Nach der Kirche trifft es nun die Rundfunkanstalten

"Es gibt mancherorts vielleicht zu wenig Kontrolle"

Die Öffentlich-Rechtlichen werden ihre aktuelle Krise überstehen. Aber sie müssen, ähnlich wie die katholische Kirche, ihre interne Kultur verändern. Dieser Ansicht ist Hans Langendörfer, wie er in einem Interview erläutert.

Autor/in:
Ludwig Ring-Eifel
Hans Langendörfer / © Julia Steinbrecht (KNA)
Hans Langendörfer / © Julia Steinbrecht ( KNA )

Für Langendörfer, der hinter den Kulissen mehr als zehn Jahre einer der Krisenmanager der deutschen katholischen Bischöfe im Missbrauchsskandal war, gibt es Parallelen zwischen der Krise der Kirche und jener, die vor einigen Wochen zunächst im RBB ausgebrochen ist und sich dann ausbreitete.

Patricia Schlesinger / © Britta Pedersen (dpa)
Patricia Schlesinger / © Britta Pedersen ( dpa )

Die Massivität der Vorwürfe an die Adresse der inzwischen gefeuerten RBB-Intendantin Patricia Schlesinger lege für ihn die Vermutung nahe, "dass hier gerade ein Prozess abläuft, der gar nicht unähnlich dem ist, was wir in der katholischen Kirche erlebt haben".

Schweigekultur in beiden Groß-Institutionen

Als Hauptursache sieht der Jesuit eine Art Schweigekultur in beiden Groß-Institutionen. Man zeige "das Wohlverhalten, von dem man glaubt, dass es klug ist". Dadurch blieben dann Dinge "unter der Decke", die eigentlich öffentlich ausgesprochen und kritisiert werden müssten.

Dazu gehöre die ihm vom Hörensagen bekannte Praxis, "dass bei manchen Rundfunkanstalten Personen aus Produktionen abgezogen oder aus redaktionellen Zusammenhängen entfernt werden, weil sie sich zu kritisch äußern".

Symbolbild Kardinal Marx hinter Mikrofonen von Rundfunk- und Fernsehanstalten / © Robert Kiderle (KNA)
Symbolbild Kardinal Marx hinter Mikrofonen von Rundfunk- und Fernsehanstalten / © Robert Kiderle ( KNA )

Wenn so etwas "nie besprochen wird - dann explodiert es, wenn es einmal besprochen werden kann". Und weiter: "Ich glaube, darin besteht eine gewisse Ähnlichkeit zu dem, was wir im System der Kirche auch erleben. Irgendwann bekommen Menschen den Mut, den Mund aufzumachen, sich zu beklagen und Dinge öffentlich zu machen. Dann entsteht am Ende fast eine systemische Krise."

Angesichts dieser Krise wäre "das Dümmste, was man tun könnte, alles unter Verschluss zu halten". Nach Ansicht Langendörfers müssten nun "Mechanismen entwickelt werden, damit die Partizipation für die Mitarbeitenden größer wird, als sie gegenwärtig ist. Auch braucht es Mechanismen der internen Kontrolle, die weitergehen als bisher. So haben wir es in der Kirche auch gemacht. (...) Man wird nur durch eine stabile und solide Verabredung innerhalb der Sender weiterkommen."

Lange Zeit im ZDF-Fernsehrat

Langendörfer, der selbst seit 18 Jahren dem ZDF-Fernsehrat angehört, ist nicht der Meinung, das die Kontrollgremien bei der Überwachung der Anstalten versagt hätten. Es sei nicht ihre Aufgabe, sich um die Büroeinrichtung einer Intendantin zu kümmern. Die Gremien seien "im Allgemeinen ein durchaus funktionierendes System". Die Behauptung, das gesamte Konstrukt müsse neu aufgestellt werden, stimme so nicht.

Mikrofone von ARD und ZDF / © Soeren Stache (dpa)
Mikrofone von ARD und ZDF / © Soeren Stache ( dpa )

Zugleich gab Langendörfer zu bedenken: "Es gibt mancherorts vielleicht zu wenig Kontrolle und offenbar müssen Mechanismen weiterentwickelt werden. Eines der großen Themen sind dabei Compliance-Regeln."

Langendörfer äußerte sich vorsichtig zu der durch den RBB-Skandal und weitere Skandale neu belebten Debatte um eine Struktur-Reform der ARD und sagte: "Ob die ARD mit neun Landesrundfunkanstalten immer so bleiben muss, dazu möchte ich kein Urteil abgeben. Würde man da noch rationaler und rationeller arbeiten, hätte man sicher eine Menge eingespart."

Insgesamt glaubt er, das öffentlich-rechtliche System werde die aktuelle Krise überleben. Es schaffe ein programmliches Angebot mit höchster Qualität und trage zur gesellschaftlichen Integration bei.

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk müsse sich jedoch auch verändern und vor allem die digitale Herausforderung besser aufnehmen. "Aber die Grundaufgabe, einer Gesellschaft bei der Orientierung zu helfen, wird bestehen bleiben."

Zur künftigen Rolle der Kirchen in den Fernseh- und Rundfunkräten bemerkte der Jesuit, diese hänge stark davon ab, "ob die kirchlich entsandten Mitglieder in den Gremien gut arbeiten und überzeugend präsent sind". Wie viele Vertreter von welcher Religionsgemeinschaft in den Gremien vertreten sind, müsse immer wieder neu ausgehandelt werden.

Deutsche Bischofskonferenz

Die Deutsche Bischofskonferenz ist der Zusammenschluss der katholischen Bischöfe in Deutschland. Sie leiten als Ortsbischöfe eines der 27 Bistümer oder unterstützen als Weihbischöfe. Insgesamt gehören ihr derzeit 67 Mitglieder an.

Ebenfalls zur Konferenz gehören - auch wenn sie nicht Bischöfe sind - Diözesanadministratoren, die ein Bistum nach Rücktritt oder Tod eines Ortsbischofs übergangsweise verwalten.

Logo der Deutschen Bischofskonferenz auf einem Schild neben dem Eingang zum Sekretariat der DBK / © Julia Steinbrecht (KNA)
Logo der Deutschen Bischofskonferenz auf einem Schild neben dem Eingang zum Sekretariat der DBK / © Julia Steinbrecht ( KNA )
Quelle:
KNA