Neues Buch beschreibt das Leben von Nonnen im Mittelalter

Läuse, Lebkuchen und Liebesbezeugungen für Christus

Ganze Generationen gebildeter, streitbarer und geschäftstüchtiger Nonnen sind von der modernen Geschichtsschreibung ausgelassen worden, sagen zwei Historikerinnen. Sie geben ihnen in einem neuen Buch eine Stimme.

Autor/in:
Christiane Laudage
Ordensfrauen unterwegs / © Dziewul (shutterstock)

Die Hälfte derer, die im Mittelalter in ein Kloster eintraten, waren Frauen. Nonnen waren ein wichtiger Teil dermittelalterlichen Gesellschaft, schreiben die beiden Historikerinnen Eva Schlotheuber und Henrike Lähnemann in ihrem gerade erschienenen Buch "Unerhörte Frauen.

Die Netzwerke der Nonnen im Mittelalter". Sie schätzen die Nonnen als "unerhört wirksam" ein und bedauern es sehr, dass die Frauen eigentlich immer unterschätzt wurden.

"Bräute Christi"

"Ihre Gemeinschaften waren oftmals mächtige Institutionen,und sie sahen sich selbst in einer höchst einflussreichen Position, da sie durch ihre Lebensform 'Bräute Christi', also zukünftige Gemahlinnen des 'höchsten Königs' waren und damit wie niemand sonst sein Ohr hatten", erklären die Historikerinnen.

Im Mittelalter waren die Menschen fest davon überzeugt, dass Gott die Gebete der Ordensfrauen erhörte. Damit erhielten sie "einen besonderen Status, der sich politisch und wirtschaftlich, auf jeden Fall gesellschaftlich und kulturell manifestierte".

Das Leben im Kloster war als Alternative zur Ehe für die Frauen und ihre Familien also hochattraktiv, stellen Schlotheuber und Lähnemann fest. Denn die Aufnahme in einem Konvent "ermöglichte den Mädchen den Zugang zu gelehrter Bildung und eine Karriere in verantwortungsvollen Leitungsämtern". Aber das galt nicht für jedes junge Mädchen. Praktisch waren die Möglichkeiten durch den Stand der Familie bestimmt, aus der sie stammten. Nur wenn die Familie über das Geld für eine Art Aussteuer besaß, konnte ihre Tochter ein Leben als Nonne führen, erklären die Historikerinnen.

Guter Ruf eilt voraus

Die entscheidende Voraussetzung, ein bestimmtes Kloster auszuwählen, war der guter Ruf der Gemeinschaft, wie die beiden Autorinnen feststellen, schließlich beruhte darauf das ökonomische Überleben der Gemeinschaft. Nur wenn das Kloster gut beleumundet war, hätten die Familien aus der Gegend Stiftungen getätigt, ihre Töchter dort hingegeben oder sich dort begraben lassen. Überhaupt war das Beten für die Toten und die Pflege der Familiengrabstätten eine der wichtigsten Aufgaben der Nonnen.

Wie sah das Leben in einem Kloster aus? Dazu werteten die beiden Historikerinnen Schlotheuber und Lähnemann die Briefsammlung der Benedikterinnen vom Kloster Lüne aus, die knapp 1.800 Briefe aus der Zeit von 1460 bis 1560 umfasst. In diesen Briefen verhandeln die Frauen "ein weites Spektrum an Themen aus Alltag und Festtag, von Lobbyarbeit über theologische Debatten bis hin zu Trost- und Beratungsschreiben".

Tagebuch einer Zisterziensern

Die Historikerinnen greifen auch auf das Tagebuch einer Braunschweiger Zisterzienserin zurück, deren Name nicht bekannt ist. Sie lebte gegen Ende des 15. Jahrhunderts im Zisterzienserinnenkloster Heilig Kreuz und starb wahrscheinlich 1507 wie auch viele andere Nonnen in ihrem Kloster an der Pest. Die Tagebuchschreiberin arbeitete sehr nachhaltig: Sie kratzte den Text eines alten Gebetbuchs vom Pergament ab, um ihn für ihre Zwecke nutzen zu können. Manchmal nähte sie auch kleine Pergamentstücke zusammen oder – wie es manche Sparfüchse noch heute machen – sie beschrieb die Rückseite alter Briefe.

Unbefangene Berichte einer Nonne 

Weil sie kein Amt in der Hierarchie des Klosters einnahm, stellt die Braunschweiger Zisterzienserin mit ihrem Tagebuch eine der seltenen Stimmen dar, so Schlotheuber und Lähnemann, "die nicht nur aus der Innenperspektive eines Konvents über das Leben hinter den Klostermauern berichten, sondern ganz unbefangen auch über Dinge sprechen, die den Nonnen problematisch erschienen oder die einfach schiefgelaufen waren." Zu ihren Themen gehörten auch Läuse, Lebkuchen und Liebesbezeugungen für Christus.

Ihre Stimmen mögen vielleicht lange Zeit nicht gehört worden sein, aber die Frauenklöster haben ein reiches Erbe hinterlassen, erklärendie Historikerinnen. Neben der musikalischen und materiellen Kultur zählen dazu große Bildteppiche, Skulpturen "bis hin zurmittelalterlichen Architektur, von der sich in Deutschland mehr als in den meisten anderen europäischen Ländern erhalten hat".

Quelle:
KNA