Mittwoch wird in den Niederlanden gewählt – Amtsinhaber kann mit Wiederwahl rechnen

Vom kleinen Nachbarn lernen?

Am Mittwoch wird in den Niederlanden ein neues Parlament gewählt. Der amtierende Regierungschef Jan Peter Balkenende kann mit seiner Wiederwahl rechnen, denn das Land befindet sich im Aufschwung. Die niederländische Wirtschaft ist in guter Verfassung und zieht selbst die Aufmerksamkeit des großen deutschen Nachbarn auf sich.

 (DR)

Als Bundeskanzlerin Angela Merkel kurzem zu ihrem Antrittsbesuch nach Amsterdam kam, sprach sie von "großem Respekt für die Reformen, die in den Niederlanden angepackt wurden". Die große Koalition habe "Erfahrungswerte aus den Niederlanden übernommen" und nehme sich an der Reformfreude und -konsequenz des Nachbarlandes ein Vorbild.

Einschneidende Reformen in Sozialsystemen tragen Früchte

Die Christdemokraten haben in den letzten Wochen und Monaten stetig in den Meinungsfragen aufgeholt. Die umfassende Reform- und Sparpolitik der letzten Jahre hat das politische Profil zwischen Regierungs- und Oppositionsparteien geschärft. Die Regierung von Ministerpräsident Balkenende bemühte sich durch Einsparungen und Strukturreformen um eine Stabilisierung der Sozialsysteme, die bei nachlassender Wirtschaftsleistung, wachsendem Haushaltsdefizit und Verschiebung der Alterspyramide zulasten der Beitragszahler an den Rand ihrer Finanzierbarkeit gestoßen waren. Die Klagen über Mängel im Schul- und Erziehungssystem, in der Gesundheitsvorsorge, im Verkehrswesen und bei der öffentlichen Sicherheit halten jedoch weiterhin an.

Durch die Reformen erwartet die Regierung, die sehr hohe und fortlaufend steigende Zahl dauernd Arbeitsunfähiger -offenbar erfolgreich- zurückzuführen. Mit strengeren Anforderungen für die Feststellung der Arbeitsunfähigkeit, einer Reform des Rechts der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und einer Absenkung der Zumutbarkeitsgrenze für angebotene Arbeit sind weniger Personen für arbeitsunfähig befunden worden.

Am 01.01.2006 wurde eine alle Bürger umfassende, aber an die Einkommenshöhe gekoppelte Basisversicherung eingeführt. Hierdurch ist die Unterscheidung zwischen privater und gesetzlicher Krankenversicherung entfallen. Ob dieses Vorhaben erfolgreich ist, lässt sich zur Zeit noch nicht einschätzen.

Rückgang der Armut

Erstmals seit 2002 dürfte in diesem Jahr die Armut in den Niederlanden zurückgehen. Zu dieser Einschätzung kommen das niederländische Statistikamt und das sozial-kulturelle Beratungsbüro der Regierung (SCP). Vor allem die in den vergangenen Jahren gestiegene Kaufkraft in den Rentnerhaushalten sei für die Verbesserung verantwortlich, hieß es.

Im laufenden Jahr müssen den Berechnungen zufolge 9,7 Prozent aller Haushalte mit einem sehr niedrigen Einkommen auskommen. Im nächsten Jahr sollen es nur noch 8,8 Prozent sein; das läge erstmals wieder unter der Quote von 9,1 Prozent im Jahr 2002.
Seitdem war der Anteil der armen Haushalte bis 2005 auf 11,1 Prozent gestiegen.

Als Armutsgrenze legten die Statistiker beispielsweise für Alleinstehende 860 Euro pro Monat, für Alleinerziehende mit einem Kind 1.140 Euro fest. Besonders von finanzieller Not betroffen sind der Statistik zufolge Alleinerziehende mit mindestens einem minderjährigen Kind, Alleinstehende unter 65 Jahren sowie aus nicht-westlichen Ländern stammende Erwerbstätige.

Balkenende: Religion sollte Pflichtfach werden

Der niederländische Ministerpräsident Jan Peter Balkenende hat sich für einen verpflichtenden Religionsunterricht in weiterführenden Schulen ausgesprochen. "Ob man nun glaubt oder nicht - Religionsunterricht ist äußerst wichtig, damit man erfährt, was Religion für die Menschen bedeutet, welche Unterschiede und welche Gemeinsamkeiten es gibt", sagte Balkenende in einem TV-Interview, dessen Wortlaut am Mittwoch vorab veröffentlicht wurde. Ein solcher Unterricht über die Weltreligionen solle es jungen Menschen ermöglichen, gesellschaftliche Vorgänge zu verstehen und selbst zu beurteilen.

Ein Sprecher Balkenendes erläuterte, dem christdemokratischen Regierungschef gehe es allein um die Vermittlung von Informationen an allgemeinen Schulen und nicht um das Erleben bestimmter Glaubensrichtungen an Schulen religiöser Ausrichtung.

Oppositionspolitiker lehnten den Vorschlag unter Berufung auf die Unterrichtsfreiheit ab. Danach können in den Niederlanden Eltern entscheiden, ob sie Religionsunterricht für ihre Kinder wünschen oder nicht.

Religionen in den Niederlanden

Die wichtigsten Religionen sind der Katholizismus (31 %), der Protestantismus (18 %) und der Islam (6 %). 42 % der Niederländer fühlen sich keiner Religionsgemeinschaft zugehörig. In früheren Zeiten war die Mehrheit des Bevölkerung protestantisch, während der übrige Teil der Bevölkerung katholisch war. Eine Kirchensteuer gibt es nicht.

Anders als in Deutschland, wo Staatsverträge die Beziehung zwischen Kirchen und Staat vertraglich regelen, sind Staat und Religion in den Niederlanden, ähnlich wie in Frankreich, strikt getrennt. Der niederländische Staat kann, im Gegensatz zum französischen, jedoch aus Erwägungen des öffentlichen Interesses die religiösen Gruppen für den Ausbau und Erhalt ihrer Infrastrukturen unterstützen. Einzige Bedingung ist die Bewahrung des Prinzips der Gleichbehandlung bezüglich anderer Gruppen.