Moraltheologe analysiert die menschliche Angst vor dem Tod

"Sterben und Tod sind kein chaotischer Kollaps"

Tod, wo ist dein Stachel, heißt es im Korintherbrief des Apostels Paulus. Warum einem das Sterben keine Angst machen sollte, verrät der Theologe Rupert Scheule. Und: warum Leben nicht der Gegenbegriff zu Tod ist.

Sargträger tragen einen Sarg in eine Kirche / ©  PeopleImages.com - Yuri A (shutterstock)
Sargträger tragen einen Sarg in eine Kirche / © PeopleImages.com - Yuri A ( shutterstock )

Der Regensburger Moraltheologe Rupert Scheule geht mit "interdisziplinärer Neugier" an das Thema Tod heran. "Der Tod ist zu groß für eine einzelne Disziplin", sagte Scheule der "Süddeutschen Zeitung" (Donnerstag/Freitag). Als katholischer Theologe sei er ganz gut in der Begriffsarbeit und der Deutung großer Themen. Aber der Palliativmedizin verdanke er zum Beispiel die Erkenntnis, "dass Sterben und Tod kein chaotischer Kollaps des Lebens sind, sondern physiologisch gut geordnete Prozesse. Wir müssen nicht davon ausgehen, dass es das Sterben von Haus aus schlecht mit uns meint."

Prof. Dr. Rupert Scheule  / © Dr. Tilman Becker (privat)
Prof. Dr. Rupert Scheule / © Dr. Tilman Becker ( privat )

An der Universität Regensburg hat Scheule den ersten Studiengang zum Tod ins Leben gerufen. Seit 2021 können Master-Studierende dort im Fach "Perimortale Wissenschaften" das Sterben erforschen. Die Medizin sei dabei neben der Theologie nur eine Perspektive, so der Wissenschaftler. Die Studierenden befassten sich auch mit juristischen oder ökologischen Aspekten von Sterben, Tod und Trauer.

Körperliche Grenzen

Auf die Frage, warum Menschen oft Angst vor dem Tod hätten, sagte der Theologe, dass da vielleicht so etwas wie ein "Baufehler" vorliege. "Unsere körperliche Existenz ist begrenzt, zugleich tragen wir etwas Unbegrenztes in uns." Im Denken sei es möglich, Jahrtausende zu überbrücken, doch körperlich erfahre jeder ständig Grenzen. "Dass es zu Ende geht, obwohl wir diese Unendlichkeit in uns haben, macht Angst." Dazu komme, dass Alter, Sterben und Tod einem irgendwann die eigene Kontrolle streitig machten.

Dadurch, dass die Lebenserwartung in den vergangenen Jahrzehnten deutlich gestiegen sei, beschäftigten sich die Menschen immer später mit dem Tod, so Scheule. Todesfälle von jungen Menschen würden deshalb als umso dramatischer wahrgenommen. Andererseits bleibe der Tod die Zukunft: "Er ist der Elefant im Raum." Als Gläubiger hoffe er, dass der Tod am Ende nicht der Sieger, sondern der große Verlierer sei. "Sollte es etwas geben, was stärker ist als der Tod, dann ist es die Liebe." Für ihn sei der eigentliche Gegenbegriff zu Tod nicht Leben, sondern Liebe.

Grabkultur verändert sich

Verändert habe sich im Laufe der Zeit auch die Grabkultur, sagte der Theologe. Sie sei vielfältiger geworden. Neben pflegefreien Einfachgräbern ließen sich auf Friedhöfen wahre Exzesse der Grabeskreativität finden. 

Zugleich müsse aber davon ausgegangen werden, dass es künftig immer mehr Beisetzungen ohne Abschied geben werde: "Wenn wir uns an keinen Menschen binden, keine Kinder, keinen Verein, keine Kirchengemeinde haben, wer soll dann eigentlich noch hinter unserem Sarg hergehen?", gab Scheule, der auch als Diakon tätig ist, zu bedenken.

Quelle:
KNA