München ist bis heute eine religiös vitale Stadt

"Bei den Mönchen"

Die bayerische Landeshauptstadt hat schon viele Etiketten erhalten: "Hauptstadt der Bewegung", "Weltstadt mit Herz", "nördlichste Stadt Italiens" oder aber "Isar-Athen". Zum 2. Ökumenischen Kirchentag will sich München nun als "Stadt der Religionen" präsentieren. Und das nicht ohne Grund.

Autor/in:
Christoph Renzikowski
 (DR)

Religion war schon bei der Stadtgründung im Spiel. Mönche, vermutlich Benediktiner, gaben der Siedlung einst ihren Namen, der nichts anderes heißt als «Bei den Mönchen». Sie verhalfen dem Ort auch in der später verballhornten Gestalt des «Münchner Kindl» zu seinem Wappen. Auf die katholischen Ursprünge vor über 850 Jahren und eine ausgeprägt gegenreformatorische Phase folgte in der Neuzeit «Ökumene von oben». Bayerische Könige heirateten protestantische Prinzessinnen. Auf ihren Druck hin erhielt 1801 mit dem reformierten Wirt und Pferdehändler Johann Balthasar Michel erstmals ein evangelischer Christ das Bürgerrecht.

Christliche Großveranstaltungen sind für München nichts Neues. 1960 wurde der «Eucharistische Weltkongress» veranstaltet, es gab gut besuchte Katholiken- und evangelische Kirchentage. Gleich mehrfach schauten am Marienplatz Päpste vorbei, zuletzt Benedikt XVI. im September 2006.

Von den 1,36 Millionen Münchnern sind ein gutes Drittel katholisch, ein Siebtel evangelisch. Zusammen behaupten die Christen aber - bei abnehmender Tendenz - nur noch eine knappe Mehrheit unter den Stadtbewohnern. Für einen eigenen Akzent sorgt die vergleichsweise starke Präsenz orthodoxer Gläubiger, vor allem griechischer Herkunft. Doch am stärksten wächst in der Statistik der Anteil der «Sonstigen», wobei schätzungsweise 110.000 Muslime unter den etwa 660.000 Personen in dieser Rubrik versteckt sind. So genau weiß man das nicht, da der Islam keine formale Mitgliedschaft kennt.

Religiöse Bauten prägen bis in die Gegenwart hitzige innerstädtische
Debatten: 2004 bewirkte ein Volksbegehren mit hauchdünner Mehrheit, dass keine Hochhäuser mehr errichtet werden dürfen, die eine Höhe von 100 Metern überragen. Dies ist das Maß der Türme der Frauenkirche. Pläne für eine neue Großmoschee im Stadtteil Sendling wurden jahrelang kontrovers diskutiert. Sie scheiterten vor wenigen Wochen am fehlenden Geld.

Derzeit elektrisiert das Vorhaben liberaler Juden, eine eigene Synagoge von US-Stararchitekt Daniel Libeskind errichten zu lassen, die Kulturszene. Mit der Großsynagoge «Ohel Jakob» kehrte das Judentum bereits 2006 wieder für alle sichtbar ins Zentrum der Stadt zurück.

Die Religion der Zivilgesellschaft ist der Sport. Doch trotz der dafür errichteten Kathedralen Olympiastadion und Allianz-Arena ist auch heute noch der Liebfrauendom das unbestrittene Wahrzeichen Münchens - eine katholische Kirche, die von muslimischer Architektur beeinflusst wurde, aber das wissen die wenigsten.

Wir schreiben das 15. Jahrhundert: Kirchenbaumeister Jörg von Halspach lässt sich bei den Zwiebelhauben auf den beiden Türmen vom Jerusalemer Felsendom mit seiner goldenen Kuppel inspirieren.
Zeitgenössische Abbildungen deutet er irrtümlich als Tempel Salomos, dabei haben längst die muslimischen Herrscher Jerusalems auf den antiken jüdischen Tempelmauern eine Moschee errichtet.

In jüngerer Zeit sorgt sich das Domkapitel um die Standfestigkeit der Frauenkirche. Der Einsturz des Kölner Stadtarchivs hat die Bedenken der katholischen Würdenträger gegen den geplanten zweiten S-Bahn-Tunnel nicht eben verringert. Domdekan Lorenz Wolf ließ vorsorglich zwei Seismographen in den Kirchtürmen installieren. Sie haben auch schon ausgeschlagen, als in der Nachbarschaft ein Bekleidungshaus eine Tiefgarage errichtete.