Eine Afrikanerin wird neue Chefanklägerin des Internationalen Strafgerichtshofes

Superfrau des Weltgerichts

Pathos liegt ihr nicht. Die Juristin aus Afrika ist freundlich, kompetent und unbeugsam. Fatou Bensouda kennt keine Nachsicht, wenn Menschenschinder auf der Anklagebank sitzen. Auch nicht bei Staatschefs aus Afrika.

Autor/in:
Annette Birschel
 (DR)

In der schwarzen Robe vertraut Fatou Bensouda ganz auf ihre Überzeugungskraft. Die langen schwarzen Haare trägt sie in kleinen Zöpfchen straff nach hinten gekämmt, wenn sie ihre Plädoyers hält. Nun wird die Juristin aus dem westafrikanischen Gambia neue Chefanklägerin des Internationalen Strafgerichtshofes in Den Haag. Am Montag (Ortszeit) wurde sie in New York von den 120 Mitgliedsstaaten des Gerichts gewählt. Im Juni wird sie das Amt antreten.



In diesem ersten Weltgericht zur Verfolgung von Kriegsverbrechen, Völkermord und Verbrechen gegen die Menschlichkeit ist Bensouda keine Unbekannte. Seit 2004 ist sie Stellvertreterin des bisherigen Chefanklägers, des Argentiniers Luis Moreno Ocampo. Dessen Neigung zu Pathos und Theatralik ist ihr zwar fremd. Doch sie treibt derselbe Wille zu Wahrheit und Gerechtigkeit. Ihr Motto: "Ohne Gerechtigkeit wird es auch keinen Frieden geben."



In ihrem Büro in einem ehemaligen Versicherungsgebäude in Den Haag hängt das Poster mit den 25 vom Gerichtshof gesuchten oder bereits angeklagten Menschenschindern. Darunter der sudanesische Präsident Omar al-Baschir, der ehemalige Vizepräsident des Kongo, Jean-Pierre Bemba und der inzwischen getötete ehemalige libysche Staatschef Muammar al-Gaddafi. Seit seiner Gründung 2002 hat das Weltgericht 14 Verfahren eingeleitet, alle gegen Afrikaner. Das hat ihm von afrikanischen Ländern den Vorwurf des Neokolonialismus eingebracht.



Doch mit derselben Gewissheit wie im Gerichtssaal widerspricht Bensouda diesen Vorwürfen. "Viele dieser Fälle wurden uns übertragen", sagt sie. Tatsächlich beauftragte entweder der Weltsicherheitsrat die Richter in Den Haag mit Ermittlungen oder afrikanische Staaten selbst riefen sie an.



Bensouda wurde in der gambischen Hauptstadt Banjul geboren und wuchs in einer großen Familie auf. Ihr Vater, ein Beamter, hatte zwei Frauen. "In Gambia ist Polygamie nicht ungewöhnlich." Sie lacht und dabei tanzen ihre großen goldenen Ohrringe. Das Familienleben schildert sie als harmonisch. Auch nach dem frühen Tod des Vaters hielt die Großfamilie zusammen.



Mit einem Stipendium studierte Bensouda Jura in Lagos, Nigeria. Sie spezialisierte sich auf das Seefahrtsrecht und wurde die erste Expertin ihres Landes auf diesem Gebiet. 1987 kehrte sie zurück und machte in ihrer Heimat schnell Karriere, bis sie 1998 Generalstaatsanwältin und Justizministerin wurde. Danach eröffnete sie eine eigene Anwaltskanzlei und wechselte später als Generalmanagerin zu einer Bank. Doch der Ausflug in die Privatwirtschaft dauerte nur kurz. Sie habe das Gericht vermisst, sagt die Mutter von zwei erwachsenen Söhnen und einer Adoptivtochter.



Erfahrungen beim Ruanda-Tribunal

Ihre ersten Erfahrungen mit Völkermord machte sie ab 2001 beim Internationalen Ruanda-Tribunal mit Sitz in Arusha, Tansania. Dort stieg sie schnell zur Leiterin des juristischen Expertenteams für die Verfahren zum Völkermord von 1994 in Ruanda auf. Menschenrechtler bewundern sie als "juristische Superfrau".



Auch bei den Mitarbeitern des Strafgerichtshofes wird sie wegen ihrer Kompetenz geschätzt - und wegen ihrer offenen freundlichen Art. Als Chefanklägerin des Gerichtes wird sie ihr diplomatisches Fingerspitzengefühl noch mehr brauchen. Da der Strafgerichtshof über keinen großen Apparat und keine eigene Polizei verfügt, ist er auf die Zusammenarbeit mit den Behörden der einzelnen Staaten angewiesen.



Gleichzeitig wird sie keine Gelegenheit auslassen, Staatsoberhäupter zu warnen. Denn auch sie können eines Tages auf der Anklagebank in Den Haag landen, wenn sie Verbrechen gegen die Menschlichkeit begehen, anordnen oder billigen. Es war die Afrikanische Union, die darauf drängte, dass der neue Chefankläger aus Afrika kommen soll. Doch Nachsicht können afrikanische Menschenschinder von der Afrikanerin Bensouda nicht erwarten. "Ich arbeite für die Opfer von Afrika", sagt sie. "Das macht mich stolz."