Morddrohungen gegen den mexikanischen Migranten-Seelsorger Solalinde

Stachel im Fleisch der Drogenbosse

Die Rechte und der Schutz der Einwanderer liegen Alejandro Solalinde Guerra besonders am Herzen. Nun könnte dem mexikanischen Pater genau dieser Einsatz zum Verhängnis werden. Wieder einmal ist Solalinde ins Visier der Mafia geraten.

Autor/in:
Tobias Käufer
 (DR)

Diesmal machten sich die mächtigen Kartelle nicht einmal mehr die Mühe, ihre Morddrohungen zu verheimlichen. Als der Koordinator der katholischen Anlaufstelle für Migranten für den Südwesten Mexikos, der zugleich auch Leiter einer Unterkunft für Migranten im Städtchen Ixtepec im Bundesstaat Oaxaca ist, vor wenigen Tagen eine Gruppe von 1.500 Flüchtlingen empfing, stießen zwei scheinbar unbeteiligte Beobachter der Szene unmissverständliche Drohungen gegen den Pfarrer aus.



Er ist die "Lebensversicherung für die Migranten"

Wie so oft kamen die Flüchtlinge per Güterzug nach Ixtepec, um hier auf ihrer langen Reise aus Süd- und Mittelamerika in die USA Station zu machen. Bei Pater Solalinde, so hat sich herumgesprochen, gibt es eine menschenwürdige Unterkunft und eine warme Mahlzeit - und Schutz vor der Drogenmafia, die in der Vergangenheit immer wieder Einwanderer entführte, um sie dann gegen ihren Willen für den Drogenkrieg zu rekrutieren oder zur Prostitution zu zwingen.



Menschenhandel ist einer der lukrativsten Geschäftszweige der mexikanischen Mafia. Die Einwanderer befinden sich meist im Zustand völliger Rechtlosigkeit. Weil sie sich auf ihrer Durchreise in die USA juristisch betrachtet illegal in Mexiko aufhalten, können sie nicht an die Polizei wenden: So sind sie schutzlose Opfer der Mafia.



Pater Alejandro Solalinde ist so etwas wie eine Lebensversicherung für die Migranten. Für die Drogenmafia ist er ein Stachel im Fleisch, der ihre lukrativen Geschäfte stört. Aber auch für die mexikanischen Beamten, die er an ihre Pflichten erinnert, ist er ein lästiger Störenfried. Korrupte Angehörige der Gemeindeverwaltung, so berichten mexikanische Medien, haben ihm sogar einmal gedroht, die Unterkunft niederzubrennen, sollte er sie nicht selbst schließen.



Die beiden Unbekannten, die vor wenigen Tagen die Flüchtlinge und Solalinde "in Empfang" nahmen, stießen zunächst wüste Beleidigungen in Richtung der Migranten aus. Dann wandten sie sich dem Pater zu und bedrohten ihn mit dem Tod. Solalinde hat eine Theorie, wer dahinter steckt: "Es ist die zweite Morddrohung innerhalb von 15 Tagen - und sie kommt von der gleichen Quelle, die Verbindungen mit der organisierten Kriminalität hat. Von Menschen, die uns nicht wollen und die systematisch gegen uns arbeiten. Und das Schlimme ist, dass sich auch die Verwaltung von Ixtepec nicht von diesen Personen distanziert."



Die Mafia meint es ernst

Der Fall Solalinde nimmt in den mexikanischen Medien breiten Raum ein, auch weil der Priester wegen seines Einsatzes für die Menschenrechte weit über die Grenzen seiner Heimatgemeinde beliebt und geschätzt ist. Amnesty International rief bereits zur Unterstützung des Geistlichen auf. Briefe und E-Mails an die Behörden sollen auf die Notlage aufmerksam machen. Diese Öffentlichkeit soll Solalinde schützen.



Dass es die Mafia ernst meint, war bereits vor wenigen Tagen zu erkennen. Ein Mann betrat Solalindes Flüchtlingsherberge in Ixtepec und teilte dem Priester mit, man habe bereits einen Auftragsmörder für ihn verpflichtet. Keine 24 Stunden später wurde neben den Gleisen in Ixtepec eine zerstückelte und entstellte Leiche gefunden. Beobachter werteten dies als eindeutige Warnung.



Der Kämpfer für die Migrantenrechte gibt freilich nicht auf. Im Gegenteil: Bei einer Pressekonferenz rief er die Politiker auf, das Migrationsgesetz zu überarbeiten. Die Flüchtlinge, so Solalinde, würden nicht als Menschen, sondern als Kriminelle behandelt. Freunde macht sich Solalinde damit nicht. Aber die Kirche, sagt er, dürfe nicht schweigen, wo es so viel Unrecht gibt.