schon so oft verloren haben". Zollitsch würdigte Papst Franziskus zugleich als "Geschenk Gottes an die Kirche".

Mit Blick auf den Bau großer Sportstätten für die Olympischen Spiele oder die Fußballweltmeisterschaft im kommenden Jahr warnte Zollitsch vor der Ausbeutung von Menschen aus Prestigegründen. "Das widerspricht gänzlich dem olympischen Geist! 'Fairplay' hat auch im Umfeld der sportlichen Spiele zu gelten", erklärte der im kommenden Jahr aus dem Amt scheidende Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz.

Zum Hunger in der Welt sagte Zollitsch: "Es ist höchste Zeit, der ungerechten Verteilung der Güter und Lebensmittel massiv entgegen zu treten; Es kann nicht sein, dass Millionen von Menschen verhungern, während bei uns Lebensmittel achtlos weggeworfen werden."

Zollitsch kritisierte zudem die Missachtung der menschlichen Würde, "gerade auch die der unzähligen Frauen, deren Körper zum Objekt wird, die zu Prostitution gezwungen und durch Vergewaltigung gedemütigt werden". Zollitsch verurteilte dabei den Konsum von Pornografie.

Zollitsch wies auch auf die Schattenseiten der modernen Kommunikationsmittel hin. Bei allen Chancen und Vorteilen gebe es hier die Gefahr, "unter dem Deckmantel der Anonymität Menschen zu verleumden, bloß zu stellen und grundlos vorzuverurteilen". Es seien hier "Trainingslager des konstruktiven Dialogs" nötig, "Schulen des aufmerksamen Hörens und des wertschätzenden Gesprächs". Zollitsch: "Denn wie viele Auseinandersetzungen nehmen ihren Anfang mit verbaler Entgleisung und hasserfülltem Reden." 

Ackermann: Überkommene Denkmuster überschreiten

Ein Ziel der Trierer Bistumssynode ist es nach den Worten von Bischof Stephan Ackermann, "überkommenen Denkmuster zu überschreiten", um einen neuen Blick auf die Wirklichkeit in der Diözese zu bekommen. Am Silvesterabend sagte Ackermann im Trierer Dom, die Synode solle "gemeinsame Sehschule" sein. Dabei gehe es nicht nur um eine geistig-intellektuelle Auseinandersetzung mit der Welt, sondern auch um eine geistlich-spirituelle Betrachtung.

Mitte Dezember fand die erste Vollversammlung der Diözesansynode statt. Für das Bistum mit rund 1,5 Millionen Katholiken ist es die erste Versammlung dieser Art seit 57 Jahren. Deutschlandweit fand die letzte Diözesansynode vor 23 Jahren statt. Beobachter messen dem auf zwei Jahre angelegten Prozess Modellcharakter für die Kirche in Deutschland bei. Gemäß Kirchenrecht ist eine Diözesansynode eine Versammlung von Klerikern und Laien eines Bistums, die den Bischof beraten soll. Der Synode gehören 163 Laien und 117 Geistliche an. 39 Prozent der Synodalen sind Frauen, so viele wie noch nie bei einer derartigen Versammlung.

Erzbischof Schick: Glaubenszeugnis im Alltag statt Eventkultur

Der Bamberger Erzbischof Ludwig Schick hat zu mehr Glaubenszeugnissen im Alltag aufgerufen. Wenn etwa Eltern ihren Kindern ein Kreuzzeichen auf die Stirn gäben, sei dies oft mehr wert als manche Predigt eines Pfarrers, sagte Schick in seiner Silvesterpredigt im Bamberger Dom. Das Bekenntnis "Ich glaube" in der Familie, vor Bekannten und Arbeitskollegen stärke den eigenen Glauben. Auch Gebete am Morgen, am Abend und bei Tisch seien ebenso wichtig wie die Teilnahme am Sonntagsgottesdienst.

Gleichzeitig sprach sich Schick gegen eine Eventkultur in der Kirche aus. "Eine Event-Mentalität lässt den Glauben nicht reifen", so der Erzbischof in seiner Jahresabschlusspredigt. Stattdessen brauche es Regelmäßigkeit und Treue. Auch die Beichte müsse wieder zum festen Bestandteil des Lebens gehören. "Wir brauchen Versöhnung miteinander und mit Gott und immer wieder Neuanfang, sonst verfallen wir dem Unschuldswahn, einem Laissez faire oder der Tatsache, dass doch alles gut ist, oder der Mittelmäßigkeit, die nichts voranbringt", sagte Schick.

Kardinal Lehmann wirbt für Reformen in katholischer Kirche

Der Mainzer Kardinal Karl Lehmann hat in seiner Silvesterpredigt Reformen in der katholischen Kirche angemahnt. Sie seien etwa im Blick auf das kirchliche Verständnis von Sexualität, Ehe, Familie und besonders der Empfängnisregelung sowie der Bewertung der Homosexualität "wahrhaftig notwendig", sagte Lehmann am Dienstagabend im Mainzer Dom. Man dürfe aber "nicht überall globale Antworten bis ins Detail erwarten", sondern müsse auch "die Einheit und Wahrheit des Glaubens bewahren".

Die katholische Kirche müsse insbesondere auf Menschen aus "gebrochenen Beziehungen" zugehen, sagte der Mainzer Bischof. Es komme zunächst darauf an, dass diese Menschen, ob wiederverheiratet oder nicht, "einen fraglosen Platz in der Kirche behalten oder bekommen". Sie seien "nicht einfach exkommuniziert".

Die Frage einer "Beheimatung" sei noch wichtiger als eine schlichte Zulassung zum Eucharistieempfang, betonte Lehmann. Außerdem sei es wichtig, die einzelnen Situationen von Menschen aus "gebrochenen Beziehungen" zu unterscheiden. Dann werde man zu tragbaren Lösungen vor allem in Einzelfällen kommen können, sagte Lehmann.

Der Kardinal riet auch dazu, die Probleme im Kontext der Homosexualität nicht auszuklammern. "Dass Menschen, ohne verheiratet zu sein, füreinander eintreten und sich enger aneinander binden, was ja nicht einfach nur durch die Ausübung der Sexualität geschieht,hätte man schon früher in vieler Hinsicht günstiger beurteilen und erleichtern können", sagte er. Es sei allerdings ein "fragwürdiger Weg", so Lehmann, wenn man zur Stützung dieser Lebensgemeinschaften, besonders wenn sie primär sexuell orientiert seien, die Ehe und die Familie als das auch für sie geltende Modell heranziehe.

Kardinal Woelki dringt auf anderen Umgang mit Flüchtlingen

Der Berliner Kardinal Rainer Maria Woelki hat ein Umdenken in der europäischen Flüchtlingspolitik angemahnt. In seiner Predigt zum Jahresabschluss in der Berliner Sankt Hedwigs-Kathedrale sagte der Erzbischof, das Flüchtlingsthema könne nicht ignoriert oder allein Einreiseländern wie Italien oder Griechenland überlassen werden. Die langjährigen Kategorien Kriegs- oder Wirtschaftsflüchtling passten heute "ganz einfach nicht mehr genau", fügte er laut Manuskript hinzu.

Viele der Flüchtlinge hätten ihre Heimatländer verlassen, weil sie dort für sich und ihre Familien keine Zukunftschancen mehr sähen, sei es durch Armut, Krieg oder wegen sozialer und ökologischer Missstände. Die Menschen, die nach Europa kommen, wünschten sich wie auch die Menschen hier eine Chance auf Zukunft.

Letztlich gehe es um die Frage, wie Armut und Reichtum in der Welt verteilt sind und ob es vertretbar sei, dass die westlichen Länder den Reichtum vor allem für sich beanspruchen. "Wir müssen in Europa und weltweit dazu bessere Antworten finden als nur schärfere Grenzkontrollen", mahnte der Kardinal.

Erzbischof Becker: Gott nimmt sich Zeit

Der Paderborner Erzbischof Hans-Josef Becker hat zum Jahreswechsel zu mehr Gelassenheit aufgerufen. Weil die ablaufende Zeit nicht festzuhalten sei, hätten viele Menschen Angst, zu kurz zu kommen oder etwas zu verpassen, sagte Becker am Dienstagabend im Paderborner Dom. Gott habe der Zeit den giftigen Stachel der Vergänglichkeit und auch der Versäumnis gezogen. Wer dem Tun Gottesvertraue, habe Zeit genug. Das Entscheidende hänge nicht mehr von einem selbst ab, sondern sei mit der Geburt Jesu geschehen.

Mit dem Kommen Jesu werde die Zerrissenheit überwunden, sagte Becker laut Redetext. Weil Gott sich für die Menschen Zeit nehme, liege in jedem neuen Tag die Chance, eine Zeit des Friedens und derinneren Ruhe zu werden: "Gott hat die Zeit von Grund auf geheilt."

Becker ermutigte zudem dazu, "die leisen Töne der Zeit zu ahnen und zu vernehmen, um rechtzeitig für die anstehenden Aufgaben gewappnet zu sein". Dazu brauche es Menschen, die Ohren und Augen offen halten, die die Zeichen der Zeit richtig deuten, deren Mahnungen nicht ungehört verhallen. Berufene Propheten gehörten nicht einer vergangenen Zeit an, sondern könnten zu jeder Zeit auftreten.

Bischof Genn fordert stärker nach außen wirkende Kirche

Münsters Bischof Felix Genn hat eine mehr nach außen in die Gesellschaft wirkende Kirche gefordert. In seiner Silvesterpredigt am Dienstag zitierte er Dietrich Bonhoeffer, der schon 1944 gesagt habe, die Kirche müsse aus ihrer Stagnation herauskommen. "Wir müssen auch wieder in die freie Luft der geistigen Auseinandersetzung mit der Welt. Wir müssen auch riskieren, anfechtbare Dinge zu sagen, wenn dadurch nur lebenswichtige Fragen aufgeführt werden."

Er frage sich, ob die Gesellschaft heute nicht eine zweite Aufklärung notwendig habe, sagte der Bischof. Die Kräfte der Vernunft allein reichten vielleicht nicht aus, um menschliches Leben zu gestalten und zu sichern. Vielmehr bedürfe es wohl "gerade des Lichts, das der Glaube schenkt, um über unsere tiefe Wahrheit als Menschen aufzuklären, vom Glauben her den Schlüssel zu empfangen, die großen Fragen der Menschheit zu lösen", so Genn in der Münsteraner Lamberti-Kirche.

Auch Papst Franziskus fordere die Christen auf, sich ihrer Sendung bewusst zu werden und mit Freude das Evangelium zu verkünden, sagte der Bischof. Dies sei keineswegs nur eine Aufgabe für die Geistlichen, sondern ebenso für die Laien. "Mission ist die Wesensgestalt der Kirche. Kirche ist Mission", betonte Genn.

Für das neue Jahr erwartet Genn weitere Prozesser des Wandels in der Kirche. Diese lebe in Zeiten gewaltiger Umbrüche, so der Bischof. Strukturen, Wertevorstellungen und selbst die kirchliche Lehre würden hinterfragt, wandelten sich und bedürften der Begründung. "Dieser Prozess scheint mir nicht abgeschlossen und wird im neuen Jahre weitergehen." 

Bischof Overbeck für Reformen in der Kirche

Ruhrbischof Franz-Josef Overbeck plädierte in seiner Neujahrsbotschaft für eine Reform der Kirche. In Zeiten eines radikalen gesellschaftlichen Wandels müsse auch die Kirche radikal anders werden.

Das zurückliegende Jahr habe deutlich gemacht, dass "Kirche unter völlig neuen Bedingungen" gelebt werden müsse. Das verlorene Vertrauen in die Kirche zeige, dass neue Formen und eine passende Sprache nötig seien, die den Glauben in der heutigen Zeit für Menschen erfahrbar machten. Der Maßstab alles Handelns müsse sein, Menschen die Berührung mit Gott zu ermöglichen.

Bischof Overbeck wies auf Papst Franziskus hin, der eine "programmatische Neuausrichtung" der katholischen Kirche bewirke. Der neue Papst plädiere für eine offene und barmherzige Kirche, die sich den Menschen an den Rändern zuwende.


Quelle:
DR , KNA , epd , dpa