Museumsleiterin warnt vor Angriffen bei jüdischen Feiertagen

"Explosion von Judenhass"

Beim jüdischen Lichterfest Chanukka schossen zwei Männer auf Menschen am Bondi Beach in Sydney. 15 Personen wurden getötet, über 40 wurden verletzt. Vertreter aus Kirche, Politik und Gesellschaft haben den Anschlag scharf verurteilt.

Angriff am Bondi Beach / © Mark Baker/AP (dpa)
Angriff am Bondi Beach / © Mark Baker/AP ( dpa )

DOMRADIO.DE: Warum eigentlich Australien, hätte es auch jedes andere Land sein können?

Prof. Dr. Mirjam Wenzel (Leiterin des Jüdischen Museums in Frankfurt): Ja, das muss man sehr deutlich sagen. Es hätte wahrscheinlich jedes andere Land in der westlichen Welt sein können. Wir sind in einem Jahr, in dem zwei Menschen gezielt vor einem jüdischen Museum in Washington exekutiert wurden, in dem drei Menschen am Jom Kippur in Manchester gezielt umgebracht wurden und jetzt dieser Terroranschlag. Wir haben es mit einer Explosion von Judenhass in der westlichen Welt zu tun, der tödlich ist.

Prof. Dr. Mirjam Wenzel, Direktorin des Jüdischen Museums Frankfurt / © Sandra Hauer (Jüdisches Museum Frankfurt)

DOMRADIO.DE: Antisemitismus ist in den letzten zwei Jahren gestiegen, vor allem weltweit. Aber auch das Datum war bestimmt kein Zufall: der erste Tag des Lichterfestes. Ausgerechnet steht das für Hoffnung und für Befreiung. Wenn wir an den 7. Oktober denken, auch da haben die Juden und Jüdinnen Sukkot gefeiert, ein weiterer religiöser Feiertag. Hat dieses Vorgehen System?

Wenzel: Das hat System. Die jüdischen Feiertage werden wesentlich in der Gemeinschaft begangen. Man ist nicht nur mit der Familie, mit Freunden, sondern auch in der Synagoge. Die Chabad-Bewegung ruft oft zu diesen großen Feiern von Chanukka in der Öffentlichkeit auf und das heißt, man trifft dort mit einem Anschlag besonders viele Menschen.

Mirjam Wenzel

“They tried to kill us, now let's celebrate and eat”.

DOMRADIO.DE: Acht Tage dauert das Fest. Gestern war der erste Tag. Was bedeutet das jetzt für die Feierlichkeiten? Sollte man sie lieber absagen oder lieber erst recht begehen?

Wenzel: Die jüdische Haltung ist: “They tried to kill us, now let's celebrate and eat.” Chanukka ist ein stolzes Fest. Der Tempel war von den Griechen mit dem Zeuskult entweiht worden. Den Makkabäern ist es nicht nur gelungen ihn zurückzuerobern, sondern auch wieder einzuweihen, weil sie eben dieses eine Ölkännchen gefunden haben, mit dem wir die Tempel-Menora anzünden konnten. Die Menora muss brennen, es muss hell sein im Tempel.

Das ist das Wunder von Chanukka, dieses Öl tatsächlich auch für acht Tage um die Menora brennen zu lassen. Das war die Zeit, die man brauchte, um neues, geweihtes Öl zu fertigen. Dementsprechend werden alle jüdischen Menschen auf der Welt Chanukka feiern. Das ist ein Fest des Lichtes, ein Fest des Stolzes, ein Fest der Freude, ein Fest der Familien und der Freunde und das ist Bestandteil jüdischer Tradition zu sagen: Jetzt erst recht!

Mirjam Wenzel

"In Deutschland spricht man auch von einer Vervierfachung der antisemitischen Vorkommnisse in den letzten fünf Jahren".

DOMRADIO.DE: Australien ist weit weg. Vielleicht fragt sich der ein oder andere, was dieser Anschlag mit uns in Deutschland zu tun haben könnte.

Wenzel: Es ist wichtig, dessen gewahr zu werden. Die Polizeistatistiken sind nicht bloße Ziffern. Wir haben von Jahr zu Jahr einen Anstieg antisemitischer Gewalt in Deutschland. In Australien waren es 300 Prozent. In Deutschland spricht man auch von einer Vervierfachung der antisemitischen Vorkommnisse in den letzten fünf Jahren. Es gilt, diesem Hass ganz entschieden entgegenzutreten.

Das Interview führte Elena Hong.

Chanukka

Es ist das jüdische Fest des Lichts. An acht Abenden werden nach und nach die Kerzen eines Leuchters entzündet. Das Fest erinnert an den Sieg über die Dunkelheit auch im übertragenen Sinne.

Kerzen, Kreisel, Reibekuchen und ein "Diener": Sie gehören untrennbar zum jüdischen Lichterfest Chanukka. Das Fest beginnt in diesem Jahr am Sonntagabend und endet am 22. Dezember.

Neun Kerzen brennen an einem Chanukka-Leuchter / © Harald Oppitz (KNA)
Neun Kerzen brennen an einem Chanukka-Leuchter / © Harald Oppitz ( KNA )
Quelle:
DR

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