Monteverdis Marienvesper war ihrer Zeit weit voraus

Revolutionäre Klänge für Maria

Opernpionier, Hobby-Alchimist und Priester: der Komponist Claudio Monteverdi war maßgeblich am Stilwechsel am Ende des 16. Jahrhunderts beteiligt. Neben seinen Opern zeugt auch seine epochale Marienvesper von seinem Erfindungsgeist.

Autor/in:
Mathias Peter
Jungfrau Maria unter Engeln, Detail der Bildtafel Geburt Christi des Isenheimer Altars am 7. November 2019 im Museum Unterlinden in Colmar, Frankreich. / © Harald Oppitz (KNA)
Jungfrau Maria unter Engeln, Detail der Bildtafel Geburt Christi des Isenheimer Altars am 7. November 2019 im Museum Unterlinden in Colmar, Frankreich. / © Harald Oppitz ( KNA )

Der Name "Marienvesper" hat sich als deutsche Bezeichnung für diese Komposition des Domkapellmeisters von San Marco in Venedig eingebürgert.

Claudio Monteverdi / © Gemeinfrei
Claudio Monteverdi / © Gemeinfrei

Bis heute ist nicht klar, ob das Werk überhaupt einen Gesamtzusammenhang hat und nicht vielmehr eine Art lose Sammlung von Konzerten und Psalmen darstellt. Zumal Monteverdi in den musikalischen Stilen und dem Unfang der Besetzung sozusagen hin- und herspringt; mal gibt es expressive und virtuose Solo-Concerti, dann wieder entstehen wahre Klangkathedralen durch den Einsatz des Doppelchores, die an frühere Renaissance-Zeiten erinnern.

Sinnliche Musik für Maria

Im Zentrum des Werkes steht die Verehrung der Gottesmutter Maria - die Gebete "Ave maris stella" oder "Sancta Maria, ora pro nobis" werden berückend schön in Musik gefasst, ehe die Komposition mit einer virtuos-innigen Vertonung des Magnifikats, dem Lobpreis der Maria aus dem Neuen Testament, endet.

Blick in den Markusdom in Venedig / © Andreas Zerndl (shutterstock)
Blick in den Markusdom in Venedig / © Andreas Zerndl ( shutterstock )

Claudio Monteverdi wurde nur rund 40 Jahre nach Palestrina geboren, Palestrina gilt ja als DER katholische Komponist von Kirchenmusik. Doch Monteverdis Musik entwickelte sich in eine völlig neue Richtung. Das besondere an seiner neuen Musik: Der Inhalt des Textes wird viel expressiver und damit freier gedeutet, komplexe polyphone Regeln weichen zugunsten der Gefühlsdarstellung durch die Musik zurück. Virtuos konzertierende Stimmen über einen Generalbass kennzeichnen den neuen Stil, die Darstellung der menschlichen Gefühle hat oberste Priorität.

Eine Art Oratorium oder gar Bewerbungsmappe?

Mit seiner groß angelegten Marienvesper schuf Claudio Monteverdi ein Werk, das auf geniale Weise die damals ganz neue Art des Komponierens mit der traditionellen Musik des 16. Jahrhunderts verbindet. 1610 erschien sie im Druck – doch weder gibt es eine gesicherte Uraufführung, noch ist sicher, wofür der spätere Domkapellmeister am Markusdom in Venedig das Werk schrieb. Liturgisch passt die Komposition kaum in das Kirchenjahr - wahrscheinlich ist eher, dass die Sammlung, zu der die Marienvesper gehört, eine Art Bewerbungsmappe des Komponisten war.

Schon der Anfang der sakralen Marienvesper ist bemerkenswert, denn Monteverdi zitiert darin mit seiner Oper "Orfeo" ein weltliches Werk. Die musikalischen Neuerungen, die sich auch durch die Erfindung der Oper ergeben hatten, fügt Monteverdi nahtlos ein in seine geistliche Musik.

Anklänge an die damalige Oper

Die einzelnen Psalmvertonungen der Vesper werden durch Antiphonen voneinander getrennt. Diese gregorianischen Gesänge wurden damals von den anwesenden Kanonikern gesungen. Deswegen beginnt die Marienvesper auch vergleichsweise schlicht mit der bis heute gültigen Eröffnungsformel in der Katholischen Vesper, ehe dann Chor und Orchester mit einem kraftvoll-strahlenden D-Dur-Akkord einsetzen.

Das Werk erklingt am Sonntagabend ab 20 Uhr zum Marienmonat Mai als Wiederholung einer Sendung vom 2. Mai 2021 im Radioprogramm von DOMRADIO.DE.

Quelle:
DR