Mitarbeiter von "Anonymous" arbeiten gegen die Organisation - Demonstration am Samstag

Maskiert gegen Scientology

Hinter "Anonymous" verbirgt sich ein weltweites Netzwerk, das für die Auflösung der umstrittenen "Church of Scientology" arbeitet. Am Samstag ist in Berlin eine größere Aktion geplant: Wie in vielen anderen Städten der Welt gehen die "Anonymous"-Mitglieder an diesem Tag auf die Straße.

Autor/in:
Stephanie Dobberstein
 (DR)

Fünf maskierte Menschen stehen im Halbkreis vor einem Stand, an dem ein "Kostenloser Stresstest" angeboten wird. In ihren Händen halten sie Flugblätter, auf denen in großen schwarzen Lettern "Vorsicht! Scientology!" steht. "Wir kommen immer dahin, wo Scientology die Stände aufbaut", erklärt einer der Maskierten in Berlin. "Samstags Kudamm, sonntags Potsdamer Platz. In der Woche sind die Orte unterschiedlich", sagt der Mann, der seinen Namen nicht nennen will. "Aber nenn mich David, so heißen alle 'Anonymous'-Mitglieder", fügt er erklärend hinzu.

Die Zahl der Mitglieder ist auch innerhalb des "Anonymous"-Netzwerks nicht bekannt. "In Berlin allein machen etwa 60 Männer und 40 Frauen mit", sagt David. Früher diskutierten die "Anonymous"-Anhänger in Internetforen über unterschiedliche Themen. Seit Anfang des Jahres gibt es für sie nur noch einen Diskussionsgegenstand: Scientology. Grund für den Richtungswechsel war ein Video, in dem sich ein namhafter Hollywood-Schauspieler zu der Glaubensgemeinschaft bekannte. Das Video wurde auf Veranlassung von Scientology aus den Foren entfernt. Das empfand "Anonymous" als Zensur, wie David berichtet.

Zum Treffen, wenige Tage nach den Protesten auf dem Kudamm, erscheint David ohne Maske, aber mit Sonnenbrille. Im Februar 2008 gründete sich nach seinen Angaben die Anti-Scientology-Bewegung. Seit März ist auch er dabei. Der Berliner hatte das inkriminierte Video in ein Forum gestellt. Als er sich weigerte, es zu löschen, drohte Scientology mit einer Klage. "Das war für mich der Auslöser", erzählt der etwa 35 Jahre alte Mann mit den dunklen Haaren. Mittlerweile treiben ihn auch andere Motive: "Ich stell mir vor, dass Scientology jemanden aus meiner Familie für sich gewinnen kann und mein Umfeld daran zerbricht."

"Ein echt zeitaufwendiges Hobby"
Im Januar 2007 wurde die Sientology-Zentrale in Charlottenburg eröffnet. Frank Nordhausen, Mitautor des Buches "Scientology - Wie der Sekten-Konzern die Welt erobern will", sieht darin eine Gefahr. "Scientology versucht mit sehr guter Lobbyarbeit Einfluss auf Parlamentsentscheidungen zu nehmen", sagt er im Gespräch mit der Nachrichtenagentur ddp. "Zudem wirbt die Organisation sehr engagiert Neulinge an und bringt sie in die Abhängigkeit." Auch der Charlottenburger Wirtschaftsstadtrat Marc Schulte (SPD)befürchtet, "dass Scientology wichtige Schaltstellen in Politik und Wirtschaft besetzen könnte". Durch eine großangelegte Aufklärungskampagne sei das allerdings bisher vermieden worden. Für 4. September lädt Schulte zur Vorstellung des Buches von Nordhausen und Liane von Billerbeck ein.

Mehrmals in der Woche streift sich David die Maske über den Kopf und geht auf die Straße. "Ein echt zeitaufwendiges Hobby und nur schwer zu vereinbaren mit Vollzeitjob und Privatleben", sagt er. Erfolgserlebnisse würden den Stress jedoch vergessen lassen. "Scientology nimmt uns sehr ernst und auch viele Passanten geben uns positives Feedback".

"Nimm die Maske ab"
Der Erfolg macht die Arbeit der Maskierten nicht leichter, berichtet David. Durch Filme, Fotos und Gespräche versuchten Scientologen, die Identität der "Anonymous"-Mitglieder zu lüften. So auch vor dem Stand am Kudamm. Wutentbrannt stürmt ein Mittvierziger mit Halbglatze und rotem Scientology-T-Shirt auf die Maskierten zu - Al Bundy wird er in "Anonymus"-Kreisen auch genannt. "Nimm die Maske ab", schreit er David an, "sonst ruf' ich die Polizei". Der Maskierte reagiert gelassen: "Die Polizei kennt unsere Ängste, identifiziert zu werden, und erlaubt uns das Maskentragen".

Doch Davids Ruhe ist nicht so groß, wie es scheint. Er ahnt, dass seine Identität irgendwann bekannt wird. "Anonymus"-Mitglieder in anderen Städten hätten nach dem Aufdecken ihrer Identität Drohungen erhalten. "Doch Familie, Firma und auch meine Vermieterin habe ich über 'Anonymous' informiert. Die sind auf meiner Seite".