Neues Buch von Bestattungsexperten: "Traut Euch zu trauern!"

Bestattungskultur im Fokus

"Der Trauer eine Heimat geben!", forderten schon in den 90ern der Pionier einer neuen Bestattungskultur, Fritz Roth, und die Journalistin Sabine Bode. Jetzt hat Bode mit Roths Sohn David eine Fortsetzung geschrieben.

Autor/in:
Sabine Kleyboldt
 (DR)

Früher wurde das "letzte Hemd" in den Schrank gelegt - als Erinnerung an die eigene Sterblichkeit. Das Totenhemd des 21. Jahrhunderts scheint dagegen chancenlos gegenüber der trügerischen Botschaft von der Unsterblichkeit des modernen Menschen. Umso wichtiger ist daher ein lebendiger Umgang mit dem Tod, schreiben der Bestatter David Roth und die Journalistin Sabine Bode in ihrem neuen Buch. Titel: "Das letzte Hemd hat viele Farben".

Damit führen die Autorin und der Trauerbegleiter Roth die Gedanken von dessen Vater Fritz Roth fort. Dieser hatte schon vor Jahrzehnten eine andere Art der Trauerkultur gefordert und dazu ein Buch veröffentlicht - ebenfalls gemeinsam mit Bode, die vor allem bekannt wurde durch ihre Bücher über das Schicksal von Kriegskindern.

Ort für ihre individuelle Trauer

"Wir sterben und trauern, wie wir leben: vereinzelt und ohne gesellschaftlich bindende Formen in einer Kultur, die uns die Toten stiehlt", kritisiert David Roth, der seit dem Tod seines Vaters 2012 zusammen mit seiner Schwester das Bestattungsunternehmen in Bergisch Gladbach bei Köln führt. Fritz Roth hatte dort das "Haus der menschlichen Begleitung" gegründet, das Hinterbliebenen einen Ort für ihre individuelle Trauer bieten soll. In den "Abschiedsräumen" können Menschen nach ihren Bedürfnissen Gefühle zum Ausdruck bringen, den Sarg bemalen, ihre Verstorbenen ankleiden, ihnen Briefe schreiben, Musik hören, tanzen, ein Gebet sprechen.

Es gibt keine Anleitung für "richtiges Trauern", weil es so einzigartig wie jeder Mensch ist, so die Autoren. "Man muss den toten Vater, das tote Kind sehen, fühlen, riechen", raten sie den Hinterbliebenen. Und: "Traut Euch zu trauern!" Doch das scheint noch immer eine Herausforderung in einer Zeit, in der Jugendwahn und Selbstoptimierung Konjunktur hätten, während religiöse Botschaften weniger Gehör fänden.

Breites Angebot an Trauerbegleitung

"Diese Entwicklung stellt auch die Kirchen vor neue Herausforderungen, wenn beispielsweise Gebete und Riten nur noch von einer kleinen Zahl von Trauergästen verstanden werden", so die Autoren. Auch brechen sie eine Lanze für Rituale und anderes an selbstverständlicher Trauerkultur, was die Gesellschaft verlernt habe. So gebe es mit zunehmender Säkularisierung beispielsweise immer weniger Totenmessen oder Jahresgedächtnisfeiern. Doch auch diese können den Angehörigen Halt geben.

Inzwischen besteht zwar laut David Roth ein breites Angebot an Trauerbegleitung. "Auch die Trauerforschung als Zweig der Psychologie und Medizin hat sich fortentwickelt." Dennoch seien Trauernde häufig großer Rat- und Verständnislosigkeit ihres Umfelds ausgesetzt, beklagen die Autoren. Noch immer werde der Tod aus der Gesellschaft verdrängt; Sparpreisbeerdigungen oder anonyme Beisetzungen seien auf dem Vormarsch.

Erfahrungsbericht rührt zu Tränen

Doch es geht auch anders. Sabine Roth hat Menschen befragt, die mit dem Verlust eines geliebten Angehörigen in besonderer Weise umgegangen sind. Mancher Erfahrungsbericht rührt zu Tränen. Zum Beispiel der von Katrin und Daniel, die ihren Sohn durch den "plötzlichen Kindstod" verloren haben. Ihr ebenso schmerz- wie liebevolles Abschiednehmen von Paul gipfelt in einem regelrechten Fest - weil es dem fröhlichen Kind entsprochen hätte, wie Katrin feststellt. Oder die Geschichte des 30 Jahre alten todkranken Christian, der die Taufe seines Sohnes Levi 2011 auch als eigenes Abschiedsfest von seinen Freunden gestaltete. Bis heute zünden seine Eltern jeden Tag eine Kerze für den verstorbenen Sohn an. Und der kleine Levi sagt, dass er oft mit seinem Papa spricht.

Früher hätten sich die meisten Hinterbliebenen so ein Verhalten nicht getraut, meinen die Autoren. Ganz nach Sigmund Freud habe die Meinung vorgeherrscht, Angehörige müssten lernen, ihre Toten loszulassen. Doch Freud und die Psychoanalyse irrten, sind Bode und Roth überzeugt: Zwar beende der Tod das Leben, aber nicht die Beziehung zu dem Verstorbenen. Insofern sei jede Geschichte, die im Buch erzählt wird, ein Geschenk von Hinterbliebenen, um Trauernden Mut zu machen zum eigenen, lebendigen Umgang mit dem Tod.


Quelle:
KNA