Musikalisches 'Willkommen Zurück' für Rubens-Gemälde in Köln

The Sound of Rubens

Zwei Konzerte in der Kunst-Station Sankt Peter feiern das frisch restaurierte Bild. "Kreuzigung Petri" von Peter Paul Rubens. Alte und Neue Musik treten dazu in Dialog und verschmelzen mit alter und neuer Kunst zum Gesamtkunstwerk.  

Autor/in:
Hilde Regeniter
"Kreuzigung Petri" von Peter Paul Rubens / © Anita Hirschbeck (KNA)
"Kreuzigung Petri" von Peter Paul Rubens / © Anita Hirschbeck ( KNA )
Proben zu Füßen der "Kreuzigung Petri" / © Hilde Regeniter (DR)
Proben zu Füßen der "Kreuzigung Petri" / © Hilde Regeniter ( DR )

Zu Füßen der berühmten "Kreuzigung Petri" von Peter Paul Rubens sollte "Lagrime di San Pietro" erklingen, ein Liederzyklus von Orlando di Lasso. Diese Vision hatte Michael Veltman schon, bevor er Organist und künstlerischer Leiter der Kunst-Station Sankt Peter wurde, der Jesuitenkirche am Kölner Neumarkt. Jetzt setzt er die lange gehegte Idee in Form eines zweiteiligen Konzertes um, wobei er die geistliche Musik aus dem späten 16. Jahrhundert kombiniert mit jeweils zwei Uraufführungen eigens zu diesem Anlass und für diesen Ort komponierter Neuer Musik. Die Konzertabende am 12. August und am 1. September versprechen, ein wahrhaft grenzüberschreitender Genuss für Ohren und Augen zu werden.

Ein ganzes Netz aus inhaltlichen und ästhetischen Bezügen will Michael Veltman da aufspannen, gemeinsam mit seinem Ensemble TRA I TEMPI sowie sieben Vokalsolistinnen und -solisten. Wobei im Mittepunkt von allem das Rubens-Bild steht. Geboren in Siegen hatte der spätere Barock-Star Peter Paul Rubens die ersten zwölf Jahre seines Lebens in der Nähe der Kirche Sankt Peter in Köln gewohnt; mit über 60 Jahren wurde er von der dortigen Gemeinde beauftragt, für die Kirche seiner Kindheit ein Hochaltarbild mit Petrus-Motiv zu schaffen. Tatsächlich ließ sich Rubens darauf ein und entschied sich für eine kraftvolle Darstellung des Martyriums Petri, der sich kopfüber hatte kreuzigen lassen, um nicht auf dieselbe Weise zu sterben wie Jesus. Das Ölgemälde, das sowohl die Kreuzesfrömmigkeit der Zeit als auch die damalige gegenreformatorische Polemik spiegelt, sollte eines der letzten, wenn nicht gar das letzte Werk des Meisters werden: Rubens starb im Jahr 1640, 1642 kam "Die Kreuzigung Petri" nach Sankt Peter.

Sopranistin Nicole Ferrein und Michael Veltman, Organist der Kunst-Station St. Peter / © Hilde Regeniter (DR)
Sopranistin Nicole Ferrein und Michael Veltman, Organist der Kunst-Station St. Peter / © Hilde Regeniter ( DR )

Der Einbruch der Moderne

"Wir in Sankt Peter sehen den Rubens als Einbruch der Moderne in Köln", erklärt Michael Veltman. In der Tat brachte der Barockmaler im 17. Jahrhundert mit seinem Petrusbild eine neue Art zu sehen in die Domstadt; Jahrhunderte später setzten die Jesuiten in der Kölner Kunststation das Anliegen fort, indem sie das in die Jahre gekommene Bild in künstlerischen Dialog mit Arbeiten zeitgenössischer Künstler wie zum Beispiel Eduardo Chillida oder Gerhard Richter brachten und so ebenfalls mit alten Sehgewohnheiten brachen.   

Die Verbindung von alter Kunst im Raum mit zeitgenössischen Kunstwerken also ist seit langem das Konzept der Kunst-Station. Diesen Dialog in Musik zu übersetzen, um nichts Geringeres geht es Veltman jetzt. Das Prinzip: So wie das alte Gemälde auf moderne Arbeiten trifft, trifft nun auch Alte auf Neue Musik; gleichzeitig beziehen sich alle zurück auf das Rubens-Bild.

Petrus verbindet

Wobei eben auch die Petrus-Thematik Rubens, Di Lasso und die Komponisten von heute miteinander verbindet: Immer geht es um den leidenden Petrus. Bei Rubens steht er kurz vorm Kreuzestod, Di Lasso thematisiert die Einsamkeit des Petrus angesichts seines Verrates an Jesus, das gebrochene Vertrauen und die nicht übernommene Verantwortung. Auch Di Lasso komponierte seinen Liederzyklus aus 20 geistlichen Madrigalen auf Italienisch und einer Motette auf Latein kurz vor seinem Tod; auch dieses letzte Werk weist wie im Fall Rubens eine besonders hohe künstlerische Qualität auf.   

Michael Veltman selbst hat für das zweiteilige Konzert ein "Neues Werk für Ensemble" geschaffen, das am 1. September neben der Komposition der US-Amerikanerin Bethany Younge als Uraufführung die Di Lasso-Stücke bereichern wird; am 12. August stehen Uraufführungen von Friedrich Jaecker und der in Kasachstan geborenen Jamilia Jazylbekova auf dem Programm.

Das Gemälde "Kreuzigung Petri" von Peter Paul Rubens in der Kölner Kirche Sankt Peter / © Vanessa Lange (LVR)
Das Gemälde "Kreuzigung Petri" von Peter Paul Rubens in der Kölner Kirche Sankt Peter / © Vanessa Lange ( LVR )

"Es hat eine Aura"

Das intensive In-Beziehung-Stehen übertrage sich auch auf die Sängerinnen und Sänger, die Musiker und Musikerinnen, sagt Sopranistin Nicole Ferrein. "Alle, die wir hier beteiligt sind, wissen natürlich, worum es geht". Dass sie sämtliche Stücke, die der Renaissance genauso wie die gerade erst entstandenen, im Angesicht des Rubens-Bildes interpretieren, mache etwas mit

ihnen: "Es hat eine Aura. Wir spüren das, wir singen nicht einfach einen Text mit einer Melodie. Es ist etwas tief Empfundenes, was dabei herauskommt."

Tiefe und Vielschichtigkeit in Interpretation und Beziehungen – die wünschen sich Michael Veltman, die Sänger und Musikerinnen für die beiden Abende. Die hätten eigentlich schon viel früher hätten stattfinden sollen, genauer gesagt zur feierlichen Rückkehr des Rubensbildes nach über zweijähriger Restaurierung am Ostermontag 2022. Damals war Veltman zwar schon im Amt des Organisten vor Ort, hatte aber die Finanzierung seines ehrgeizigen Projektes noch nicht sicher beisammen. "Jetzt ist zwar alles ein bisschen zeitversetzt, aber wir feiern noch immer, dass der Rubens frisch restauriert an seinem Platz zurück ist." Und zwar an der Stirnwand der südlichen Seitenkapelle von Sankt Peter, wo der gekreuzigte Petrus jetzt zum Zeuge eines ganz besonderen Musik-Events wird.

 

Quelle:
DR