Nach einem Jahr als Erzbischof ist Heiner Koch angekommen

Ein Berliner mit Wurzeln am Rhein

Heiner Koch ist das katholische Gesicht der Hauptstadt. Nach einem Jahr im Amt hat er als Berliner Erzbischof vieles bewegt, nimmt Kontakt mit der Politik auf, äußert sich auch zu unangenehmen Dingen. Doch manche harte Nuss bleibt noch zu knacken.

Autor/in:
Gregor Krumpholz
Erzbischof Koch seit einem Jahr in Berlin / © Britta Pedersen (dpa)
Erzbischof Koch seit einem Jahr in Berlin / © Britta Pedersen ( dpa )

"Ich bin ein Berliner" - so rief der damalige US-Präsident John F. Kennedy 1963 nach Antritt seines berühmten Besuchs der Stadt. Erzbischof Heiner Koch ließ sich mehr Zeit zu einem solchen Bekenntnis. Jetzt, ein Jahr nach seinem Amtsantritt am 19. September 2015, sprach er von seinem Eindruck, "ein Teil dieses bunten Berlins" geworden zu sein. Seine Wurzeln verhehlt der gebürtige Düsseldorfer deshalb nicht.

"Zuhause bin ich in Berlin, das Rheinland bleibt meine Heimat", legte der 62-Jährige in einem Interview seiner Kirchenzeitung nach. Er beweist es, wenn er zur Karnevalszeit aus dem preußisch-nüchternen Berliner Erzbistum in den fröhlichen Trubel am Rhein entflieht.

Draht zu den Menschen

Sein volksnahes Naturell stellte Koch aber auch an Spree und Havel unter Beweis. Er wolle "berührbar sein für Sorgen und Nöte", hatte der Oberhirte von gut 400.000 Katholiken gleich zu Beginn versprochen. Wie in seinen vorangegangenen Jahren als Bischof von Dresden-Meißen fremdelt er auch nicht gegenüber Menschen, die der Kirche fernstehen. So fand er einen Draht zur Linken-Chefin Katja Kipping, ohne katholische Positionen etwa zur Abtreibung zu verleugnen.

Die Frage, wie menschliches Leben von der Empfängnis bis zum Tod am besten zu schützen ist, gerät für Koch in diesen Tagen erneut zur Bewährungsprobe. Seine Entscheidung, am "Marsch für das Leben" durch das Zentrum Berlins teilzunehmen, trifft auch auf Unverständnis.

Einer, der sich nicht vereinnahmen lässt

Kritiker befürchten, der Erzbischof könne so ungewollt zum Wahlhelfer für die AfD werden, die auf der umstrittenen Kundgebung ebenfalls präsent ist. Koch hält mit Nachdruck dagegen: "Kirche läuft nicht unter dem Banner der AfD."

Dass der Erzbischof sich nicht vereinnahmen lässt, zeigt sein vielfältiges Engagement gegen Rechtsextremismus und Rechtspopulismus.

Zuletzt bewies er es in einem "Bündnis für ein weltoffenes und tolerantes Berlin", das er mit dem evangelischen Berliner Bischof Markus Dröge und dem Deutschen Gewerkschaftsbund einging. In den vergangenen Monaten ergriff Koch zudem immer wieder Partei für Flüchtlinge.

In seinem Erzbistum ist sein Talent zum Ausgleich gegensätzlicher Standpunkte nun verstärkt gefragt.

Streitpunkt Sankt-Hedwigs-Kathedrale

So steht seine Entscheidung darüber an, inwieweit die Sankt-Hedwigs-Kathedrale bei der unbestritten erforderlichen Sanierung umgebaut werden soll. Der Architektenentwurf sieht vor, die ungewöhnliche Bodenöffnung mit Treppe zur Unterkirche zu schließen. Dies stößt auf vehementen Widerspruch der Denkmalpfleger und in Teilen des Erzbistums.

Bei aller Dialogbereitschaft scheut Koch nicht vor deutlichen Worten zurück. Wenn Umbaugegner mit Kirchenaustritt drohen, weist er dies als "nicht glaubwürdig" zurück: "Da ist die Rangfolge der Bedeutung eines solchen Gebäudes gegenüber der Bedeutung der lebendigen Kirche durcheinander geraten." Auch wer bei der bevorstehenden Weichenstellung den Kürzeren zieht, soll an dem Projekt weiter mitarbeiten, bittet der Erzbischof.

Erfolg mit der Bistumsreform

Gegenüber der Landespolitik tritt Koch ebenfalls mit klaren Erwartungen auf. Mehrfach hat er den Zustand der katholischen Hochschul-Theologie in Berlin als "absolut unbefriedigend" kritisiert und vom Senat Abhilfe eingefordert. Denn statt der ursprünglich vorgesehenen vier katholischen Lehrstühle gibt es an der Freien Universität derzeit nur zwei, von denen einer nicht besetzt ist. In seinem Drängen weiß Koch sich einig mit der Deutschen Bischofskonferenz. Sie arbeitet ebenfalls an Konzepten, wie die katholische Kirche in der Bundeshauptstadt stärker präsent werden kann.

In der von seinem Vorgänger Rainer Maria Woelki eingeleiteten Bistumsreform hat sich Kochs Begabung zum Ausgleich bereits erwiesen. Die damit verbundene Zusammenlegung von 105 Gemeinden zu 30 Großpfarreien ist nach anfänglichen Widerständen nun weitgehend geräuschlos im Gange. Nachdrücklich betont der Erzbischof, dass es dabei "nicht zuerst um finanzielle und strukturelle Fragen" gehen darf. In fast poetischen Worten wirbt er dafür, durch die Reform "das Feuer des Glaubens" neu zu entfachen. "Wenn es nicht brennt, kann kein Funke überspringen", ist Koch sich gewiss.


Quelle:
KNA