Nahost-Experte Steinbach erwartet Übergabe der Kirche in Tarsus

Wider allen Erwartungen?

Der Nahost-Experte Udo Steinbach erwartet, dass der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan demnächst die Übergabe der Pauluskirche in Tarsus an die Katholiken bekanntgeben wird. Kirchenvertreter, allen voran der Kölner Erzbischof Joachim Kardinal Meisner, verlangen diesen Schritt seit Jahren, hatten in jüngster Zeit jedoch kaum Fortschritte gesehen.

 (DR)

«Der Erhalt des griechisch-orthodoxen Priesterseminars und der weitere Umgang mit der Kirche in Tarsus sind entscheidende Nagelproben der nächsten 24 Monate für die Türkei», sagte der Orientalist am Donnerstagabend in Hamburg. «Daran wird sich erweisen, ob der Modernisierungsprozess im Land wirklich umgesetzt wird.» Alles entscheidendes Thema in der Türkei sei jedoch augenblicklich die Kurdenfrage, sagte Steinbach, der am Centrum für Nah- und Mitteloststudien in Marburg lehrt. Er äußerte sich in einem Vortrag über die Situation der Christen im Nahen Osten.

Derzeit herrscht Unklarheit darüber, ob die türkische Regierung das seit 1971 geschlossene Priesterseminar auf der Insel Chalki im Marmarameer wieder öffnet. Es ist die einzige Ausbildungsstätte für griechisch-orthodoxe Geistliche in der Türkei. Ebenso besteht ein Konflikt über die Kirche im Paulus-Geburtsort Tarsus. Während des im Juni zu Ende gegangenen Paulusjahres konnten Christen die Kirche für Gebet und Gottesdienst nutzen. Inzwischen ist sie von der Regierung wieder zum Museum erklärt worden; eine liturgische Nutzung muss drei Tage zuvor angemeldet und von der Museumsverwaltung genehmigt werden.  

Kritik an Abwanderung der Christen aus dem Irak
Steinbach sagte weiter, die Situation der Christen im Vorderen Orient sei ein «dunkles Kapitel der Geschichte des Nahen Ostens, das sich vermutlich auch nicht aufhellen wird». Deutschland werde von diesem Thema durch die Aufnahme christlicher Flüchtlinge aus dem Irak berührt. Die Europäische Union (EU) nimmt derzeit EU-weit 10.000 besonders schutzbedürftige Iraker aus Flüchtlingslagern in Syrien und Jordanien auf, davon sollen 2.500 Menschen nach Deutschland kommen. «Damit wird der Irak um 2.000 Christen ärmer, die dem Land beim Wiederaufbau und der Modernisierung des Landes fehlen werden», kritisierte Steinbach. Letztlich hätten sich «wahrscheinlich menschlich zu Recht» die Stimmen durchgesetzt, die den Flüchtlingen wieder eine Heimat ermöglichen wollten, räumte der Wissenschaftler ein.