Neuer Oberst der Schweizergarde tritt Dienst an

Fit für den neuen Auftrag

An diesem Montag hat der neue Kommandant der Päpstlichen Schweizergarde, Oberst Daniel Anrig, sein Amt im Vatikan angetreten.
Nach seiner Ankunft in Rom äußerte sich der 36-jährige Schweizer Jurist im Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur zu seiner neuen Aufgabe.

Autor/in:
Johannes Schidelko
Daniel Anrig: Kommandant der Päpstlichen Schweizergarde (KNA)
Daniel Anrig: Kommandant der Päpstlichen Schweizergarde / ( KNA )

KNA: Oberst Anrig, nach einem Juristen wird wieder ein Jurist Kommandant der Schweizergarde. Zufall oder Bedacht?

Anrig: Es ist schwer zu beurteilen, was sich die Wahlinstanz gedacht hat. Ich gehe von einem Zufall aus, denn eine juristische Ausbildung gehört nicht zum Anforderungsprofil. Allerdings ist juristisches Denken nicht schlecht für diese Führungstätigkeit - wie es auch von Vorteil wäre, Ökonom zu sein.

KNA: Warum wechselt ein Jurist und Polizeichef in den Vatikan, zur Schweizergarde? Was reizt Sie an der Aufgabe?

Anrig: Schon durch meine Vergangenheit - ich war zwischen 1992 und
1994 als Gardist im Vatikan - habe ich eine emotionale Nähe zur Garde und zur Kirche, die bis heute intensiv geblieben ist. Ich sehe es als besondere Aufgabe, an dieser Stelle im Zentrum der Kirche dienen zu dürfen. Ein weiterer Motivationsgrund ist für mich die Arbeit mit Menschen, mit jungen Schweizern. Von meinen Idealen und meinen Lebensvorstellungen her lohnt es sich heute wie damals, sich für die Kirche und auch für die Garde voll und ganz einzusetzen.

KNA: Worin besteht Ihre Aufgabe?

Anrig: Die Aufgabe eine Kommandanten ist und bleibt - egal ob bei der Schweizergarde, bei einem Polizeikorps oder einer Militäreinheit
- die Führung. Es geht darum, ein Team auf das gleiche Ziel auszurichten und es für die zu erfüllende Zielsetzung zusammenzuschweißen. Mein Kernauftrag besteht darin, 110 Mann auf das gleiche Ziel, den Schutz des Papstes, auszurichten. Das bedingt eine operative Führungstätigkeit, aber auch eine innerbetriebliche Führung.

KNA: Setzen Sie ganz auf Kontinuität?

Anrig: Als Kommandant der Schweizergarde kann und will ich nicht mit dem programmatischen Anspruch antreten, etwas total Neues oder Anderes zu wollen. Das Korps besteht seit mehr als 500 Jahren. Jeder Kommandant hat eine historische Verantwortung, die er im Kontext dieser 500 Jahre zu erfüllen hat. Daher geht es für mich zunächst darum, gut zuzuhören, und zu verstehen, welche Problemstellungen vorliegen. Für mich ist ganz klar: Was erneuert wird, muss in der Kontinuität der 500 Jahre erfolgen.

KNA: Wo sehen Sie die primären Herausforderungen der Garde?

Anrig: Unser wichtigster Auftrag ist, für die Sicherheit des Heiligen Vaters da zu sein. Diesen Auftrag müssen wir in einer Gesellschaft erledigen, die vom Massentourismus und generell von hoher Mobilität geprägt ist. Das hat Rückwirkungen für die Sicherheit des Papstes, und das muss ich den Mitarbeitern der Schweizergarde bewusst machen. Zugleich leben wir in einem Zeitalter der Kommunikation und Information. Daraus ergeben sich ebenfalls Sicherheitsfragen, deren man auch in einem 500 Jahre alten Korps bewusst sein muss. Und für diese Aufgaben unter diesen Vorgaben muss ich genügend gut qualifizierte junge Schweizer finden, die sich für den Dienst hier motiviert fühlen.

KNA: Zu den Dauerthemen im vatikanischen Sicherheitsbereich gehört die Aufgabenteilung zwischen Schweizergarde und Gendarmerie. Haben Sie hierzu bereits klare Vorstellungen?

Anrig: Ich konnte dieses Dauerthema nicht als Problem wahrnehmen, weil ich bislang nicht hier gelebt und gearbeitet habe. Nach dem neuen Regelwerk für die Schweizergarde von 2006 und dem für die Gendarmerie von 2008 sind die Aufträge klar. Es kommt darauf an, dass sich jeder Kommandant auf sein Gebiet konzentriert und zusieht, dass er seinen eigenen Auftrag gut erfüllt - und nicht den, den der andere erledigen sollte. Und wenn man sich auf seinen Auftrag konzentriert, wird sicher auch die Zusammenarbeit funktionieren. Im übrigen sind wir Schweizer gewohnt, in einer föderalen Struktur mit unterschiedlichen Organisationen zu arbeiten. Das ist für uns ein Vorteil. Auch ich war bislang in einem föderalen Polizeisystem und bin es gewohnt, mit anderen Organisationen zusammenzuarbeiten.

KNA: Werden Sie hier die Belange der Garde gegebenenfalls auch energisch durchsetzen?

Anrig: Es geht nicht darum, die Belange der Garde durchzusetzen, sondern sich auf seinen Kernauftrag zu konzentrieren. Und wenn wir diesen Job gut machen, bin ich überzeugt, werden alle unseren Auftrag respektieren. Im übrigen hatte ich bereits eine herzliche, sehr freundliche Begegnung mit dem Kommandanten der Gendarmerie. Ich freue mich persönlich sehr auf die Zusammenarbeit mit ihm.

KNA: Für Schlagzeilen sorgten im Vorfeld Ihres Amtsantritts Medienberichte über eine Drogenrazzia, für die Sie als Polizeichef in Glarus verantwortlich waren. Wie stehen Sie im Rückblick dazu?

Anrig: Als damaliger Chef der Kriminalpolizei hatte ich einen gerichtspolizeilichen Auftrag zu erfüllen - und den, meine ich, habe ich erfüllt. Polizeiarbeit wird und kann unterschiedlich beurteilt werden, das ist durchaus legitim. Dass ich als Chef mal im Zentrum einer Beurteilung von außen stehe, ist für mich eigentlich normal.
Die Lehren, die ich damals ziehen durfte, werden mir sicher auch hier nützen. Denn auch die Garde wird mal kritisiert und mal gelobt werden. Das gehört nun mal zur Führungsverantwortung.

KNA: Haben Sie bei Ihrer Familie große Überzeugungsarbeit für den Wechsel nach Rom leisten müssen?

Anrig: Bei mir liegt eine etwas spezielle Ausgangslage vor. Als ich von 1992 bis 1994 als Hellebardier bei der Schweizergarde war, habe ich hier meine Frau kennengelernt. Sie hat meine ganze berufliche Entwicklung mitgemacht. Die Rückkehr zur Garde ist damit auch eine Rückkehr an den Ursprung unserer Partnerschaft. Daher war für sie das Mittragen dieser Entscheidung einfach. Von unseren vier Kindern haben sich die beiden älteren zunächst kritisch geäußert. Es bedurfte einer Familienreise nach Rom, damit sie sich öffnen und ihre Ängste überwinden konnten.

KNA: Was hat jene Zeit als Hellebardier bei der Schweizergarde im Vatikan für Sie bedeutet?

Anrig: Rückblickend waren die beiden Gardejahre für mich die prägendsten Jahre meines privaten wie beruflichen Lebens. Über die private Seite habe ich soeben gesprochen. Aber man wird auch reifer in diesem Dienst, man kann sich für Sichtweisen öffnen, die man in seiner früheren Umgebung nicht so wahrgenommen hat. Auch beruflich habe ich sehr von dieser Zeit profitiert: was Disziplin oder Auftragsorientierung anbelangt, dass man sich in ein Kollektiv eingliedert und im Kollektiv versucht, einen beruflichen Erfolg zu haben. Das ist auch mit der Grund, dass ich mich auf meine neue Aufgabe freue.

KNA: Wie ist die Grundbefindlichkeit des neuen Kommandanten zum Amtsantritt?

Anrig: Er konzentriert sich stark und fühlt sich fit für den neuen Auftrag.