DOMRADIO.DE: Wie bewerten Sie diesen Rückzieher des Landes quasi in letzter Minute? Woher kommt die Kehrtwende?
Tom Brandt (Ökumenisches Netzwerk Asyl in der Kirche in NRW e.V.): Es ein wichtiges und gutes Zeichen für das Kirchenasyl insgesamt, aber auch die Idee einer humanen und gerechten Asylpolitik. Es ist natürlich auch extrem wichtig für das Ehepaar. Soweit wir das richtig mitgekriegt haben, war das primär auch ein Wink der Bürgermeisterin von Viersen, die angewiesen hat, dieses Verfahren einzustellen und die Abschiebung zu stoppen.
DOMRADIO.DE: Sie vom Netzwerk Asyl in der Kirche hatten den Bruch des Kirchenrechts als absolut ungewöhnlich, unangemessen, unmenschlich angeprangert. Hat auch die öffentliche Empörung am Ende bewirkt, dass die beiden Betroffenen doch nicht zurück nach Polen mussten?
Brandt: Wir denken auf jeden Fall. Es war schon ein klares Zeichen dafür, dass das Vorgehen der Ausländerbehörde in diesen Fall als inakzeptabel zu sehen ist und auch als solches eingestuft und bewertet wurde. Der Protest ist auch auf eine breite zivilgesellschaftlichen Unterstützung getroffen.
DOMRADIO.DE: Welche Rolle kann es denn gespielt haben, dass die Frau beim ersten Versuch einer Abschiebung einen psychischen Zusammenbruch erlitten hat?
Brandt: Es hat sicherlich auch eine Rolle gespielt, weil es darstellt, unter was für einen Druck diese Menschen stehen. Und auch, wie groß die Angst vor einer Abschiebung tatsächlich war und ist. Ich finde aber man muss reagieren und handeln, bevor so etwas drastisches wie ein Zusammenbruch passiert.
DOMRADIO.DE: Denken Sie denn, dass der Viersener Fall jetzt abschreckende Wirkung haben könnte, dass also Behörden künftig mehr davor zurückschrecken werden, ein Kirchenasyl zu räumen?
Brandt: Ja, es wäre wünschenswert, dass man vor und in solchen Situationen miteinander spricht und sich die Sachlage auch genau anguckt, bevor man einfach handelt.
DOMRADIO.DE: Sehen Sie sich denn jetzt bestätigt in Ihrem Engagement für Asyl in Ihrer Kirche?
Brandt: Ich glaube, das wäre der falsche Ausdruck. Ich glaube nicht, dass wir durch eine Ation wie diese die Bestätigung brauchen. Uns motiviert es in unserer Arbeit mit den Geschichten, mit den Erlebnissen der geflüchteten Menschen konfrontiert zu sein, mit ihnen zu sprechen und sich anzuhören und anzuschauen, was ihnen in den jeweiligen Ländern passiert ist. Daraus entwickelt sich die Haltung, dass da etwas passieren muss und wir die Menschen dabei unterstützen müssen.
Das Interview führte Hilde Regeniter.