Neue Synagoge für Speyer eingeweiht

Jüdisches Gotteshaus an historischem Ort

Sieben Jahrzehnte nach der Auslöschung der jüdischen Gemeinde durch die Nationalsozialisten hat Speyer, eine der historisch wichtigsten jüdischen Gemeinden Europas, wieder eine Synagoge. Das neue Gotteshaus ist eine umgebaute katholische Kirche. "Wenn wir jetzt eine ehemalige Kirche bereitstellen können, dann ist das für uns ein ganz wichtiges und gutes Ereignis", so Bischof Wiesemann kurz vor der Eröffnungsfeier im domradio.de-Interview.

Autor/in:
Michael Jacquemain
 (DR)

Wulff: Aufblühendes jüdisches Leben ist ein Geschenk

Bundespräsident Christian Wulff bezeichnete bei der Einweihung das wieder aufblühende jüdische Leben in Deutschland als ein Geschenk. Der 9. November erinnere an das grausamste Kapitel der deutschen Geschichte und sei aber auch ein mutmachender Tag der Zuversicht und der Hoffnung, sagte Wulff am Mittwochabend in Speyer. "Wir freuen uns darüber, dass neue Synagogen gebaut werden, dass in diesen Synagogen gebetet wird und das Gotteslob erklingt."



Der israelische Generalkonsul Tibor Shalev-Schlosser rief dazu auf, rechtsextreme und antisemitische Tendenzen entschlossen zu bekämpfen. Der Austausch von deutschen und israelischen Jugendlichen solle gefördert werden. Der Vorsitzende der Europäischen Rabbinerkonferenz, Pinchas Goldschmidt, appellierte, die Ausbildung von jüdischen Geistlichen in Deutschland zu unterstützen. Nur dann werde den neuen jüdischen Gemeinden "Leben eingehaucht".



Zur wachsenden jüdischen Gemeinde Speyers gehören wie überall in Deutschland vor allem Aussiedler aus der früheren Sowjetunion. In der Rheinpfalz macht ihr Anteil 93 Prozent aus. 1996 hatte eine erste Gemeindeversammlung stattgefunden, zehn Menschen kamen. Und von Anfang an gab es den starken Wunsch der heute 644 Gemeindemitglieder, wieder eine eigene Synagoge zu haben.



1104 entsteht die erste Synagoge

Der Name Speyer besitzt in der jüdischen Welt Symbolkraft. 1104, zur Zeit des Salierkaisers Heinrich IV., wurde die erste Synagoge eingeweiht, nachdem Bischof Rüdiger 1084 Juden in die Stadt geholt hatte, die aus Mainz fliehen mussten. Die damals entstandene Synagoge war der älteste jüdische Sakralbau nördlich der Alpen.



Gemeinsam mit den jüdischen Gemeinden in Worms und Mainz bildete Speyer die SchUM-Städte. Abgeleitet ist der Name des 1220 geschlossenen Bündnisses aus den hebräischen Anfangsbuchstaben der drei Rheinstädte. Die damaligen Beschlüsse aus "Schpira", "Warmaisa" und "Magenza" sind größtenteils bis heute maßgebend für das gesamte europäische Judentum. Vor allem Speyer, das "Jerusalem am Rhein", galt als europäisches Zentrum jüdischer Gelehrsamkeit. Ganz wesentlich trugen die Juden vom 11. bis 13. Jahrhundert zum Aufschwung der Stadt bei. Laut Daniel Nemirovsky, dem Geschäftsführer der Kultusgemeinde, wissen deren Mitglieder, dass sie "in große Fußstapfen treten müssen".



Mit den jüdischen Wurzeln in der Pfalz setzt sich das im Vorjahr ebenfalls am 9. November eröffnete Museum SchPIRA auseinander. Gezeigt werden auf 80 Quadratmetern archäologische Stücke. Die Ausstellung ist eine Ergänzung zum Judenhof im Herzen der Altstadt unweit des Kaiserdoms, wo Exponate zu den wichtigsten Säulen des jüdischen Gemeindelebens zu sehen sind: Synagoge, Friedhof und Ritualbad, das älteste erhaltene in Mitteleuropa.



Grundstein wird vor genau drei Jahren gelegt

Auch der Ort für das neue jüdische Gotteshaus hat eine große historische und religiöse Vergangenheit - allerdings eine christliche: Im Mittelalter befand sich dort eines der vier großen geistlichen Stifte der Stadt. Im vergangenen Jahrhundert ging das inzwischen neu erbaute Gotteshaus in den Besitz der Spiritaner über. Als der katholische Orden 1991 die Niederlassung wegen mangelnden Nachwuchses aufgeben musste, wurde zunächst die Diözese Speyer Eigentümerin. Sie verkaufte den Komplex mitsamt Kirche Anfang 1999, weil sich in unmittelbarer Nähe ein anderes katholisches Gotteshaus befindet.



Der Grundstein für die neue dreigeschossige Synagoge wurde genau vor drei Jahren, am 9. November 2008, und damit 70 Jahre nach der Zerstörung der alten während der sogenannten Reichskristallnacht gelegt. Der Frankfurter Architekt Alfred Jacoby, ein Spezialist für Synagogenbauten, integrierte die Sankt-Guido-Kirche von 1935 ebenso in das Baukonzept wie die Fundamente der mittelalterlichen Stiftskirche. Die Kosten von rund 3,5 Millionen Euro tragen die Jüdische Kultusgemeinde der Rheinpfalz, das Land Rheinland-Pfalz sowie die Stadt Speyer.