Münchner Pfarrer dient BR-Serie als Vorbild

"Ich kam von einer vollen Kirche in eine leere Kirche"

"Himmel, Herrgott, Sakrament", so heißt eine neue Fernsehserie im Bayrischen Rundfunk. Ein Pfarrer kommt nach glücklichen Jahren auf dem Land nach München und kriegt einen Kulturschock. Vorbild dafür ist Pfarrer Rainer Schießler.

Die Geschichte von Hans Reiser ist angelehnt an den Münchner Großstadtpfarrer Rainer Maria Schießler. / © BR/maze pictures GmbH/Barbara Bauriedl
Die Geschichte von Hans Reiser ist angelehnt an den Münchner Großstadtpfarrer Rainer Maria Schießler. / © BR/maze pictures GmbH/Barbara Bauriedl

DOMRADIO.DE: Hans Reiser, so heißt der Pfarrer in der Serie. Wie viel Schießler steckt in dieser Figur?

Pfarrer Rainer Maria Schießler am 28. Februar 2023 in München. / © Dieter Mayr (KNA)
Pfarrer Rainer Maria Schießler am 28. Februar 2023 in München. / © Dieter Mayr ( KNA )

Pfr. Rainer Maria Schießler (Münchner Pfarrer und Autor): Sehr viel. Wir hatten die Premiere letzte Woche und die beiden Folgen gesehen, die morgen ausgestrahlt werden. Und ich war am Schluss so sprachlos und angenehm angetan. Alle haben auf mich gewartet. Ich sollte die erste Reaktion geben und ich habe nur gesagt: Ich bin überwältigt. Der Stephan Zinner spielt so authentisch, so engagiert, so glaubwürdig. Mir fehlen die Adjektive dazu.

DOMRADIO.DE: Sie sind begeistert.

Schießler: Ich finde die Serie wahnsinnig, wahnsinnig gut.

Stephan Zinner hat sich mit Pfarrer Schießler getroffen um etwas über Messgewänder zu lernen. / © BR/maze pictures GmbH/Barbara Bauriedl
Stephan Zinner hat sich mit Pfarrer Schießler getroffen um etwas über Messgewänder zu lernen. / © BR/maze pictures GmbH/Barbara Bauriedl

DOMRADIO.DE: Die Serie zeigt einen Pfarrer, der mit unkonventionellen Aktionen versucht, die Leute in die Kirche zurückzuholen. Machen Sie das auch?

Rainer Maria Schießler

"Und dann stehst du vor der Wahl: Aufgeben, oder du überlegst dir wie du die Leute zusammenkriegst."

Schießler: Diese Geschichte in der Serie ist ja nicht erfunden. Das ist vielleicht der Unterschied zu vielen anderen Serien. Sie beruht nicht auf einem Buch, das ja auch erfunden sein kann, sondern auf einem Buch, das Teil meiner Biografie ist, von meinem Leben. Die Geschichte beruht auf der Wirklichkeit.

Das Zurückkommen des Pfarrers in eine leere Gemeinde zum Beispiel, das habe ich erlebt. Ich war selber Kaplan in Rosenheim und bin nach München gekommen und bin von einer vollen Kirche, in eine leere Kirche. Und dann stehst du vor der Wahl: Aufgeben, oder du überlegst dir wie du die Leute zusammenkriegst. Wie kann ich denen das Evangelium verkünden? Insofern ist es sehr realistisch, was da beschrieben wird. Ich kämpfe jeden Tag mit neuen Ideen. Nicht weil man unbedingt eventig sein will, auf Teufel komm raus - sondern weil man Menschen erreichen will.

DOMRADIO.DE: Man könnte natürlich auch sagen, dass die Kirche kein Rummelplatz ist. Wenn die Leute Unterhaltung wollen, dann können sie genauso gut auf die Kirmes oder in den Zoo gehen.

Schießler: Absolut richtig. Die Kirche ist aber Lebensraum. Wenn ich von Event rede, rede ich von den feinsten Form der Unterhaltung. Wie wenn man einen Gefallenen aufrichtet, einem Menschen einen neuen Stand gibt, ihm eine neue Heimat gibt. Heimat, eine wunderschöne Definition, heißt: Ein von Liebe durchwehter Raum. Nicht an der Oberfläche stehen bleiben. In der Serie findet man in einer Szene beispielsweise Papageien in der Kirche. Natürlich kann ich mit Papageien in die Kirche gehen, aber wenn ich einen Tiergottesdienst mache, mit dem Thema Schöpfung, und die Leute einlade: 'Jetzt bringt eure Tiere auch mit', dann hat das schon wieder ganz anderen Stellenwert.

DOMRADIO.DE: Haben sich die Macher der Serie auch ganz konkret Tipps für die Dreharbeiten von Ihnen geholt? Zum Beispiel in Sachen Gottesdienste und Liturgie?

Rainer Maria Schießler

"Wie machen wir uns nicht lächerlich, aber sind trotzdem unterhaltsam?"

Schießler: Wir waren immer im Gespräch, von Anfang an. Der Produzent, der Willi Kreutzer, ich kenne ihn schon von früher, der hat einen großen Film gemacht, "Die große Stille", ein ganz ernster Film über eine Kartause und der Franz Xaver Bogner, der Regisseur, ist auch in die Gespräche mit eingestiegen. Wir waren immer am diskutieren, was wir machen können, was wir den Leuten anbieten können und vor allem: Wie machen wir uns nicht lächerlich, aber sind trotzdem unterhaltsam? Dann begannen die Dreharbeiten.

Der Stefan Zinner, der mich spielt, ist häufig bei mir gewesen, ist in den Gottesdienst gegangen, hat von mir einen Crashkurs bekommen, wie man sich als Priester anzieht und in der Messe benimmt und so weiter. Und da war ich einmal am Set, habe alle besucht und die Schauspieler begrüßt und in einer kleinen Szene habe ich auch mitgespielt.

Stephan Zinner spielt in der neuen BR-Serie den Pfarrer Hans Reiser. / © BR/maze pictures GmbH/Barbara Bauriedl
Stephan Zinner spielt in der neuen BR-Serie den Pfarrer Hans Reiser. / © BR/maze pictures GmbH/Barbara Bauriedl

DOMRADIO.DE: Sie tauchen als Nebendarsteller auf, als Mann mit Hund. Wie ist das, wenn man sich selbst im Fernsehen sieht?

Schießler: Ich habe ja schon viel Fernsehen gemacht. Aber das ist eine sogenannte Cameo-Szene. Ich habe immer gesagt, ich bin der Hitchcock dieser Serie. Hitchcock ist ja immer in seinen Filmen als stummer Komparse aufgetaucht. Es ist toll. Vor allem war für mich dieser Besuch sehr wichtig. Ich hatte einen schweren Bergunfall und das war der erste Abend nach acht Wochen, an dem ich ohne Krücken gehen konnte, und da habe ich den kleinen Dackel ausgeführt, der wollte unbedingt in die Kirche rein rennen.

Und dann kommt der Pfarrer mir entgegen und ich habe nur zu ihm gesagt: 'Ich weiß nicht, was der Hund hat, er will in die Kirche da rein, das darf er doch nicht.' Und das ist der Moment, in dem es beim Pfarrer Klick macht und er darauf kommt, man könnte ja so eine Viecherlmesse machen, wie es wir, bei mir in der Pfarrei schon seit 15 Jahren tun.

Stephan Zinner spielt den Pfarrer Hans Reiser, der von einer belebten Gemeinde auf dem Land kommt und in München nur noch eine leere Kirche vorfindet. / © BR/maze pictures GmbH/Barbara Bauriedl
Stephan Zinner spielt den Pfarrer Hans Reiser, der von einer belebten Gemeinde auf dem Land kommt und in München nur noch eine leere Kirche vorfindet. / © BR/maze pictures GmbH/Barbara Bauriedl

DOMRADIO.DE: Ihr Buch, das der Serie zugrunde liegt, beschäftigt sich damit, dass Kirche heute für immer weniger Menschen wichtig ist. Das liegt natürlich auch an den vielen Missbrauchsskandale, und dem Umgang der Kirche damit. Aber was läuft da sonst noch schief? Die Menschen haben ein riesen Bedürfnis nach Spiritualität.

Rainer Maria Schießler

"Für meinen Glauben brauche ich Kirche. Warum? Weil es zu viele Dinge gibt, die ich ohne Gemeinschaft nicht tun kann."

Schießler: Aber die Frage der Identität: Brauche ich noch Kirche heute, um spirituell zu sein? Bischof Bätzing von der Bischofskonferenz hat gesagt, dass wir uns um diese Identität Sorgen machen, weil sie immer mehr schwindet. Wieso sagen heute so viele Leute ganz selbstverständlich Glaube ja, Kirche nein? Den Satz könnte ich nie wiederholen oder gar unterstreichen. Für meinen Glauben brauche ich Kirche. Warum? Weil es zu viele Dinge gibt, die ich ohne Gemeinschaft nicht tun kann. Ich kann nicht feiern, ich kann nicht trauern. Ich brauche dazu diese Gemeinschaft. Ich bin ja nicht alleine unterwegs.

Diese Kirche ist nicht nur eine Verwaltungseinheit, sondern wir sind eine Glaubenseinheit, die ausgezogen ist aus Ägypten, sozusagen aus der Unfreiheit in die Freiheit. Ich kann mich doch nicht aus dieser Freiheit ausklammern. Und das müssen wir den Leuten klarmachen. Wir gemeinsam sind auf dem Weg in das gelobte Land, stellt´s euch das einmal vor; denke ich mir jeden Sonntag, wenn ich Messe feiere und den Herrn, den Menschen zeige, dieses kleine Stück Brot. Schaut, das heißt, wir sind alle unterwegs.

Das Interview führte Hilde Regeniter.

Erzbistum München und Freising

Das Erzbistum München und Freising ist mit rund 1,61 Millionen Katholiken (Stand: Mai 2021) das größte unter den sieben bayerischen Bistümern und eine der bedeutendsten Diözesen in Deutschland. Sie erstreckt sich über eine Fläche von 12.000 Quadratkilometern vorwiegend auf Oberbayern und ging hervor aus dem Hochstift Freising, das der heilige Bonifatius 739 errichtete. Nach der Säkularisation 1821 wurde der Bischofssitz nach Münchenverlegt und die Erhebung zum Erzbistum verfügt.

 © ilolab (shutterstock)
Quelle:
DR