Nach zehn Jahren fällt der Internationale Strafgerichtshof sein erstes Urteil

Quälendes Ringen um Gerechtigkeit

Der Internationale Strafgerichtshof hat den ehemaligen kongolesischen Rebellenführer Thomas Lubanga wegen Kriegsverbrechen schuldig gesprochen. Er habe im Konflikt im Kongo von 2002 bis 2003 Hunderte von Kindern als Soldaten rekrutiert und bei Kämpfen eingesetzt, urteilten die Richter am Mittwoch in Den Haag. Es ist das erste Urteil des Internationalen Strafgerichtshofs, der vor zehn Jahren seine Arbeit aufnahm.

Autor/in:
Annette Birschel
 (DR)

In seinem ersten Prozess hat der Internationale Strafgerichtshof den ehemaligen kongolesischen Rebellenführer Thomas Lubanga wegen Kriegsverbrechen schuldig gesprochen. Der 51-Jährige habe 2002 und 2003 gemeinsam mit anderen in dem bewaffneten Konflikt im Ostkongo Kinder unter 15 Jahren als Soldaten rekrutiert und bei Kämpfen eingesetzt, urteilten die drei Richter einstimmig am Mittwoch in Den Haag. Das Urteil könnte international Maßstäbe setzen.



Das Strafmaß wird nach einer weiteren Anhörung festgelegt. Die Höchststrafe ist lebenslänglich. Das Gericht sah die Schuld des Kongolesen in allen drei Anklagepunkten für den Einsatz von Kindersoldaten als erwiesen an. "Lubanga war als Präsident und Chef-Kommandant aktiv daran beteiligt und dafür verantwortlich", sagte der Vorsitzende Richter Adrian Fulford. "Er hat auch persönlich Kinder als Leibwächter benutzt."



Der in ein weißes afrikanisches Gewand gekleidete Lubanga nahm das Urteil mit unbewegtem Gesicht auf. Lubanga hat seine Schuld stets bestritten. Das Gericht wird zu einem späteren Zeitpunkt auch über eine Entschädigung der Opfer entscheiden. Die Verteidigung kann Berufung gegen das Urteil einlegen.



Verschleppte Kinder

Lubanga war Gründer und Präsident der Rebellenbewegung "Union der Kongelesischen Patrioten (UPC) und Oberbefehlshaber der UPC-Miliz "Patriotische Kräfte für die Befreiung des Kongo". Nach Ansicht der Richter ist es zweifelsfrei bewiesen, dass die UPC-Miliz die Macht in der nordkongolesischen Provinz Ituri ergreifen wollte und systematisch auch Kinder im militärischen Kampf einsetzte. Jungen und Mädchen unter 15 Jahre seien angeworben oder zum Kämpfen gezwungen worden.



Zeugen, darunter auch ehemalige Kindersoldaten, hatten ausgesagt, dass Lubangas Milizen Kinder aus ihren Häusern, aus Schulen und von Fussballplätzen in Militärlager verschleppt hätten. Viele seien mit Gewalt und Drogen zum Kämpfen gezwungen worden. "Mädchen wurden von Kommdanten und Soldaten auch sexuell missbraucht und vergewaltigt", sagte Richter Fulford. Er wies daraufhin, dass Lubanga nicht wegen sexueller Gewalt angeklagt worden war. An den Kämpfen im Kongo sollen schätzungsweise 30.000 Kindersoldaten beteiligt worden sein.



Menschenrechtler begrüßten das Urteil als ein deutliches Signal gegen den Einsatz von Kindern in bewaffneten Konflikten. "Dies ist ein Wendepunkt im Kampf gegen Straflosigkeit für die schwersten Verbrechen der Menschheit", sagte William Pace, Koordinator der Global Coalition, einem Netzwerk von über 2.500 nicht-staatlichen Organisationen. Menschenrechtsorganisationen im Kongo sprachen von einem "Sieg der Gerechtigkeit und der Menschenwürde". Unter den Zuschauern war auch die amerikanische Schauspielerin Angelina Jolie, die sich für Hilfen für Kindersoldaten einsetzt. "Dies ist der Tag dieser Kinder", sagte sie.



Vor dem Scheitern bewahrt

Lubanga war 2006 verhaftet und dem Gericht in Den Haag überstellt worden, der Prozess begann 2009. Der Kongo hatte den Fall selbst dem Haager Gericht übergeben. Das Gericht hörte insgesamt 63 Zeugen. 129 Opfer nahmen als Nebenkläger teil. Insgesamt wurden 1.373 Beweisstücke vorgelegt. Wegen Verfahrensfragen war der Prozess zweimal für Monate ausgesetzt worden und drohte zu scheitern.



Für die Verzögerung machten die Richter auch die Anklage verantwortlich. Chefankläger Luis Moreno Ocampo hatte zunächst nicht alle Beweise auch der Verteidigung zur Verfügung gestellt. Auch hatten die Richter einige Zeugen als unglaubwürdig abgelehnt.



Der Strafgerichtshof nahm vor zehn Jahren seine Arbeit auf. Das Tribunal ist das erste ständige Weltgericht zur Verfolgung von Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Völkermord. Zurzeit laufen Ermittlungsverfahren zu sieben Ländern: Uganda, Kongo, Zentralafrikanische Republik, Darfur (Sudan), Kenia, Libyen und Elfenbeinküste. Die Richter stellten 23 Haftbefehle aus, darunter einen gegen den sudanesischen Präsidenten Omar al-Baschir.