In Montecassino stößt der Papst auf eigene Wurzeln

Friedensmission für Europa

Eine Woche nach seiner Pilgerreise ins Heilige Land war Benedikt XVI. erneut in Sachen Frieden unterwegs. Beim eintägigen Besuch in Montecassino ging es ihm um Frieden in Europa - 65 Jahre nach einer der erbittertsten Schlachten des Zweiten Weltkriegs und an einem Ort, der durch die Friedensbotschaft des Ordensgründers und Europa-Patrons Benedikt von Nursia zu einem zentralen Platz der europäischen Kultur- und Geistesgeschichte wurde.

Autor/in:
Burkhard Jürgens
 (DR)

Schon von weitem sieht man die gewaltige Benediktiner-Abtei, die wie eine Burg auf einem Bergkegel das Gelänge überragt. Gerade eine halbe Stunde betrug der Hubschrauber-Flug von Rom. Bei strahlendem Frühsommer-Wetter feierte Benedikt XVI. in Cassino, einer unscheinbaren Kleinstadt am Fuß des Klosterbergs, die Messe zum Fest Christi Himmelfahrt. Wochenlang hatten sich die Stadt und die Provinz Frosinone, die zu den ärmeren Zonen Mittelitaliens zählt, auf den Besuch vorbereitet.

Es war ein geistiger Friedensappell, den Benedikt XVI. aus Montecassino an Europa und die Welt richtete. "Pax" (Frieden) - zitierte er die Aufschrift am Eingang der bedeutendsten Benediktiner-Abtei - war für den Mönchsvater in erster Linie ein Geschenk Gottes. Ein Geschenk, das sich der Mensch im Gebet und natürlich auch durch intensives Engagement erarbeiten müsse, wie der Papst betonte.

Für Benedikt XVI. war der Besuch in Montecassino eine Begegnung mit eigenen Wurzeln. Als Papst hat er sich den Namen des großen Mönchsvaters gewählt - und dessen Botschaft damit zum eigenen Programm gemacht. Er würdigte Benedikt als Patron Europas, der durch sein Leben und Werk grundlegenden Einfluss auf die Entwicklung der europäischen Zivilisation und Kultur nahm. Der nach dem Untergang des Römischen Reiches und dem Zerfall in der Völkerwanderung für eine neue geistliche und kulturelle Einheit eintrat und so zum Wegweiser des christlichen Europa wurde.

Als Kardinal in der Abtei zu Gast
Immer wieder war Joseph Ratzinger als Kardinal in der Abtei zu Gast, die als Wiege des abendländischen Mönchtums gilt. Hier redigierte er
2001 in klösterlicher Ruhe sein Interview-Buch "Gott und die Welt"..
Über den heiligen Benedikt und dessen Bedeutung für Europa hielt er
2005 seine letzte Rede außerhalb des Vatikan, bevor er ins Papstamt gewählt wurde.

Montecassino war für Benedikt XVI. aber auch eine Begegnung mit den Schrecken des Zweiten Weltkriegs. Am 15. Februar 1944 legten alliierte Bomberverbände die altehrwürdige Benediktinerabtei in Rauch und Asche - in der Annahme, dort hätten sich deutsche Einheiten verschanzt. Mehrere Monate dauerten dann die Kämpfe entlang der sogenannten Gustav-Linie. Soldatenfriedhöfe rings um die Abtei zeugen vom enormen Blutzoll. Benedikt XVI. stattete dem polnischen Friedhof einen privaten Besuch ab - stellvertretend für alle Gräber der Schlachten, wie er betonte. Er betete für die Gefallenen aller Kriege. Und er rief die Menschheit auf, der jungen Generation eine Welt vorzubereiten, in der Gerechtigkeit und Frieden herrschen.

"Ora et labora"
Montecassino, von dem nur die Krypta mit dem Grab des heiligen Ordensgründers verschont blieb, wurde nach dem Krieg wieder komplett neu aufgebaut. Im Oktober 1964 machte Papst Paul VI. hierher einen Konzils-Besuch, weihte das wiedererstandene Kloster und seine Basilika wieder ein - und erklärte den heiligen Benedikt zum Patron Europas. Benedikt XVI. stellte sich jetzt in diese Tradition. Beim feierlichen Vesper-Gebet mit den Mönchen appellierte er an Europa, sein christliches Erbe zu bewahren.

Aber der Besuch in Montecassino hatte nicht nur das große Europa im Blick. Konkret ging er auf die Probleme der Arbeitswelt in Mittelitalien ein. Benedikts Motto "Ora et labora" - bete und arbeite - verlange heute eine Vermenschlichung der Arbeitswelt. Gerade in einer Region mit hoher Arbeitslosigkeit bedeutete dies, dass Arbeitgeber und Verwaltung über die Schaffung neuer Arbeitsplätze nachdenken müssten, um Familien zu retten.