Muslime in Deutschland: Die Angst vorm Generalverdacht

Bringschuld und Anti-Terror-Bekenntnisse

Der Zentralrat der Muslime in Deutschland wehrt sich gegen den Vorwurf, die Muslime würden sich nicht genug im Kampf gegen den Terror engagieren. Der Zentralrat habe immer gesagt, es sei Islam- und Moslempflicht sowie Bürgerpflicht, extremistische Vorgänge zu melden, sagte Generalsekretär Aiman Mazyek am Donnerstag im Bayerischen Rundfunk.

 (DR)

Der Zentralrat der Muslime in Deutschland wehrt sich gegen den Vorwurf, die Muslime würden sich nicht genug im Kampf gegen den Terror engagieren. Der Zentralrat habe immer gesagt, es sei Islam- und Moslempflicht sowie Bürgerpflicht, extremistische Vorgänge zu melden, sagte Generalsekretär Aiman Mazyek am Donnerstag im Bayerischen Rundfunk. Er warnte davor, Muslime zu "Sündenböcken" zu machen.

Sind die Deutschen anfällig für eine Islamophobie? Prof. Kai Hafez, Orientwissenschaftler an der Universität Erfurt, über Vorurteile, Ängste und die Gefahr für den sozialen Frieden in Deutschland: das domradio-Interview. Hafez sieht eine weitverbreitete Ablehnung gegen den Islam, eine Kollektivhaft für alle Muslime.

"Viele Muslime sind eingeschüchtert"
In den vergangenen Tagen waren Forderungen von CDU, SPD, FDP und Grünen laut geworden, Muslime in Deutschland müssten sich verstärkt von terroristischen Aktionen abgrenzen. Aiman Mazyek meint, dass sich das Klima gegenüber Muslimen "sehr verschlechtert" habe und "die Signale aus Politik und Gesellschaft eher Besorgnis erregend als hoffnungsvoll" seien. "Man wird schief angesehen, auch Drohmails gehen bei uns ein." Mazyek hält es für einen Fehler, ein Verbrechen mit einer Religion in Verbindung zu bringen. "Ein Mord bleibt ein Mord, ein Mordversuch ein Mordversuch, egal welcher Religion der Täter angehört."

Mazyek sieht dadurch auch Gefahren für die Integration: "Viele Muslime sind ohnehin eingeschüchtert. Gerade die, die beruflich gut dastehen, die politisch arbeiten, in Verbänden mitmachen, deprimiert dieses feindselige Klima." Das wirke sich wieder katastrophal auf Jüngere aus, die gerade in erfolgreichen Muslimen ein Vorbild sehen könnten.

Schäuble fordert Hilfe deutscher Muslime im Antiterrorkampf
Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) und die Bündnisgrünen hatten die Muslime in Deutschland zu mehr Hilfe im Kampf gegen den Terror aufgefordert. "Die große Mehrheit der Muslime muss lauter sagen, was sie denkt - dass sie den Terror ablehnt. Er bedroht ja schließlich Muslime genauso wie Nicht-Muslime", sagte Schäuble der Wochenzeitung "Die Zeit".

Schäuble appellierte an die islamischen Verbände, im Kampf gegen die Extremisten in den eigenen Reihen mit den Behörden zusammenzuarbeiten. Mit Blick auf die für September geplante Islamkonferenz, an der auch die vom Verfassungsschutz beobachtete türkisch-nationalistische Moslemorganisation Milli Görus teilnehmen soll, unterstrich der Innenminister, jeder sei eingeladen, der Islam und europäische Wertordnung kompatibel machen wolle. Milli Görus müsse allerdings anerkennen, dass in Deutschland nur das Grundgesetz und nicht die Scharia Leitbild staatlicher Ordnung sein könne.

SPD-Politiker Wiefelspütz will von Muslimen Anti-Terror-Bekenntnis
Der innenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion im Bundestag, Dieter Wiefelspütz, hat die Muslime in Deutschland zu einem Bekenntnis gegen den Terror aufgefordert. «Die Muslime sollten deutlich artikulieren, dass sie mit Terrorismus und Extremismus nichts zu tun haben», sagte er am Donnerstag der «Netzeitung».

Wiefelspütz zeigte sich überzeugt, dass die etwa drei Millionen in Deutschland lebenden Muslime «rechtstreu und friedlich» seien und sich von Terroristen abgrenzten. Allerdings wünsche er sich, dass sie dabei selbstbewusster und deutlicher Position beziehen. Zugleich warnte der Politiker davor, die Muslime unter Generalverdacht zu stellen. Jeder oberlehrerhafte Ton sollte vermieden werden.

Wiefelspütz plädierte dafür, die für Ende September in Berlin geplante Islam-Konferenz zu nutzen, um das Verhältnis zu den Muslimen zu verbessern. Manche Feindseligkeit sei auf mangelnde Integration zurückzuführen. "Ich bin sehr zuversichtlich, dass wir Defizite abbauen können und dass die Islam-Konferenz dazu einen Beitrag leisten kann", sagte er.

FDP ruft Muslime zur Mitarbeit in der Terrorbekämpfung auf
Auch die FDP-Bundestagsfraktion rief die Muslime in Deutschland dazu auf, einen besonderen Beitrag zur Vorbeugung von Terrorgefahren zu leisten. So sollten sie etwa die zuständigen Behörden über eventuelle Hasspredigten und radikale Äußerungen in ihren Moscheen informieren und konsequent verfassungsfeindlichen Bestrebungen entgegenwirken, forderte der FDP-Innenexperte Hartfrid Wolff in Berlin. Außerdem könnten Moscheevereine durch möglichst weitgehenden Gebrauch der deutschen Sprache sowie offene Strukturen und transparente Finanzen das Vertrauen der Mehrheitsbevölkerung gewinnen, erklärte Wolff. Der FDP-Politiker betonte, angesichts von islamischen Terroristen dürfe es nicht zu einem Generalverdacht gegen Muslime kommen. Die große Mehrzahl der Muslime in Deutschland wolle mit Terror nichts zu tun haben.

Auch Grüne sehen Bringschuld der Muslime
Auch die Grünen sehen die Muslime in einer Bringschuld. "Das Predigen gegen Gewalt und Demokratiefeindlichkeit ist eine Aufgabe auch der islamischen Organisationen", sagte der Geschäftsführer der Grünen-Fraktion im Bundestag, Volker Beck, der Netzeitung. Respekt gegenüber Andersgläubigen, Achtung der Glaubensfreiheit und Akzeptanz der Rechtsordnung müssten stärker in den Moscheen vermittelt werden, forderte er. Gleichzeitig warnte der Grünen-Politiker vor einem Generalverdacht gegen alle Muslime. Die Öffentlichkeit müsse zwischen Muslimen und Islamisten unterscheiden lernen. Hier könnten aber auch islamische Organisationen "aktiv mehr machen".
(KNA, dr)