Neue Gewalt gegen religiöse Minderheit in Syrien

Drusen in Gefahr?

Im Drusengebiet im Südwesten Syriens gibt es neue Gewalt. Die religiöse Minderheit berichtet über Gräueltaten radikaler sunnitischer Milizen. Israel warnt Damaskus vor einer Eskalation. Auch Menschenrechtler sind alarmiert.

Denkmal mit einer Fahne in den Farben der Drusen in der drusischen Stadt Madschdal Schams (Israel;Syrien) in den von Israel besetzten Golanhöhen / © Andrea Krogmann (KNA)
Denkmal mit einer Fahne in den Farben der Drusen in der drusischen Stadt Madschdal Schams (Israel;Syrien) in den von Israel besetzten Golanhöhen / © Andrea Krogmann ( KNA )

Experten warnen vor weiteren tödlichen Auseinandersetzungen in Syrien. Lokalen Quellen zufolge wurden bei neuen Kämpfen bereits über 200 Drusen getötet, wie die Internationale Gesellschaft für Menschenrechte am Donnerstag in Frankfurt berichtet.

Aktuell eskaliere die Situation in Gebieten der drusischen Minderheit im Gebiet der Stadt Suweida im Südwesten des Landes. Videos im Internet zeigten, wie drusische Zivilisten von islamistischen Milizen gedemütigt werden. Das medizinische Personal im Nationalkrankenhaus in Suweida habe angesichts des katastrophalen Zustands dringend um Hilfe gebeten.

"Die neuen syrischen Machthaber und die mit ihr verbündeten islamistischen Rebellen treiben die Islamisierung des Landes gewaltsam voran", erklärte der Sprecher der deutschen Sektion der Gesellschaft für Menschenrechte, Valerio Krüger. Die Regierung verlegte laut Mitteilung Armee-Einheiten in die Provinz und ließ Wohngebiete beschießen. Militärische FPV-Drohnen, per Kamerabrille gegen einzelne Personen gesteuerte Fluggeräte, werden demnach gegen lokale drusische Milizen eingesetzt.

Fehlende Korridore für humanitäre Hilfe

UN, EU und Regionalmächte müssten Druck auf Syrien zur Beendigung der neuerlichen Gewalt in dem seit Jahren von militärischen Auseinandersetzungen geprägten Land ausüben, forderte die Organisation. Auch Korridore für humanitäre Hilfe seien notwendig.

Wallfahrt der Drusen in Israel / © Ariel Schalit (dpa)
Wallfahrt der Drusen in Israel / © Ariel Schalit ( dpa )

Israel habe bereits den Schutz der Drusen als eine nationale Priorität bezeichnet und der syrischen Regierung ein Ultimatum gestellt. Zu Wochenbeginn startete Israels Armee Raketenangriffe auf Panzer der syrischen Armee, als diese sich südlich von Damaskus in Richtung Suweida bewegten, eine überwiegend drusische Stadt mit rund 65.000 Einwohnern. Dutzende Fahrzeuge der syrischen Armee seien zerstört worden, hieß es. Die Regierung in Damaskus machte geltend, die syrische Armee habe in Suweida eingegriffen, um die Ordnung wiederherzustellen.

Ministerpräsident Benjamin Netanjahu und Verteidigungsminister Israel Katz drohten mit harten Konsequenzen, falls drusische Zivilisten zu Schaden kämen oder syrische Streitkräfte weiter in die Region vorrückten. Netanjahu telefonierte laut Bericht auch mit dem Führer der drusischen Gemeinschaft in Israel, Scheich Muwafak Tarif. Israels Armee teilte am Mittwoch mit, man beobachte die Entwicklung in der Region sehr genau.

Kirche in Brand gesetzt?

Christliche Quellen berichteten zudem, die sunnitischen Kämpfer hätten auch die griechisch-orthodoxe Michaels-Kirche in Suweida getroffen und in Brand gesetzt. Bilder im Internet zeigen schwere Brandschäden. Diese Angaben waren jedoch zunächst nicht unabhägig zu überprüfen.

Die aktuelle Welle der Gewalt begann nach drusischer Darstellung am Sonntag. Am Dienstag gab es Berichte, dass fast 100 Drusen von sunnitischen Milizen erschossen und erstochen worden seien. Im Internet kursierten drastische Videos von verstümmelten Leichen, von Schlägen und Demütigungen angeblicher drusischer Gefangener. Die Bilder lösten Demonstrationen unter den Drusen in Israel aus.

Sunniten sehen Drusen als Ketzer

Die Drusen sind eine aus dem ismailitisch-schiitischen Islam hervorgegangene Glaubensrichtung mit mystisch-esoterischen Elementen. Auch eine eigenwillige Deutung des Koran trennt sie von Muslimen. Sunnitische Extremisten betrachten die Drusen als Ketzer und werfen ihnen vor, mit dem früheren Assad-Regime kollaboriert zu haben.

Nach dem Sturz Assads durch die Rebellen im Dezember wurde im März die alawitische Gemeinschaft, der Assads Familie angehörte, Opfer von Massakern in ihrer Heimatregion im Nordwesten Syriens nahe der türkischen Grenze. Etwa 1.700 Alawiten wurden damals getötet.

Nach dem Sturz Assads übernahm Israel Gebiete auf der syrischen Seite der Grenze und stationierte dort Truppen. Israelische Luftangriffe richteten sich gegen Raketen und Waffenlager, damit diese nicht in die Hände der neuen Führung fielen. Allerdings stellt die Präsenz Israels auf syrischem Boden nach internationalem Recht einen Verstoß gegen die Souveränität des Landes dar.

Drusen

Die Drusen sind eine aus dem ismailitisch-schiitischen Islam hervorgegangene Glaubensrichtung.

Wichtige Quellen ihrer religiösen Lehre sind neben der ismailitischen und schiitischen Tradition etwa der Neuplatonismus und mystisch-esoterische Elemente. Auch ihre eigenwillige Deutung des Koran sowie der Glaube an Seelenwanderung und die Einwohnung Gottes in herausragenden Menschen trennt die Drusen von Muslimen.

Zu ihren Gründergestalten gehört der persische Prediger Muhammad ad-Darazi (11. Jahrhundert). Von ihm leitet sich der Name Drusen ab.

Vertreter der Drusen in Israel / © ChameleonsEye (shutterstock)
Vertreter der Drusen in Israel / © ChameleonsEye ( shutterstock )
Quelle:
KNA